Ganz leis verklingt Musik

  

Manchmal muss man im Tango schon ganz genau hinschauen, um es zu realisieren: Die Facebook-Gruppe „Tango München“, schon bisher eine fast reine Werbeseite, wird nun von einer einzelnen Tangoschule verwaltet: Unter dem Titelbild prangt seit einiger Zeit die Inschrift: „Gruppe von TANGO maldito München“. Diese Firma tritt auch als einer der Administratoren auf.

Nochmal zum Mitschreiben: Was dort und auf der Website www.tangomuenchen.de erscheint oder gelöscht wird, können fortan zwei Männer bestimmen: Jürgen Krebes und Jörg Velletti. Und dies sind die im südbayerischen Raum mit Abstand meistgelesenen Informationsseiten zum Tango argentino!

Irgendwelche inhaltlichen Diskussionen zu unserem Tanz dürften somit zukünftig noch seltener in diesen Foren stattfinden – wenn überhaupt. Das macht natürlich den „Störsender Pörnbach“ wichtiger. Und versprochen: Ich werde weiterhin über das berichten, was auf den „offiziellen“ Seiten verschwiegen wird.

Was mir derzeit bei den Werbeanzeigen auf dieser FB-Seite auffällt: Waren vor Corona die Auskünfte zur gebotenen Musik schon recht dürftig, fehlen sie nun fast ganz. Und das, obwohl doch auch konservative Vertreter unseres Fachs nicht müde werden zu betonen, welch herausragende Rolle die zum Tanzen geeignete Beschallung spielt…

Ich habe mich einmal chronologisch durch die Annoncen auf „Tango München“ gearbeitet:

Ganz oben wirbt derzeit Fabian Lugo für seine FreitagsMILONGA im BAYA mit junger, argentinischer Power an der Konsole - djing especially for you DJ Federico Suarez“. Klingt zwar nach „jungem Wildem“ – was er aber genau auflegt, bleibt ungesagt. Zwar wird Kulinarisches gepriesen („mit traumhaftem Biergarten zum Chillen, köstlichen Getränken und bestem kreativ Sushi) – aber da das Ganze als „Milonga traditionell“ avisiert wird, ahnen wir düster: Der Fisch ist wahrscheinlich frischer als die Musik! 

Als nächstes postet Christian Seyb vom „El Duende“ zum nicht nur gefühlt tausendsten Mal seinen Raumbelegungsplan, weshalb er von Facebook schon lange als „Visual Storyteller“ bezeichnet wird. Erst nach Klick auf einen Link erfährt man: klassische Tangos in Tandas mit Cortinas“. Ich darf als Insider hinzufügen: knochentrocken traditionell. Immerhin wird zwischendurch gelüftet.

Auch was zur Practica von Ruth Golic gespielt wird, verrät sie nicht. Ich ahne es aber…

Der Firmen- und Seiteninhaber Jürgen Krebes lädt zur Freitagsmilonga ein, wo „DJ Baki Vertiola“ auflege. Was, wird nicht verraten – wer die Szene kennt, hat jedoch konkrete Befürchtungen. Dafür erfahren wir, dass man ein „QR Code System für den Walk In“ besitze. Dazu erblicken wir ein Foto, mit dem man auch Homöopathie bewerben könnte.

Welche Musik es bei der „Petit Divina Milonga“ gibt, bleibt gleichermaßen im Ungewissen – es legt ein gewisser „Hauke“ auf. Da es laut Foto dem Tänzer schon die Schuhe ausgezogen hat, ahnen wir, in welche Richtung es gehen dürfte. 

Unterricht und nachfolgende Practica bietet auch Sonja Armisen an. Konkret wird sie immerhin bei den Lerninhalten: „Grundtechniken des Tangos wie zB. Haltung, Gleichgewicht, Achse, Pivots, Ganchos, Voleos, Ochos, Moulinette, Musikalität, Verzierungen ecc.Da diese Grundtechniken für Anfänger und Fortgeschrittene wichtig sind, ist der Kurs für alle Niveaus geeignet. Um es im Speisekarten-Italienisch zu sagen: „Pizza mit alles“. Zur Musik erfahren wir dagegen nichts – dem Kenner bleibt die Hoffnung, es könnte sich um eher Modernes handeln. 

Ebenfalls unklar bleibt, was bei der „Neueröffnung La Cuevita de Lo de Laura“ gespielt wird – nur, dass es Ulrich auflegt. Der Insider ahnt aber, was in der „Höhle“ erklingen dürfte… 

Dann wieder Jürgen Krebes mit seiner „Milonguita im La Lunita TANGOloft“. Zum Thema Musik fällt diesmal überhaupt kein Wort. Dafür ist das Foto diesmal von der richtigen Seite aufgenommen.

Susanne Mühlhaus bietet einen „Tango Sur Open Air“ mit „Männerüberschuss“ an einem Kiosk an. In einem „alternativen Biergarten“ (?) gibt es traditionelle Musik. Wer auflegt, bleibt unbekannt. 

Die nachweislich nicht bayerisch sprechende Ani Andreani habe ich schon einmal besprochen:

https://milongafuehrer.blogspot.com/2020/09/ozopft-is.html

Sie gibt ihre Bemühungen aber nicht auf und formuliert die Einladung zum „Tango bavario“ wie folgt:

„Tango und Schuablodla, ja wia posst jetz des zam? Des zeing ma eich im Tango Workshop S-päschl ‚Tango Bavario‘ mit dem Moasta von de Moasta Roberto Herrera Tango.

Dos ma an Tango ned nua auf Tango donzn ko, des wiss ma ja scho. Aber aff an Bayrischen Defiliermarsch? Mei des wird a Gaudi!

Donoch hom ma a wiada de Milonga genial, da kennt's dann glei des nei glernte owendn! Eh kloa, doss ma a Wiesn-S-päschl mocha dan!

Bittsche omeuidn, wenns gangat scho glei zu zwoat. Wea koan Partna ned hod, dea schreibt ma, dann dea i schaugn ob i oan find!

Ia kennts ma a a Messetsch schicka oder aufd Hompäitsch gehn.

Und schaugts bittsche a as Hygienekonzept o:

https://www.tangogenial.de/wissenswertes/hygienekonzepte/

Mia gfrein uns scho recht sackrisch aff eich!“ 

Man muss ihr lassen: Im Gegensatz zu ihren Kollegen scheint sie zu ahnen, dass sie Blödsinn schreibt, und formuliert das Ganze recht lustig. Als Musikbeispiele nennt sie wenigstens Schuhplattler und Bayerischen Defiliermarsch. Ob das Hygienekonzept auch Ohrstöpsel umfasst?

Erwähnenswert ist auch eine Practica-Einladung von „Tango Flow“, in der es unter anderem heißt:

„So langsam ist der Sonntag vorbei. Mal überlegen, was wir für unseren Tango tun können. Ab morgen: (…) Hier kann man neue Schritte ausprobieren. Oder die alten. So oder so kannst du zählen, dass es jemanden gibt, der bei deinen Fragen hilft.“

Immerhin fragt da ein Kommentator: „Könnt ihr eigentlich korrektes Deutsch?“

Na ja, korrekt… Ich hätte eher darauf hingewiesen, dass man mit Sprache auch einen Sinn ausdrücken könnte. 

Das gilt für die Mehrzahl dieser Anzeigen. Ich würde empfehlen, sich mit einem solchen zusammengeschusterten Klumpatsch einmal bei einer PR-Agentur zu bewerben und über das Ergebnis nachzudenken!  

Abschließend darf ich noch etwas ernster werden: 

Nun mussten wir uns jahrelang darüber belehren lassen, welche hohe Kunst die Auswahl, Zusammenstellung und Wiedergabe „tanzbarer“ Aufnahmen aus alten Zeiten darstellt – nur von jahrelang ausgebildeten DJs zu bewältigen. Kein Thema fürs gemeine Volk. Soweit die Theorie. In der Praxis verliert man kaum ein Wort darüber, wer was auflegt – oft nicht mal die grobe Richtung. Offenbar ist man gerade in der momentanen Krise der Ansicht: Die Leute sind so geil aufs Tanzen, die kommen eh. Wurst, was wir spielen. Und dann wagt man es noch, vom „Tango-Weltkulturerbe“ zu faseln, das man angeblich retten möchte… 

Wahrlich, es gibt kaum etwas, das derzeit im Tango so egal zu sein scheint wie die Aufnahmen, welche man Tanzenden anbietet. Ist ja eh immer dasselbe EdO-Geschrammel – muss man wahrscheinlich gar nicht mehr extra betonen.

„Ganz leis verklingt Musik“ – eigentlich haben das Komponisten, Texter, Instrumentalisten und Sänger nicht verdient, ob in der EdO oder später. Die Kenner haben die Anspielung wohl längst verstanden: 1943 kam der Evergreen „Ganz leis erklingt Musik“ von Kurt Dörflinger heraus, und was Erik Wallnau und Kurt Feltz dazu texteten, könnte fast aus einem Tango sein. Ist aber ein wunderschöner Slowfox aus einer trüben Zeit, in denen die Menschen sehr wohl auf die Musik achteten – einer der wenigen Lichtblicke, die sie hatten. Hier singt den Titel die erste Gewinnerin des European Song Contest, die Schweizerin Lys Assia:


Kommentare

  1. Meinen Namen hast du falsch geschrieben ;-)

    Und jetzt muss ich mal meine bayrische Ehre verteidigen: ich bin ein Ur-Münchner Kindl, seid Generationen wurden meine Vorfahren in München geboren, das kann ich urkundlich belegen. Das das Münchnerische Bayrisch vom Obland-Bayrisch abweicht, wiss ma schon länger... und dass des mit dem Ausschreiben von Dialekten hin und wieder ned ganz a so passt, wie du des vielleicht machen dadst, bitte ich höflichst zu verzeihen... ;-)

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    1. Da gibt es nichts zu verzeihen - man lädt ja keine Schuld auf sich, wenn man Texte verfasst, die ich äußerst komisch finde - so wie hier eine Art "Filser-Bayrisch". Dann landet man halt auf meinem Blog.

      Dass deine Vorfahren aus München stammen, habe ich - auch auf Grund deines Namens - wirlich nicht ahnen können. Und was "Obland-Bayrisch" sein soll, weiß ich nicht.

      Was ich halt nicht verstehe: Ihr nehmt ja für euch in Anspruch, professionell zu arbeiten. Dann wäre es hilfreich, die Werbetexte von einem Profi verfassen bzw. bearbeiten zu lassen. Sonst wirkt das wenig überzeugend.

      P.S. Den Fehler mit deinem Namen habe ich natürlich korrigiert.

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