Halb zog es sie, halb sank sie hin
Sie
sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
Da war's um ihn geschehn;
Halb zog sie ihn, halb sank er hin
Und ward nicht mehr gesehn.
Da war's um ihn geschehn;
Halb zog sie ihn, halb sank er hin
Und ward nicht mehr gesehn.
(Johann
Wolfgang von Goethe: „Der Fischer", 1779)
Man
muss es den Damen des Blogs „Berlin
Tango Vibes“ wirklich lassen: Keine vergleichbare Webpräsenz hat mich schon
zu so vielen Beiträgen gereizt – ob aus Ärger oder Begeisterung. Interessant
waren solche Texte dann stets.
Der
Artikel „Warten auf...“ gehört für mich eher zur „Augenverdreher-Sorte“:
Die
Autorin wartet natürlich auf einen Tanzpartner.
Nicht, dass es für sie keine gäbe – aber so einfach ist die Sache nicht! Sie
teilt nämlich die anwesenden Tangueros in drei Gruppen ein. Grob gesagt:
Die
einen möchten zwar wohl mit ihr tanzen – aber sie nicht mit ihnen, zumindest an
diesem Termin nicht.
Auf
andere wäre zwar sie scharf – aber aus irgendwelchen Gründen wollen die nicht –
jedenfalls an diesem Abend.
Der
„undefinierbare Rest“: Männer, die ihr unbekannt sind und in ihr nicht den dringenden
Wunsch erzeugen, es einmal mit ihnen zu versuchen – was die Berlinerin nicht
kennt, das frisst sie nicht…
Ihr
Resümee:
„Also sitze ich und
lasse Tanda um Tanda vorüberziehen. (…) Morgen werde ich mich wieder ärgern,
dass ich mir die Nacht um die Ohren geschlagen habe und mich fragen, wofür. Ja,
wofür eigentlich? In der Hoffnung auf diese eine besondere Tanda, die das
stundenlange Warten in zehn Minuten vergessen macht.“
Hier
der Originaltext:
Thomas Kröter verlinkte den
Artikel auf Facebook mit den Worten:
„Arroganz muss
frau/man sich leisten wollen/können...“
Na,
ich weiß nicht – dazu würde doch ein gerütteltes Maß Selbstbewusstsein gehören.
Davon spüre ich hier nichts, im Gegenteil. Daher hat die Sprecherin des
Autorinnentrios, Laura Knight, wohl
recht, wenn sie kommentiert:
„Manchmal wirkt es nur wie Arroganz und ist
eigentlich doch was ganz anderes. Unsicherheit, Unentschlossenheit,
undefinierbare Unlust, Trägheit, fehlender Drive oder fehlende Neugier oder
oder oder...“
Vor
allem „oder“, wie ich meine.
Das
hindert jedoch übliche Verdächtiger nicht daran, auf dieser FB-Seite mit
dem Text ziemlich hart ins Gericht zu gehen. So schreibt Andreas Kemper:
„Natürlich ist die
beschriebene Situation doof. Aber muss mann/frau darüber bloggen? Ich wiederhole
mich: Es gibt kaum etwas Überflüssigeres als diese Tangovibes. (…) Verschriftlichte
Grübeleien und atmosphärische Verdauungsstörungen gehören nicht in die digitale
Umwelt.“
Na,
lieber Andreas, dann würden sich die
Inhalte sozialer Medien auf unter fünf Prozent reduzieren. Wie man sich selber
das Wasser derart abgraben kann…
Christian Paschen hingegen, auf
Tangoforen für seine stets abgewogenen Äußerungen bekannt, sieht das Feinbild
ganz woanders:
„Mich stören, weil atmosphärisch übel, die
sich selbst für unwiderstehlich haltenden Vorstadtpapagaolos, die keinen
Zweifel kennen, dass jede Dame begeistert ausgerechnet mit ihnen tanzen will...“
Tja,
Christian, ist schon a Gfrett mit der
Konkurrenz, diesen Papagallos (oder
Papagalli), die einem die besten Tänzerinnen wegschnappen!
Da
weiß der Autor Arnold Voss doch
wenigstens, was von ihm erwartet wird, und formuliert Pulitzerpreis-verdächtig:
„Da kann es solche
Abende geben, an denen das Wählerische als solches die Wahl selbst nicht
zulässt.“
Darüber
kann man lange nachdenken – muss es aber nicht.
Auch
Theresa Faus nimmt die gescholtene
Autorin selbstredend in Schutz:
„Wenn man mit manchen
nicht tanzen will, kann das unterschiedliche Gründe haben, nicht zwingend
Arroganz bzw. „cool wirken wollen".
Na
klar, man kann sich beispielsweise auch hoffnungslos überfordert fühlen!
Und
auch die bekannte Wiener DJane Sylvia
Dorn hat diesbezüglich eine Meinung. Ich habe sie allerdings schon wieder vergessen…
Wenn
ich auch mal was dazu sagen dürfte:
Die Wurzel allen Übels besteht schon darin, Tänzer in „Gruppen" einzuteilen.
Die Wurzel allen Übels besteht schon darin, Tänzer in „Gruppen" einzuteilen.
Vielleicht
sind wir in Pörnbach (wie ja viele vermuten) ein bisschen hinterm Mond – aber ich
gehe nach wie vor davon aus: Wenn jemand eine Tanzveranstaltung besucht, so aus dem einfachen Grund, weil er tanzen möchte. Und da er oder sie
(jedenfalls beim Tango) schon deutlich volljährig ist, weiß er/sie (oder müsste es
wissen): Das Leben ist weit entfernt von einem Ponyhof. Und da mag es wenige geben, mit denen man lieber nicht tanzen möchte – aber sobald das überhand nimmt, stimmt etwas nicht.
Wie
formuliert es in der Debatte Irene
Strauss so schön?
„Tänzer und Tänzerinnen sind eben ganz
normale Menschen. Empathisch, arrogant, verschlossen, schüchtern, egozentrisch,
dumm, naiv, sozial, verbindlich, rassistisch usw. Jeder bringt halt alles mit.
Da hilft manchmal die beste Verkleidung nichts.“
Eckart von Hirschhausen beschrieb es einmal treffend: Es hilft nichts, stundenlang in der Speisekarte zu blättern.
Nach einem Blick auf die ersten Seiten wird bestellt – weil man eh nichts Besseres
mehr findet: im Restaurant und bei der (Tanz-)Partnerwahl. Und wenn, dann
plötzlich und unerwartet, ohne dass man gesucht hätte.
Ich
möchte daher keine Milonga besuchen, auf der ein größerer Anteil der Besucher herumsitzt und wartet, ob nach Ignorieren des
Guten und Besseren nicht doch noch das Beste kommen könnte.
Und
wenn es denn schon, Herrschaft nochmal, ausgerechnet der eine Traumtänzer sein muss, empfehle ich den
Damen, den blöden Cabeceo zu vergessen und dem Herrn ihrer Wahl ganz
persönlich mit einem direkten
Tanzangebot auf die Pelle zu rücken. Und wenn der nein sagten sollte,
weiß man wenigstens, dass der Prinz eben doch nur ein Frosch ist! Den sollte
man dann der Nixe aus der obigen Goethe-Ballade überlassen…
Die
Qualität eines gemeinsamen Tanzes
lässt sich eben nicht durch Verrechnung von Fähigkeiten und Erwartungshaltungen vorhersagen – sie entwickelt
sich bisweilen sehr spontan in einem konkreten, oft einzigartigen Moment.
Bis sich dies in Metropolen-Gehirnen etabliert hat, empfehle ich Tanzflächen mit der rudimentären Größe von einem Quadratmeter – in Erinnerung daran, dass man auf Milongas früher einmal getanzt hat...
Daher
spricht mir Thomas Kröter aus der Seele, wenn er schreibt:
„Ich neige zu einer Mischung
aus Experimentierfreude und, horribile dictu: Höflichkeit. Ich fordere auch mir
unbekannte Frauen auf, deren Fähigkeiten ich nicht stundenlang begutachtet
habe. Da sind schöne und nicht ganz so schöne Überraschungen möglich. So what... In Anlehnung
an Bill Clinton: It’s just a dance, stupid! Auf die
tänzerische Märchenprinzessin spinxen – aus dem Alter bin ich raus. Wenn ich
nur in Ruhe Musik hören möchte, bleibe ich lieber zu Haus. Da bin ich sicher,
dass sie mir gefällt.“
Dafür,
lieber Kollege, einen „High Five“ auf dem Muppet-Balkon!
Quelle:
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