Der Beck als Gärtner


Da ich auf meinem Blog nichts lieber tue als loben, möchte ich heute eine Facebook-Gruppe empfehlen, die inmitten des gemeinen Sprachmülls in diesem sozialen Forum doch sehr heraussticht. Leider wird sie derzeit in der Tangoszene noch kaum beachtet:

Ich meine die Facebook-Gruppe „Tango und Corona“, deren Profilbild ein tanzendes Paar mit Gasmasken ziert. Dennoch verfügt sie momentan nur über 142 Mitglieder.

Der gelernte Journalist und Milongafotograf Joachim Beck hat sie am 10.3.20 gegründet, nachdem seine Versuche, in der FB-Gruppe „Tango München“ ein Haberfeldtreiben gegen nicht von Panik Ergriffene zu schüren, dort nicht so gut ankamen und Kommentare von ihm gelöscht wurden. Selber beschreibt er es so:

„Diese Gruppe wurde gegründet, als gerade klar wurde, dass Covid-19 eine ernste Gefahr ist. Damals wollten die admins von Tango München nicht, dass dort über Corona gesprochen wurde. Die wollten einfach ihre MIlongas und Unterricht weitermachen und sich nicht beunrunruhigen lassen. Als alles zum Erliegen kam, gab es hier auch eigentlich nichts Tangospezifisches mehr zu besprechen. Es ist einsam im Sattel, wenn das Pferd tot ist. Jetzt geht es überall wieder los mit Milongas und Unterricht. Aber das CoronaGeschehen ist insgesamt ziemlich flau.“

„Man hört dauernd Chorprobe, Gottesdienst, türkische Hochzeit - aber vom Tanzen hört man NICHTS.“

Tja, schade…aber das wird schon wieder!

Dabei hatte Beck das Krisen-Szenario ja bereits im März dieses Jahres treffend vorhergesagt:

Der Blick nach Italien zeigt eine dramatische Corona-Lage – 41.000 Infizierte, 3400 Todesopfer. Da geht's bei uns ja noch gut, denkt man beim ersten Blick. Der zweite Blick zeigt, was die Zahl der Infektionen angeht, sieht die Lage in Deutschland inzwischen schlechter aus. Wenn man bedenkt, dass die Seuche in Italien lange vor Deutschland begonnen hat, dann haben wir seit dem vergangenen Mittwoch mehr Erkrankte als Italien. (…)

Wenn wir heute auf die dramatischen Zahlen in Italien starren, dann können wir uns ja schon mal ausmalen, wie dramatisch die Lage bei uns in acht Tagen sein wird. Jedenfalls die Leute, die noch rechnen können. Bei einer Verdopplung der Fallzahlen alle 2,5 Tage sind wir in Deutschland dann bei 55.000, bei einer Verdopplung alle zwei Tage schon bei 100.000 Fällen. Im Klartext: Die Lage ist bei uns viel dramatischer als in Italien. (…)

Das Drama besteht darin, dass unsere Politiker nicht Willens waren oder intellektuell nicht in der Lage sind, aus der Situation im Ausland Lehren zu ziehen. Anstatt mit Unterstützung der völlig überforderten Medien darüber zu rätseln, warum es ausgerechnet in Italien so viele Fälle gibt, hätte man schauen müssen, was haben die vor zehn Tagen gemacht - und was hat es genutzt.“

Als gelernter Journalist weiß Beck natürlich um die Suggestivkraft gelungener Überschriften:

„VIEL WENIGER TOTE DURCH CORONA - ODER DOCH VIEL MEHR?“

Leider hat man den wüsten Rufer nicht erhört. Der von ihm oft genannte Grund: Medien und Politik haben auf der ganzen Linie versagt:

Eine ziemlich schonungslose Darstellung des Europäischen Versagens in der Corona-Krise.“

„Ich kann bei Spahn und seinen Freunden keinerlei Plan erkennen, wie es in Deutschland denn weitergehen soll.“

Schön finde ich auch, dass Beck seine Einschätzungen stets seinem Erkenntnisstand anpasst:

„Das was der NDR da macht, ist genau richtig. Jeden Tag mit dem selben Experten reden und nicht wegen der vermeintlichen Abwechslung jedes Mal einen anderen nehmen. Einmal Drosten, immer Drosten - so gibt es keine Verwirrung. Und natürlich ist er einer der ganz wenigen Experten, die wirklich substanziell was zu sagen haben.“

„die forderungen kekulés waren spahn und merkel zu drastisch, sie haben sich lieber auf christian drosten verlassen, der sich bis zuletzt dafür ausgesprochen hat, erstmal alles gründlich durchzudiskutieren. (…) ich würde mal leise bezweifeln, dass wir da aufs richtige pferd gesetzt haben und kekulé mehr beratungsbefugnis zugestehen.“

„der hat die ganze zeit richtig gelegen, drosten daneben.“

Auch auf die Veröffentlichungen anerkannter Institute sollte man sich teilweise nicht blind verlassen:

„Wenn es dir um Fakten geht, dann lies die Kriterien für die Risikobewertung von (Groß)veranstaltungen des RKI.“

„Scheiß auf die RKI-Empfehlungen - Masken schützen Dich!!“

„Leider ist das nicht die Lösung - diese Masken helfen gegen Smog aber nicht gegen eine Tröpfcheninfektiion. Das Virus kann außerdem auch über die Augen aufgeschnappt werden.“

Und wenn man ohne Maske auszukommen hat:

„Wer niesen muss, niest auf den Boden!“

Geschickt verwendet der Autor einfache Vergleiche, um die Corona-Risiken zu veranschaulichen. Zum schönen Corona-Beispiel von den 100 Smarties, von denen 97 harmlos und 3 vergiftet sind, schreibt er:

Und von den 97 nicht-tödlichen verursachen 40 Ödeme und Embolien, machen 30 dauerhafte Lungenschäden, 15 knabbern das Hirn an, 20 sorgen für vielleicht dauerhafte Herzentzündungen. Jeweils 10 sind für schwere Leber- und NierenSchäden verantwortlich, bis hin zur lebenslangen DialysePflicht.“

Historische Hintergründe tragen viel zur Erhellung der jetzigen Lage bei:

„die inzwischen klinisch bestätigten influenza-fälle 2017/2018 sind über 330.000. der impfstoff hat nicht gewirkt.“

Vor allem aber hat sich Joachim Beck der Lebenshilfe verschrieben. Wer des Englischen mächtig ist, kann sich aus einer Pyjamahose gleich zwei Masken basteln:

„You cut off 15 cm of a pyjama-leg. you insert two stripes of rubberband. use the one suitable for underwear, it can stand the heat you need for desinfection. You knot the robberband - and you are done. in case you have a sewing machine you can clos one side, so you have someting like an envelope where you can insert additional filtering material. for desinfection put the mask in an oven with 100 degrees for ten minutes.”

Auch Mundhygiene berechtigt zu den schönsten Hoffnungen:

„Hilft einfaches Mundwasser gegen Corona? Wenn sich erste Versuche deutscher Forscher bestätigen, dann könnte das zumindest eine kurzfristige Hilfe sein. (…) Wir denken dabei natürlich sofort an den Close Embrace. Vor der Tanda gründlich gurgeln und die Gefahr ist gebannt. Das ist natürlich noch Zukunftsmusik.“

Der sensationelle Bericht eines von Beck zitierten Tangopaars bildet den entscheidenden Durchbruch in der Corona-Diagnostik:

„Es ist das erste Mal, dass ich konkret etwas zu den Symptomen und deren Qualität gehört habe. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann geht es bei allen Infizierten mit Halskratzen los. Wenn dieses Halskratzen ganz anders ist, als das Halskratzen, das jeder von uns schon mal hatte, dann ist das eine Information, die ich gerne von offizieller Seite gehört hätte - und zwar schon vor längerer Zeit.“

„Sie sagen, dass das Halskratzen ganz deutlich über dem war, was sie bisher so als Halskratezn kannten. Ach so, sorry, das kam erst in unserer anschließenden Unterhaltung. Die Naseverstopfung und das Halskratzen, war schon extrem.“

Der Autor verbindet diese Informationen gekonnt mit persönlichen Erfahrungen:

„Eine Erkältung, so schwer, dass ich die vollen Windeln meiner Kinder nicht mehr gerochen hätte, hatte ich noch nie. Dieses Virus hätte ich wahrscheinlich gekauft ;-) Ich hatte heute zartes Tafelspitz mit einer delikaten Gemüse-Kren-Sauce und Bamberger Krumbeeren. Aromen, die schmecken zu können, Covid-19 nahezu ausschließt.“

Becks populäre Darstellungen schließen nicht aus, dass es intellektuell anspruchsvoll werden kann:

„Das hier ist der idealfall der auseinandersetzung von zwei unterschiedlichen überzeugungen. die leute, die etwas anderes glauben als du und ich, die wollen, dass die datenbasis unabhängig seriös überprüft wird. wenn du auch willst, dass die datenbasis unabhängig und seriös geprüft wird, dann unterschreibe. wenn du nicht willst, dass die datenbasis unabhängig und seriös überprüft wird --- dann weiß ich nicht, was du eigentlich willst.“

Eine Warnung muss ich allerdings aussprechen – Beck ist von der Richtigkeit seiner Aussagen zutiefst überzeugt:

„tut mir leid, (…), ich kann für die dummheit der anderen nichts.“

Wer ihm widerspricht, hat es daher einfach nicht gecheckt:

„Ich glaube du willst die Frage nicht verstehen (…). Deshalb hat es wohl auch keinen Sinn, wenn ich sie noch einfacher formuliere.“
„Immer noch nicht verstanden, (…).“
„Da hast Du mich ganz gründlich missverstanden, mein Lieber“
„Und wieder hast du etwas Wichtiges nicht erkannt, wahrscheinlich zu wenig nachgedacht vor dem Schreiben“
„Und wieder hast du etwas Wichtiges nicht verstanden“
„wo siehst du denn in deinem satz ein argument?“
„bisher bist du der einzige, der ne gruppenbeschreibung braucht, um das zu posten, für was die gruppe gedacht ist“

Aus eigener Erfahrung rate ich, an solchen Stellen mit der Gegenrede aufzuhören. Sonst fliegen noch weitaus gröbere Brocken.

Insgesamt kann ich dieses Seminar, also den Beckschen Corona-Pflanzgarten, nur dringend weiterempfehlen, insbesondere für Tango-Naturen mit gesteigertem Aggressionspotenzial. Auf dem Rest von Facebook würde es dadurch etwas friedlicher.

P.S. Die Zitate sind nicht aus dem Zusammenhang gerissen, da keiner festzustellen war. Sie stammen aus dieser Quelle:
Da es sich bei Joachim Beck um einen gelernten Journalisten handelt, habe ich sprachliche Korrekturen nicht gewagt. Insofern entschuldige ich mich für die etwas mühsame Lesbarkeit.


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