Home of Champions
Da
kommt auch nicht jeder drauf: eine Milonga
in einem Kampfsportstudio zu
veranstalten! Naheliegend allerdings für Katrin
Böhner, Vorsitzende des „Tango in
Ingolstadt e.V.“ und privat dem Kickboxen verbunden. Zum wiederholten Mal tanzte
man letzten Sonntag zwischen Fitnessgeräten und einem richtigen Boxring im „Gladiators Gym“, das mit dem
Untertitel „Home of Champions“
wirbt.
Zweifellos
zutreffend war dieser Begriff an diesem Tag auch in Richtung Tango, was an zwei
Faktoren lag: einem Tanzpaar sowie
einer Musikgruppe.
Dazu
muss man wissen: Ich besuche Milongas nicht wegen der Tangoshows – eher im Gegenteil. Schon öfters legte ich vor der Tür
eine Rauchpause ein, wenn pomadisiertes Rundumgeschleiche im Nadelstreifenanzug
und Flatterkleidchen angesagt war. Viele dieser Vorführungen wirken ja
inzwischen geklont: Getragene Tangos
aus goldenen Urzeiten, vielleicht noch ein möglichst langsamer Vals, kaum mal
eine Milonga, und moderner Tango – vergiss es.
Die
Show von Angel Fabian Coria und Anna Yarigo sollte besser sein, so
hatte man mir im Vorfeld berichtet. Also blieb ich – und habe es nicht
bereut. Das Ganze begann schon mal – wie außergewöhnlich – mit einem modernen Tango,
dann gab es einen temperamentvollen Vals, einen klassischen Tango und
schließlich eine Milonga (diese zu Live-Musik, aber davon später).
Das
folgende Video gibt ungefähr wieder,
was ich letzten Sonntag erlebt habe. Die beiden tanzen hier zu Klassikern:
Soñemos („Lass uns träumen“ – Carlos Di Sarli)
El puntazo („Der Dolchstoß“ – Juan D’Arienzo)
Duerme mi niña („Schlaf, mein Mädchen“ – Rodolfo Biagi)
Milonga del recuerdo („Milonga der Erinnerung“ – Juan
D’Arienzo)Bei anderen Tangoshows ist mein Gedanke nach dem zweiten Stück meist: „O je, jetzt kommt mindestens noch eines…“ Letzten Sonntag hingegen hätte ich nichts dagegen gehabt, noch einen fünften oder sechsten Tanz zu erleben! Warum?
Über die Tanztechnik
der beiden muss man nicht lange reden: Das ist wahrlich „Bühnentango“ mit dem „Don’t try
this at home“-Etikett. Und wer einmal erleben möchte, was musikalisches Tanzen bedeutet: Hier
sieht man Reaktionen auf kleinste musikalische Einwürfe – und vor allem tanzen Coria
und Yarigo regelmäßig das, was die meisten Tangotänzer nicht zur Kenntnis
nehmen: Sechzehntel.
Was mich aber beim Zusehen förmlich umgehauen hat: Vor
allem Angel Coria ist eine veritable
Rampensau: Unglaublich, mit welcher Energie und Dynamik er seine Interpretation füttert – und er bringt auch Anna Yarigo immer wieder dazu, aus der
klassischen Frauenrolle auszubrechen und ihn mit Solo-Einlagen herauszufordern.
Schaut man sich YouTube-Videos der beiden mit anderen Tanzpartnern, so wird
klar: Da haben sich zwei gesucht und gefunden!
Am meisten animiert hat mich, was ich sonst im Tango
oft schmerzlich vermisse: Freude und
Humor. Besonders Coria versteht
es, immer wieder abgefeimte Späßchen einzuflechten und seine Macho-Gockelrolle
selbstironisch zu brechen. Ich bin sicher: Sein Affe hat bereits Diabetes. Wo
gibt es das sonst noch: Eine Tanzvorführung, bei der ich mehrfach laut lachen
musste (na ja, in anderer Hinsicht schon öfter, aber lassen wir das…).
Zu
meiner Schande muss ich gestehen: Ich hatte bislang noch nichts von Angel Coria gehört, obwohl er offenbar
zu den ganz großen Tango-Profis gehört:
„Angel Fabian Coria
ist Tänzer, Tangolehrer und Choreograph und hat als künstlerische Leitung in
verschiedenen Projekten, Shows und im Fernsehen gewirkt. Er ist einer der
berühmtesten in Buenos Aires. Angel hat schon in jungen Jahren für das
Argentinische Staatsballett als stellvertretende Leitung und Choreograph
gearbeitet, hat für das Fernsehen eine Tanzshow inszeniert und in der Company
von Mariano Mores unzählige Shows in Argentinien und im Ausland getanzt. Er hat
im Film „Tango“ von Carlos Saura als Tänzer und stellvertretender Choreograph
mitgewirkt und unzählige Tangoshows in Argentinien und im Ausland, insbesondere
auf Tourneen nach China und Japan, getanzt und choreographiert. Seit 2003 ist
er Teil der Jury der jährlich stattfindenden Tangoweltmeisterschaft in Buenos
Aires.“
Die
Besetzung:
Pablo Murgier (Piano)
Simone Tolomeo (Bandoneon)
Sebastian Noya (Kontrabass)
Pablo Murgier (Piano)
Simone Tolomeo (Bandoneon)
Sebastian Noya (Kontrabass)
(in den Videos sieht man noch Alessio Menegolli Grandi an diesem Instrument)
Und man muss schon mit dieser besonderen „Tango-Verrücktheit“
gesegnet sein, um das Folgende zu drehen:
Klar,
dass es auf unserer nächsten „Wohnzimmer-Milonga“ eine Tanda mit dieser Gruppe
gibt!
Zusammenfassend:
Welch ein berauschender Nachmittag!
Meinen Dank an den Veranstalter verbinde ich mit der Hoffnung, dass ein Lob aus
meiner Feder dem Verein nicht allzu sehr schaden möge…
P.S.
Für den kommenden Donnerstag lädt Angel Coria zu einem Vortrag (in englischer Sprache) über Geschichte
und Geschichten des Tango ein. Da ich leider verhindert bin, möchte ich
wenigstens etwas Werbung für die sicherlich sehr interessante Veranstaltung
machen:
Do.,
6.12.18, 19.00 Uhr
TaoYin Zentrum, Bei der Schleifmühle 34b, 85049
Ingolstadt
Eintritt: 12 €
Anmeldung: per E-Mail (info@IN-Tango.de)
oder telefonisch (0841-9815955 oder 0178-9226333)
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