Was Ihnen Ihr Tangolehrer nicht erzählt... 2



Im ersten Artikel dieser neuen Serie habe ich die Hoffnung auf Gastbeiträge geäußert. Ich freue mich sehr, dass dies bei meinem Tangofreund Peter Ripota bereits ein Echo hervorgerufen hat! Es dürfte wenige geben, die länger Tango tanzen als er, und zwar zu (fast) jeder Musik und in allen Lebenslagen.

Begleitend schrieb er mir dazu:
„Lieber Gerhard, als Anlage mein erster Beitrag zu dem Thema, über meine Lieblingsbeschäftigung (nicht nur im Tango): das Nichtstun. Auch das kann kreativ sein!“

Ich habe keinen Grund, an dieser Aussage zu zweifeln: Peter ist einer der kreativsten Menschen, die ich kenne. Hier habe ich ihn auf meinem Blog schon vorgestellt:

Genug der Vorrede – ich gebe das Wort nun weiter an…


Peter Ripota: Die wichtigste Figur im Tango


Die wichtigste und schönste Figur im Tango ist die Pause. Insoweit ist dieser Tanz einzigartig, denn eine willkürliche Pause gibt es in keinem anderen Tanz. Anfängerinnen, welchen diese Figur nicht beigebracht wurde, sind oft verunsichert, wenn ich stehen bleibe. „Was muss ich denn jetzt tun?", fragen sie dann. Meine Antwort: „Das Gleiche wie ich, also nichts."

Aber „Pause" heißt nicht, auf die Uhr zu schauen und sich zu fragen: Wann geht es endlich weiter? Die Figur der Pause besteht im Aufbau einer ungeheuren Spannung, die durch ganz langsame Bewegungen (beispielsweise nach unten) noch verstärkt werden kann, bis dann diese angesammelte Energie explodiert und das Paar sprunghaft den Platz verlässt und sich wieder der ungehemmten Dynamik des Tango hingibt.

Nicole Nau hat die Bedeutung der Pausen im Tango sehr schön geschildert:

„Der Tango ist wohl der einzige Tanz, in dem die Nicht-Bewegung Teil des Tanzes ist. Der Moment, an dem das Paar scheinbar stillsteht. In den Worten des Milonguero Gerardo Portalea: ‚Man muss die Stille tanzen. Und die Violinen. Auch, wenn es sie nicht gibt.‘ Die Entdeckung der Pause ist ein wichtiger Aspekt der Dynamik!

Bis ich die Pause im Tango entdeckte, war Tanz für mich immer Bewegung. Ich bewegte mich rhythmisch, schwungvoll, zum Takt, schnell oder langsam. Doch immer war ich in Bewegung. Jeden Stopp im Tango empfand ich anfangs als ein Nicht-Tanzen. Jede Figur erriet ich mit Leichtigkeit und war schon weg, bevor mein Partner mich durch seine Führung ausdrücklich darum bitten konnte. Ich war leichtfüßig und geschmeidig, anmutig und kreativ, wenn es darum ging, Bewegung zu entdecken.

Dann eines Tages stand das Paar plötzlich still. Ricardo und ich, mitten in einer Bewegung. Es war eine andere Stille als bisher. Kein Stoppen, sondern ein in sich schwingendes inneres Bewegen. Ein Verhalten in Erwartung.

Ist ein Paar in Bewegung, so liegt die hauptsächliche Aufmerksamkeit im Beinbereich. Dies wird besonders auffällig bei hohem Tempo der Bewegungsabläufe. In der Stille jedoch sind die Beine plötzlich stumm. Dies hat zur Folge, dass alle Aufmerksamkeit in die Oberkörper wandert und damit die Bedeutung der engen Umarmung wächst. Dies ist ein Moment höchster Spannung. Auch, weil jetzt nichts mehr ablenken kann, von dem was wirklich ist. Die Pause ist ‚die Sekunde der Wahrheit‘. Während man in der Bewegung so alles Mögliche ‚weghampeln‘ kann, muss man beim Tanzen der Pausen wirklich alles Mögliche ‚aushalten‘ können.

Nicht jeder Tangotänzer tanzt die Pause. Pausen zu tanzen ist nicht nur eine Frage des Könnens, sondern auch eine Frage des Stils und sicherlich auch eine Temperamentsache. Pausen tanzen ist ein Hochtreiben der Spannung. Ein Deckel, der verhindert, dass der Dampf dem kochenden Topf entweichen kann. Ein Zurückhalten und Verweigern der Entladung.“

(Quelle: Nicole Nau-Klapwijk: „Tango Dimensionen“; Kastell Verlag München, 1999)

Und auch Chico Frúmboli, ein Erneuerer des Tangotanzes, sagt in einem Interview: Wir tanzten die Stille - drei Minuten lang. Da entstand etwas."

Als Warnung an alle Tangotänzer unterschiedlichen Geschlechts: Auch das Nichtstun hat Folgen!


Dieser Text war ein Ausschnitt aus dem Buch „Tangosehnsucht" von Peter Ripota:

Kommentare

  1. Ricardo war mein erster Tango-Sensei. Ja, paßt.

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  2. Na ja, bei mir trat Herr Klapwijk mehr als „Tango-Sense“ auf…

    Er bestellte 2010 die erste Ausgabe meines „Milonga-Führers“. Bald darauf schickte er mir das Buch mit den Worten zurück:

    „Nach dem Bestellung habe ich mir mit Lesefreude an ihr buch gewagt. Nach einiger Seite lesen bekam ich schon ein unheimisches Gefühl, was sich bis Seite 170 nicht losgelassen hat, im Gegenteil.
    Da Sie gerne Kommentare empfangen schreibe ich Ihnen gerne meine Meinung zu Ihrem Buch: Ich kann nicht anders sagen als das Ihre Kenntnisse über die Geschichte des Tangos, Spanisch, Tanztechnik, die Pädagogik, das einfühlen in den anderen Menschen, das Verhalten im Ritual Tangotanzen, die Musik usw.usw. nicht ausreichen um ein Buch in dieser Form zu schreiben.
    Sie außern sich in ein Stil welche mir persönlich gar nicht gefallt: ihre Benennungen, Bewertungen und Abwerten vieler Menschen tut nicht gut, zu schweigen von ihre Aussagen wo Sie keinerlei Respekt zeigen für das was für Sie ein unverständliches Verhalten ist anderen Tänzer.
    Opportunismus ist vielleicht heutzutage gern gehört, bin aber der Meinung das dies im Tango kein Platz haben soll.
    Tango ist Synonym für Freiheit, wussten Sie das?
    Gerne verschone ich mein Haus von Ihrem Buch und schicke es also zurück…“

    Na, immerhin hat er es bezahlt!

    Ich habe mich damals allerdings gefragt: Wenn er in seinem persönlichen Tangobiotop auch so herumgeholzt hat – warum wundert mich dann das Ergebnis nicht?

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