Liebes Tagebuch… 25



Wie immer begann es auf der Facebook-Seite der Münchner Star-DJane Theresa Faus harmlos. A bissele PR muss schon sein dürfen:

„Nachdem in letzter Zeit in gewissen Kreisen ein Mangel an traditionellen Milongas in München beklagt wurde, freue ich mich, das Bailongo im Giesinger Bahnhof für nächsten Dienstag anzukündigen. Ich darf daran erinnern, dass dies bei seiner Gründung 2005 die erste 100% traditionelle Milonga in München war, damals mit dem Namen ‚Tango-Salon für Freunde traditioneller Musik‘.
Genug Traditions-Lobhudelei - heute ist das Bailongo immer noch etwas Besonderes in der Tradi-Szene, mit Stühlen rund um die Tanzfläche, cabeceo-freundlichem Lichtmanagement und der besonderen traditionellen Musik, aufgelegt von Theresa und Rupert.“

Nun kann ich dazu wenig sagen – schon, da ich mich „in gewissen Kreisen“ nicht bewege – eigentlich in gar keinem Kreis, nicht mal auf dem Parkett. Das Studium des Münchner Tangokalenders nährt diesen Verdacht eher nicht, da wimmelt es von Schlachthof über Sonnenstraße und „El Duende“ bis hin zur Seidlvilla doch von einschlägigen Angeboten. Aber vielleicht spielt man dort gelegentlich heimlich Piazzolla? Keine Ahnung!

Aber, wie Theresa so richtig sagt: „genug Traditions-Lobhudelei“!

Mein Berliner Tangokollege Thomas Kröter  liebt es gelegentlich, mich als „Minenhund“ in gefährliches Gelände zu hetzen. So fragte er auf Facebook nach:
„‚Mangel an traditionellen Milongas in München‘ - ob der Gerhard Riedl das weiß?“

Darauf hatte Theresa wohl gewartet: „Ich glaube, der entdeckt Mangel eher in anderen Sparten...“

Irgendwie ist man schon stolz darauf, wenn man zu bestimmten Themen gar nicht mehr selber reden muss, sondern andere vermuten lassen kann, was man meinen würde. Prominente Menschen haben halt ihre Interpretatoren.

So meldete ich mich (übrigens zum ersten Mal!) auf der Seite von Theresa Faus: „Bei so viel ‚Riedl-Exegese‘ kann das Original sich einen Kommentar sparen... Das ist der Unterschied! Gruß G.R.“

Deren Replik: haha - aber verkneifen kann er sich einen Kommentar nicht...“

Ehrlich gesagt fand ich diese Reaktion ein wenig schwach schließlich hatte ich nicht angefangen und bedauerte es, mich dort gemeldet zu haben: „Doch, jedenfalls auf dieser Seite - und in Zukunft gerne auch wieder.“

Trotzdem bis hierher ein halbwegs nettes Geplänkel – doch nun kam ein Satz einer weiteren Kommentatorin, über den ich länger nachgedacht und mich anschließend ziemlich geärgert habe: „Na zum Glück erspart er es uns hier - das ist ja nicht zum aushalten das Rumgemecker!“

Wahrlich, „Aushalten“ wird in dieser Szene wohl nicht groß geschrieben. Ich erspare mir hier auch etwas, nämlich diesen mentalen Unglückswurm mit Namen zu nennen: braucht’s wahrlich nicht. Und ich erspare der Dame die Frage, wieso sie sich mit meinen Ansichten, die ich nie auf dieser Seite veröffentlicht habe, überhaupt beschäftigen muss, wenn's ihr doch so zuwider ist.

Und es stört mich ebenso wenig, wenn meine – zugegeben oft mit satirischen Stilmitteln versehenen – Argumente als „Rumgemecker“ aufgefasst werden. Kann jeder sehen, wie er möchte.

Nur, ihr lieben Anhänger eines unfallfreien, von psychischen Beeinträchtigungen gereinigten Tangos, den man stets mit genügend Sicherheitsabstand zum Mitmenschen verüben soll: In dieses Land strömen seit längerer Zeit Massen von Menschen, die aus Regionen fliehen, wo man „Rumgemecker“ nicht aushält, sondern einander lieber tonnenweise Bomben auf den Kopf wirft - natürlich stets im Namen der Gerechtigkeit, Allahs oder anderer benachbarter Dörfer. In der Mehrzahl der Staaten dieser Welt sollte man sich abweichende Meinungen „ersparen“, wenn man halbwegs sicher (über)leben will.

Und wahrscheinlich wären viele weitere Millionen von Menschen froh, in einem Land leben zu können, in dem man nach Revolutionen, verheerenden Kriegen und unsäglichen Diktaturen endlich zur Einsicht gekommen ist, man müsse andere Einstellungen ertragen – nicht zur Not, sondern als Inbegriff, als Markenzeichen einer offenen und liberalen Gesellschaft.

So wie es in der Prä-EdO-Epoche bereits eine gehbehinderte Nicht-Tänzerin namens Rosa Luxemburg formuliert hat, bevor sie von Zeitgenossen, die ihr „Rumgemecker nicht aushalten“ konnten, erschossen und im Berliner Landwehrkanal versenkt wurde: „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“.

Vielleicht mal darüber nachdenken und dann solche Sprüche stecken lassen, gell?

Übertreibe ich? „Freedom dies by inches“ – und da werde ich bereits beim ersten Zentimeter stinksauer! 

Kommentare

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