Ohne Schuss kein Jus


Wer es noch nicht wissen sollte: Der Welt steht demnächst eine Schadenersatzklage astronomischen Ausmaßes bevor – Größenordnung so ungefähr Billionen.

Als Rächer der von Corona Enterbten tritt der in Deutschland und Kalifornien zugelassene Rechtsanwalt Dr. Reiner Fuellmich auf, der nach eigenen Angaben (Wikipedia kennt ihn noch nicht) seit 26 Jahren im Bereich des Verbraucherschutzrechts tätig ist und sich schon mit größeren Unternehmen wie der Deutschen Bank angelegt hat.

In zahlreichen Videos erklärt er sein Konzept: Zusammen mit drei deutschen Kollegen plus Experten aller Art habe er seit längerer Zeit umfangreiches Beweismaterial zusammengetragen und dabei den Hauptschuldigen an der Virus-Misere herausgefunden: den Berliner Virologen Prof. Christian Drosten und den von ihm entwickelten PCR-Test auf das neue Coronavirus. Dieses Verfahren nennt Fuellmich „Idiotentests“, die „super funktionieren“, aber halt nicht zum Nachweis von Covid-19. Ohne PCR gebe es auch keine Pandemie. 

„Namhafte Experten“ hätten dies bestätigt – als deutsche Kronzeugin nennt er in einem Video die Biologin Prof. Ulrike Kämmerer, die an der Würzburger Frauenklinik vor allem an Stoffwechselproblemen bei Krebs forscht und zum Beispiel das Buch „Krebszellen lieben Zucker - Patienten brauchen Fett“ herausgebracht hat.

Als weitere Referenz beruft sich der Anwalt auf den Grünen-Politiker David Claudio Siber, welche seine Partei schon von Beginn an darauf hingewiesen habe, der Corona-Lockdown sei unbegründet, man solle auch die andere Seite anhören, welche das Ganze als Betrug enttarnt habe. Die einzige Entscheidungsgrundlage für die Politik sei „der Blödsinn“ gewesen, „den Herr Drosten erzählt hat“.

Als kein Parteifreund auf Claudio hörte, habe er das alles auf einer Rede bei der Berliner Corona-Demo offenbart. Was Fuellmich lieber verschweigt: Siber nimmt die einflussreiche Position eines Mitglieds des Flensburger Stadtrates ein und wurde inzwischen von der grünen Fraktion rausgeschmissen.

https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Flensburg-Gruenen-Fraktion-wirft-Mitglied-raus,ausschluss100.html 

Auf der Basis solcher Expertisen möchte der Jurist in den USA und Kanada eine Sammelklage („class action“) auf Schadenersatz gegen die Herren Drosten und Wieler (Chef vom RKI) sowie die WHO erheben. Klar: „Vom materiellen Recht her“, so seine Einschätzung, „hat das Ding gigantische Erfolgsaussichten“. In Deutschland aber müsse man aufpassen: Wenn man die Klage hier anhängig mache, müsse der deutsche Richter gegebenenfalls „gegen seinen eigenen Dienstherrn entscheiden“. Die Unabhängigkeit der deutschen Justiz sei nicht in dem Maße gegeben, wie es erforderlich wäre.

Reiner Fuellmich wendet sich nicht an die deutschen Großkonzerne, denen es noch vergleichsweise gut ginge, sondern an Mittelständler und Selbstständige, welche besonders an der Krise litten. Er hoffe, dass diese sich massenhaft der Klage anschlössen, was die Politiker weltweit sicherlich beeindrucken werde.

So ungefähr also das Großprojekt, das der Anwalt in zahlreichen Videos bewirbt. Besonders kabarettreif finde ich eines, wo er von einem gläubigen Stichwortgeber interviewt wird, den die Verehrung des Meisters an jeglicher kritischer Nachfrage hindert. So stellt man sich in diesen Kreisen also Journalismus vor:

Wem es noch nicht reichen sollte:

https://www.youtube.com/watch?v=ENuqsz2QVs8

https://www.youtube.com/watch?v=GKNOQk_1ltU 

Der Massen-Prozess wird in dieser Weise auch auf einer eigens eingerichteten Website beworben:

https://www.corona-schadensersatzklage.de/

Es lohnt sich allerdings, da ein wenig aufs Kleingedruckten zu achten: Letztlich wird man dazu aufgefordert, per ausgefülltem Online-Formular ein Anwalts-Mandat zu erteilen.

Das Wichtigste aber – es gilt natürlich der alte Juristen-Grundsatz: „Ohne Schuss kein Jus“ („ohne Vorschusszahlung keine Rechtsbestrahlung“). Als pauschale Gebühr fällt die Summe von 800 Euro (zzgl. Mehrwertsteuer) an. Und – falls ein Schadenersatz erstritten werden sollte – schlappe zehn Prozent dieses Betrags als Gewinn-Beteiligung für die Anwälte. Wenn's nicht klappen sollte, ist das Geld natürlich weg.

Ob das die Rechtsschutzversicherung übernimmt? Sicherheitshalber wird geraten, sich dort selber zu erkundigen. Auch bei der Frage, wann es mit der Klage losgehen soll, hält man sich eher bedeckt. Man wolle zunächst einmal öffentlich Druck machen und Gespräche führen.

https://www.corona-schadensersatzklage.de/wie-kann-ich-mich-als-betroffene-r-der-sammelklage-anschliessen/

https://www.corona-schadensersatzklage.de/faq/ 

Ich darf mal zusammenfassen:

Womit Reiner Fuellmich sicherlich recht hat: Eine solche Klage hätte vor einem deutschen Gericht null Chancen – aber nicht wegen der fehlenden politischen Unabhängigkeit unserer Justiz, sondern wegen erwiesenem Schwachsinns. Selbstverständlich würden unsere sich Richter bei der Frage, ob die PCR-Tests Betrug seien, auf die Expertisen fast der gesamten Fachwelt und nicht auf die Behauptungen einiger Außenseiter verlassen. Zudem käme Drosten wohl schon deshalb aus der Haftung, da er stets betont hat, die Entscheidung liege in den Händen der Politiker, er könne nur wissenschaftliche Informationen liefern.

Ob der Anwalt (oder seine überseeischen Kollegen) im wilden Trumpistan mit ihrem Ansinnen reüssieren würden, mag ich angesichts der dort grassierenden Verrücktheit nicht völlig ausschließen. Wozu ich allerdings nichts gefunden habe: Inwieweit ein solches Urteil dann in Deutschland irgendwelche Rechtswirkungen hätte.

Und wenn doch: Wer soll dann einen Schadenersatz in Billionenhöhe löhnen? Das Privatvermögen der Professoren Drosten und Wieler dürfte da nicht ganz reichen – und ob die WHO als internationale Organisation sich hierzulande in die Tasche greifen ließe, scheint mir nicht sicher. Aber vielleicht zahlt es ja Bill Gates – oder doch der deutsche Steuerzahler, obwohl der Staat wegen Corona schon Schulden genug gemacht hat, um die Nöte der Unternehmungen und Beschäftigten zu lindern? 

Ich fürchte, das Konto der Anwälte wird sich dennoch füllen (den Kalauer mit dem Familiennamen lasse ich jetzt). Wenn man sich die YouTube-Videos anschaut, findet man Zugriffszahlen im teilweise sechsstelligen Bereich, höchste Gefallensraten und hymnische Kommentare in der Art von „Ihre Arbeit für die Menschheit ist von unschätzbarem Wert. Tausend Dank für Ihre Arbeit!“ oder „Und danach gleich Wieler, Söder, Spahn, Lauterbach, Merkel, Geisel verklagen und Immunität aberkennen.“ Gut, dass zumindest Wieler gar keine hat, jedenfalls keine juristische… 

Wie schon öfters geäußert, bin ich fest entschlossen, im nächsten Leben Anwalt zu werden und somit den Zynismus als Beruf zu ergreifen: Man kann jeden Quatsch beantragen und wird dennoch dafür honoriert.

Im Ernst: Juristen wie Fuellmich tun lediglich das, wovon jeder Rechtsanwalt lebt: Sie akquirieren Mandate. Hier allerdings, indem sie auf die Wut und Verzweiflung deren setzen, welche die Coronakrise eh schon arg gebeutelt hat und daher einen Schuldigen suchen. Daher sollen sie nun nochmal 928 Euro versenken.

Natürlich werden sie so niemals einen Schadenersatz erhalten – schon deshalb, weil kein Staat für jedes Lebensrisiko haften kann. Einen Effekt kenne ich allerdings persönlich: Auch wenn das juristische Projekt in die wohlverdienten Binsen geht – eines bleibt hängen: Drosten und Co. haben wohl ungesetzlich gehandelt, „da hat es ja schon mal eine Klage gegeben“. Und der Hass auf die „Schuldigen“ wird sich durch das Misslingen noch verstärken.

Daher rate ich jedem, der sich der Klage anschließen will: Kaufen Sie lieber Ihrem (oder Ihrer) Liebsten für knapp tausend Euro etwas Unnötiges – vielleicht je nach Geschlecht Sportfelgen für den Polo oder eine Gucci-Handtasche. Das Zeug können Sie bei Nichtgefallen wenigstens wieder bei Ebay verscherbeln. 

Oder, um es mit dem Satiriker Georg Christoph Lichtenberg zu sagen:

„Um sicher Recht zu tun, braucht man sehr wenig vom Recht zu wissen. Allein um sicher Unrecht zu tun, muss man die Rechte studiert haben.“

Kommentare

  1. Ein Leser hat mir soeben einen sehr interessanten Link auf eine Recherche geschickt, die sich mit der Spendenpraxis Corona-kritischer Organisationen befasst.

    Kurz gesagt: Das Motto ist maximale Intransparenz. Verschachtelte Organisationen mit immer wieder gleichen Hintermännern, keinerlei konkrete Auskünfte über die Verwendung der Spenden. Anfragen dazu werden meist nicht beantwortet.

    https://netzpolitik.org/2020/intransparenz-die-fragwuerdigen-spenden-tricks-der-anti-corona-bewegung/#vorschaltbanner

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