Karen Kaye: Acht Wege, zum Tanzen aufgefordert zu werden


Natürlich wieder über einen Hinweis von Thomas Kröter stieß ich auf ein hochinteressantes Blog:

Epiphany: life, career, spirituality (https://karenkaye.net/).

Die Autorin Karen Kaye ist offenbar vor einiger Zeit zum Tango gestoßen und hat dazu – neben anderen Themen – eine Reihe bemerkenswerter Artikel verfasst.

Selbst beschreibt sie sich so:

„Tagsüber bin ich eine E-learning-Designerin, nachts eine Tänzerin, empathisch verliebt in Tango, Bachata, Lindyhop und Fusion. Am Wochenende spiele ich entweder Golf oder hänge kopfunter beim Akroyoga. Bloggen ist meine Befreiung. Nach viel Zeit der Selbsteinsicht, die es in einem Lounge-Sessel am Pool verbrachte, bekam dieses kalifornische Mädchen gleichzeitig Sonnenbräune und einige gute Einsichten. Mein Blog ist eine lebende Entwicklung meiner Jagd nach Weisheit – eine Erleuchtung nach der anderen.“

Mit freundlicher Erlaubnis der Autorin hier meine deutsche Übersetzung ihres Textes:

Acht Wege, zum Tanzen aufgefordert zu werden

„Ich werde nicht um einen Tanz gebeten“, sagte sie. Und ich konnte sehen, warum. Sie war eine gewandte Folgende und eine schöne Frau mit der wärmsten Seele. Aber keiner bemerkte es, weil sie verborgen in der Ecke des Raums saß und fürstlich verärgert guckte.
   
Manchmal bin ich nicht in der Stimmung für eine Menge sozialer Tänze. Aber wenn… sind hier einige Dinge, die ich tun werde (und, Jungs, das betrifft auch euch!):

1.    Steh auf.
Wenn du WIRKLICH tanzen willst, setz dich nicht. Das erzeugt den Eindruck, dass du eine Pause machst, um dich auszuruhen. Steh auf und stell dich an eine Ecke des Parketts.

2.    Beginne dich zu bewegen.
Ob du nun an der Tanzfläche stehst oder sitzt – wenn du deinen Körper und deine Füße zur Musik bewegst, zeigst du, dass du das Musikstück fühlst und dazu tanzen willst. Der schnellste Weg für mich, aufgefordert zu werden, ist, zur Ecke des Parketts zu gehen und von selber zu tanzen oder eine Bewegung zu üben.

3.    Sei weniger sozial.
Dies ist nicht die Zeit für eine tiefschürfende Unterhaltung mit einer Freundin. Wenn ich mit jemandem plaudere, lasse ich meinen Blick auf dem Parkett und vermittle aktiv, dass mein Interesse nicht dem Gespräch gilt, sondern der Möglichkeit zu tanzen. Ich zeige das, indem ich vorbeigehende Leute anlächle und mich dafür interessiere, was auf der Tanzfläche passiert.

4.    Sei sozialer.
Finde jemanden, mit dem du tanzen willst, und beginne ein Gespräch mit ihm. Erkläre, wie sehr du die Band oder den DJ an diesem Abend magst. Frage ihn, ob ihm der Wein schmeckt, den er trinkt. Oder geh einfach hin und sage „Ich glaube, wir kennen uns noch nicht, ich bin Karen“. Eine neue Bekanntschaft zu machen wird fast immer dazu führen, dass sie dich auffordern – gleich oder später.

5.    Überprüfe deine Einstellung.
Du musst aufgeschlossen wirken, also lass die verschränkten Arme fallen. Selbstbewusstsein ist eine tolle Sache, aber stolziere nicht herum mit der Attitüde, du seiest zu gut, um mit irgendwem dort zu tanzen. Manche Leute wirken, als ob sie andauernd beurteilen, was auf der Tanzfläche geschieht. Sei keine solche Person. Es deutet an, dass du dasselbe machen wirst, wenn du mit jemandem tanzt. Und schließlich, sei wohlwollend, egal, wer dich auffordert. Die Männer werden deine Reaktion beobachten, wenn du um einen Tanz gebeten wirst – und deine Einstellung, wenn du mit anderen Führenden tanzt. Bleibe gütig!

6.    Fahre dein Ego herunter.
Du hast nicht das Recht, aufgefordert zu werden, nur, weil du dich zeigst. Deine zehntausend Stunden Unterricht und Üben garantieren dir gar nichts. Falls du tanzen willst, musst DU manchmal fragen. Wenn ich niemals Männer um einen Tanz gebeten hätte, würde ich auch jede Nacht herumsitzen. Verschönere dem Jungen den Abend und geh zu ihm hin. Männer mögen das weit mehr, als wir Damen es merken.

7.    Mach es leicht.
Spiele nicht die schwer zu Erobernde. Mache es nicht schwierig oder seltsam für einen Jungen, dich zu fragen. Stelle sicher, dass du viele Momente hast, wo du allein bist, so dass er nicht unpassend ein Gespräch unterbrechen muss. Lächle sie an. Schaffe Augenkontakt. Selbst wenn du das vortäuschen musst: Mache den Eindruck, dass du den Abend genießt. Kein Kerl will sich auf die Herausforderung einlassen, ein Erscheinungsbild von „stocksaurer Bankdrückerin“ zu glücklicher Tänzerin" hochzukurbeln.

8.    Sei die Erste, die Hallo sagt.
Wenn du einen Raum betrittst oder an Leuten vorbeigehst, ergreife die Initiative, als Erste Hallo zu sagen. Leute zu grüßen zeigt ihnen, dass du freundlich und aufgeschlossen bist. Beim Eintreffen tue ich mein Bestes, umherzugehen und jeden zu begrüßen, den ich kenne. Dabei sage ich oft: „Reserviere mir später einen Tanz“ – was im Wesentlichen gleich meine Tanzkarte füllt.

Schließlich fühle ich mich an manchem Abend eher bescheiden und schüchtern, besonders, wenn mir das Leistungsniveau im Tanzsaal Angst macht. In dem Fall frage ich Freunde, den DJ, den Gastgeber oder Veranstalter, wen sie mir zum Tanzen empfehlen könnten. Die meisten sind mehr als glücklich, mich vorzustellen oder auf einen warmherzigen, freundlichen Führenden hinzuweisen, der mich in Schwung bringt.

Zum guten Schluss: Aufgefordert zu werden funktioniert einfach über das Verbreiten guter Stimmung. Ändere sie, und es wird deinen Abend verändern. Garantiert.

Wer den Originaltext nachlesen möchte: https://karenkaye.net/2016/08/16/get-asked/

Nun stammt dieser Artikel natürlich aus einem anderen Land mit unterschiedlichen Sozialstrukturen. Manches wirkt auf den ersten Blick vielleicht etwas fremdartig. (Beispielsweise stelle ich mir gerade die Gesichter auf einer heimischen, traditionellen Milonga vor, wenn eine Tanguera – nach Punkt 2 – am Rande der Tanzfläche Soloaktionen startet. Nein, Korrektur: Ich stelle sie mir lieber nicht vor…)

Aber gerade das finde ich erfrischend: Die Autorin tummelt sich auch bei anderen Tänzen sowie bewegungsmäßigen Aktivitäten und ist so herrlich unverdorben von all dem „Código-Gesäusel“ der Nur-Tango-Tänzer. Ihre Tipps sind grundvernünftig und herzerwärmend simpel: Ein bisschen Freundlichkeit, Zuwendung plus gutes Benehmen – und fertig!

Als Kontrast fällt mir gerade eine aktuelle Diskussion auf der von Dissidenten gereinigten Facebookseite „Tango München“ ein (https://www.facebook.com/groups/tangomuenchen/permalink/10153840386786186/): Offenbar waren irgendwelche Tangokampel aneinandergeraten, weil einer des anderen Spur geschnitten oder ihn gar gerempelt hatte. Maulschellen wurden angedroht. Die Kommentare sind weitgehend szenetypisch:

Ich sehe es unbedingt auch als Aufgabe des Veranstalters, spezielle Gäste für einen respektvollen Umgang miteinander zu sensibilisieren.
„Es sind Drei, die Verantwortung für diesen beklagenswerten Zustand teilen: die Tänzer, die Veranstalter und die Tanzschulen. Ergebnis: Rücksicht- und Gedankenlosigkeit gepaart mit Unkenntnis. Unschöne Zusammenstöße und Verletzungen.“
„Oft sind es leider ausgerechnet die Tangolehrer, die sich da recht wirr in alle Richtungen mit Ausnahme der Tanzrichtung bewegen. Manche Tangoschulen bedienen auch die Kundenwünsche hinsichtlich spektakulärer Figuren, die dann oft viel Platz nach hinten, mehrere Spuren und viel Zeit am Platz verbrauchen.

Na klar, schuld sind immer die anderen…

Was rät uns stattdessen dieses kalifornische Girl? Auf sich selber zu schauen, seine eigene Ausstrahlung zu verbessern, auf die Menschen freundlich zuzugehen, sich wohlwollend und gütig zu geben – und, halten zu Gnaden – auch mal selber einen Kerl aufzufordern: Make a guy’s night and approach him.…“

Und das Allerschönste: Über den Cabeceo verliert sie kein Wort!

God bless you, Karen!

Kommentare

  1. In der Tat, ein sehr schöner Text. Pragmatisch und vernünftig, kalifornisch entspannt, sozusagen.

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  2. Eine Parallele zur Salsa: Wer von solchen anderen Tänzen kommt, ist oft noch unverdorben und locker.

    Wollen wir der Autorin wünschen, dass sie diese Einstellung im Lande von "Tango Voice" behält!

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    1. Zum Thema Salsa: Ich habe Salsa getanzt, bevor ich mit dem Tango anfing.
      Im Vergleich zu vielen Leuten die ich da getroffen habe, waren meine Erfahrungen in der damaligen jungen Münchner Szene eine wahre Wohltat.
      Keine affektierten Andenschnösel, keine Leute denen es permanent in die Nasenlöcher regnet, keine Damen die stundenlang leidend nur auf den Einen Salsa-Gott warten und alle anderen Tänzer auf beleidigende Weise abblitzen lassen (wie kann DER es wagen mich aufzufordern).

      Zu fast hundert Prozent nette, nicht aufgeblasene Leute, mit denen zusammen zu sein wirklich ein Vergnügen war.

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    2. Habe gerade die Facebook Seite Tango München gelesen, und kann beim besten Willen nicht finden, was an den Aussagen dort verkehrt sein soll (außer die Schnelligkeitszuordnungen für die einzelnen Bahnen: -).
      Natürlich wäre es schön wenn alle Leute sich von vornherein höflich und respektvoll begegnen und die geschilderten Ausfälle nicht vorkommen würden.

      Aber Du wärst auch nicht begeistert, wenn sich Gäste Deiner Wohnzimmer Milonga wie Rotz am Ärmel benehmen würden, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Du das dann einfach so laufen lassen würdest, weils ja so schön wild und frei ist.

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    3. Lieber Wolfgang,

      zur Salsaszene habe ich keine persönlichen Erfahrungen. Nach allem, was ich im Internet lese, fehlen dort die verbissenen Streitereien fast völlig. Ich habe das einmal in einem Text besprochen:
      http://milongafuehrer.blogspot.de/2016/08/salsa-tango-ohne-krampf.html

      Es würde mich interessieren, aus welcher Zeit Deine guten Erfahrungen mit der Münchner Tangoszene stammen – und ob man damals auch schon so ein Getue um Aufforderungs- und Navigationsregeln gemacht hat. Wenn nicht, wäre es aufschlussreich, ob Du es damals vermisst hast bzw. mehr Rempeleien und sonstiger Stress vorkamen als heute.

      Und keine Sorge um unsere Wohnzimmer-Milonga! In 39 Veranstaltungen hatten wir bislang keinerlei Probleme mit Leuten, die wirklich gefährliche Situationen heraufbeschworen hätten. Vielleicht liegt es daran, dass wir für unsere anspruchsvolle Musik bekannt und daher genug Gäste anwesend sind, die improvisieren und ausweichen können.

      Du bist herzlich eingeladen, Dich einmal davon zu überzeugen!

      Beste Grüße
      Gerhard

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  3. Über den Cabecao verliert sie kein Wort?
    "lasse ich meinen Blick auf dem Parkett und vermittle aktiv, dass mein Interesse nicht dem Gespräch gilt, sondern der Möglichkeit zu tanzen. Ich zeige das, indem ich vorbeigehende Leute anlächle und mich dafür interessiere, was auf der Tanzfläche passiert.
    Was anders ist Mirada und Cabeceo denn?

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    1. Also halten zu Gnaden, nicht jeder freundliche Blick auf einen anderen ist gleich eine Mirada und jedes Nicken zur Begrüßung ein Cabeceo!

      Diese Verhaltensweisen gab es schon lange, bevor Tango getanzt wurde.

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  4. Ich komme aus der Salsa Szene. Die letzten Jahre war ich mehr auf asiatischen Salsa Events. Und dort geht es meistens sehr locker zu. Die Asiaten lächeln eh mehr als wir Deutschen und Körbe gibts eigentlich keine. Jedes Mädel ist happy wenn sie aufgefordert wird. Das gute ist auch, es gibt keinerlei Altersbarrieren für Tanzpaare. Alles was zählt ist die Lust aufs Tanzen und auf die Musik.

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    1. Vielen Dank!

      Ich bin kein Salsa-Kenner, habe jedoch meine ähnlichen Eindrücke schon einmal in einem Blogbeitrag beschrieben:
      https://milongafuehrer.blogspot.de/2016/08/salsa-tango-ohne-krampf.html

      "Alles was zählt, ist die Lust aufs Tanzen und auf die Musik." Für die Tangoszene sind das paradiesische Vorstellungen!

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