Chaos ohne Expertise
Derzeit könnte man den Eindruck haben, ich sei der verhassteste Tangoautor im deutschen Sprachraum. Gerade eben erreichte mich eine Zuschrift von Klaus Wendel: Ob mir bewusst sei, dass ich mich gerade „öffentlich demontiert“ hätte?
Ach, was heißt hier „gerade“? Mache ich doch – mit Büchern und Blog – seit nunmehr 15 Jahren!
Ebenfalls warte ich seit Wochen auf die mir von dem Tangolehrer angekündigten juristischen Schritte gegen eine meiner Veröffentlichungen. Da war Franz Josef Strauß konsequenter: 18-mal verklagte er als Bundesverteidigungsminister das Satire-Blatt „Pardon“ – und verlor ebenso oft.
https://www.deutschlandfunk.de/vor-55-jahren-als-mit-pardon-der-humoristische-wiederaufbau-100.html
Nun hat Wendel, obwohl er doch Ferien machen wollte, einige neue Artikel herausgebracht. Auch da stand wohl fallweise sein Zorn auf mich Pate. Wie er seinem Mitverschwörer Yokoito per Kommentar mitteilte, verfasste er einen Artikel als „Kontrapunkt“, da er „diesen Quatsch von ‚Du weißt schon wem‘“ einfach nicht so stehen lassen wolle.
Na ja, stehen lassen muss er ihn wohl schon, halt eventuell nicht allein – aber von diesen filigranen sprachlichen Feinheiten wollen wir ihn lieber verschonen!
Jedenfalls sind Wendels „Gedanken über den Tango Unterricht“ nun schon kräftig angewachsen. Im 14. Teil geht es um „‚Selber machen‘ reicht nicht – warum Tango ohne Expertise oft im Chaos endet“.
Ich fürchte, sie würde vor allem in Armut enden – weil ja dann die Tangolehrkräfte weniger verdienten. Und das wollen wir doch alle nicht – schon, weil sich dann ihre üble Laune weiter verschlechtern könnte!
Worum geht es? Das romantische Bild vom argentinischen Milonguero, der keinen Kurs besucht habe, aber magisch tanze, weil er den Tango „durch reines Erleben“ aufgesaugt hätte, stimme halt nicht.
Eben, wir wissen doch aus der Tangowerbung, dass er ihn einfach „im Blut“ habe – der muss nicht üben wie wir Gringos!
In den letzten 40 Jahren jedenfalls sei das so beschriebene Bild falsch. Klar, inzwischen tourt er ja durch Europa, die USA sowie Asien und verkloppt Tangostunden!
In Argentinien sei halt das Lernumfeld kulturell und sozial mit Tango angereichert. Womit wir wieder beim „Blutbild“ wären...
Niemand wachse bei uns „mit Milongas im Wohnzimmer“ auf. Na ja, da habe ich andere Informationen…
Daher bräuchten wir „strukturierte Anleitung, klare Konzepte und erfahrene Lehrer*innen“.
Hierzulande könnten die meisten „nicht einmal das Kursthema eigenständig wiederholen“. Ja, lieber Klaus, und wenn es gar keines gibt? Wenn man einfach probiert, was einem gerade einfällt? Und dabei sogar Spaß hat? Vorsicht, Chaos!
Okay, ich weiß: In Deutschland hat jede anständige Ausbildung ein Thema. Und wenn man das fehlerfrei runterbeten kann, hat man schon was gelernt!
Und, Schrecken aller Instruktoren – es könnte „einfach getanzt“ werden. Da wuchert doch der Apokalyptus!
Es fehle halt jemand, der beobachte, analysiere und Feedback gebe. Klar, der Tanzpartner kann das nicht sein. Die Frauen müssen eh nix verstehen, wird ja alles geführt. Und für die Männer denkt die Lehrkraft.
Ohne Anleitung sei eine Práctica eine „Milonga in Jogginghosen“. Ach Klaus – ich trage Jogginghosen sogar öfters auf Milongas… ich dachte, nachdem Lagerfeld jetzt tot ist…
„Demokratische Ideen“ jedenfalls sind Wendel zumindest im Tango verdächtig: In der Praxis werde daraus leider oft „planloses Herumgewusel“. Tja, das ist auch in der Politik ein riesiges Problem – war doch viel besser, als wir noch einen Kaiser hatten… obwohl Wilhelm II. den Tango an seinem Hof verbot! Aber auch Majestäten können irren – jedenfalls außerhalb unseres Tanzes!
Der Tango sei für solche Ideen halt zu kompliziert – alles müsse zusammenspielen, „oft auf den Millimeter genau“. Ich weiß nicht, ob Wendel in den letzten Jahren eine Milonga besucht hat – aber solche Fragen muss ja nur ich beantworten…
„Das Auge sieht nicht alles – und schon gar nicht richtig.“ Das ist knapp an der Biologie vorbei: Unser Sehorgan ist recht zuverlässig. Probleme macht eher das Hirn.
Gutes Kabarett liefert auch die Formulierung: „Tango funktioniert aber nicht wie IKEA.“ Tatsächlich spielen dabei Köttbullar nur eine geringe Rolle.
Wenn sich Bewegungsmuster einschliffen, die einen komplett blockierten, merke man das selbst gar nicht. Na ja, wenn ich keinen Millimeter mehr vorankäme, würde ich das voraussichtlich mitkriegen. Oder zumindest meine Partnerin. Und den Rettungsdienst rufen.
Freie Übungsgruppen glichen einer Kochgruppe, wo keiner richtig kochen könne, aber jeder schon mal ein Rezept gelesen habe. Ich finde den Vergleich schief: Es gibt Leute, die wunderbare Gerichte hinbekommen, sich aber nie an Kochbücher halten. Das gilt ebenso für viele Bereiche – die reinen Rezepte-Befolger kochen oder tanzen oft langweilig wie hundert Meter Feldweg!
Immerhin konzediert Wendel, Tangounterricht sei ein „hoch interaktiver Prozess“. Tja, schön, wenn er Recht hätte! Aber „Learning by Doing“ müsse halt angeleitet werden. Sonst fehle die „Qualitätskontrolle“. Für mich kommt die vor allem vom Tanzpartner. Aber wie soll ich die fühlen, wenn mir stets einer reinquatscht?
Halten wir uns also an die Devise: Ist der Kursus noch so klein – ein Lehrer muss darinnen sein!
„Anfänger wissen oft nicht, was sie brauchen.“ Das kann stimmen – und diese Unsicherheit muss man aufrechterhalten!
„Was sich ´gut anfühlt´, ist nicht immer gut.“ Da muss ich heftig widersprechen: Mein ganzes Tanzen richtet sich darauf, dass meine Partnerin und ich uns wohlfühlen. Aber offenbar hat man so zu tanzen, dass die Lehrkraft gut drauf bleibt!
Ich möchte Klaus Wendels Artikel nicht in Bausch und Bogen verdammen. Schließlich versucht er ja, einiges zu relativieren. Ich fürchte nur, in der Praxis läuft es doch meist darauf hinaus, dass andere sich unterordnen, weil einer es besser weiß – und notfalls drohend auf seine Kompetenz hinweist. Ich durfte es ja oft genug am eigenen Leib erfahren, wie schnell der Kollege bereit ist, sich als „Experte“ zu inszenieren, dessen Kompetenz natürlich für Laien unerreichbar ist.
Ich dagegen sage: Wer auf konventionellen Tangounterricht steht und meint, tolle Lehrkräfte zu haben, soll dabeibleiben. Ich hoffe, er darf auch mal Fragen stellen oder sogar Kritik üben und hat das Gefühl, dass seine individuelle Tanzweise respektiert, nicht niedergemacht wird.
Allerdings erlaube ich mir den Hinweis, dass es auch andere Lernformen gibt, die man nicht hochnäsig herabsetzen sollte. Aber das ist im Tango offenbar unerwünscht.
Dieses Wochenende habe ich zwei sehr schöne Milongas besucht (nicht auf YouTube, sondern – wie so oft – in echt!). Dabei traf ich unter anderem eine alte Tangofreundin, mit der ich vor vielen Jahren regelmäßig getanzt habe. Inzwischen sehen wir einander vielleicht ein- oder zweimal im Jahr, was wir fast stets zu einer Tanzrunde nutzen. Mir ist nicht bekannt, dass sie viel Unterricht hatte – jedenfalls nicht in den Jahren unserer längeren Bekanntschaft. Und sie kann auch sehr gut führen
Unsere gemeinsamen Tänze sind stets ein Highlight. Aktuell sagte ich zu ihr: „Du gehörst zu den Frauen, die wissen, was ich tanzen möchte, bevor es mir selber einfällt.“ Natürlich hoffe ich, dass dies auch umgekehrt halbwegs gilt.
Solche Erlebnisse hatte ich auch schon mit Frauen beim ersten gemeinsamen Tanz. Regelmäßige Kursbesuche konnten die meisten nicht vorweisen – allerdings oft eine lange Tanzpraxis auf den Milongas. Und ich betrachte es als Geschenk, dass mich zu den Milongas stets wunderbare Tänzerinnen begleiten. Was will man mehr?
Um einen anderen Kollegen zu beruhigen: Nein, in der internationalen „Champions League“ tanzen all diese Damen nicht. Ebenso wenig aber in der „Champignon-Liga" . Ich vermute aber, beides ist ihnen völlig egal. Mir übrigens auch. Tanzen wir den „perfekten Tango“? Um Gottes Willen, nein! Das wäre furchtbar öde.
Aber woher kommt dann diese unglaubliche Verständigung? Ich habe keine Ahnung.
Allerdings genieße ich es sehr, dass uns in diesen Momenten kein Tangolehrer reinquasselt!
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Foto: www.tangofish.de |
P.S. Da ich auf Klaus Wendels Blog auf normalem Weg keinen Zugang mehr habe, kann ich auch keine Links anbieten. Aber über den Titel ist sein Artikel unschwer zu finden.
P.P.S. Wundersamer Weise ist für mich nun der Zugang wieder offen. Daher natürlich der Link: https://www.tangocompas.co/gedanken-ueber-tango-unterricht-14-teil/
Klaus Wendel kam nun nicht umhin, zu meinem Artikel einen aller-aller-allerletzten Text zu veröffentlichen. Man findet ihn als Kommentar zu seinem oben verlinkten Beitrag.
AntwortenLöschenDer Autor hält mich nicht nur für einen Narzissten, sondern auch für einen Sophisten. Dazu hat er sich wohl einiges zusammengegoogelt. Aber es geht auch einfacher: Viele meiner Aussagen hält er für „absoluten Schwachsinn“. So viel zum ebenfalls zitierten „Anstand“…!
Na klar, vom Unterrichten verstehe ich halt nichts – die über 35 Jahre im Lehrfach scheinen da kaum zu gelten. Und in diesem Beruf lernt man natürlich viele Prinzipien der Didaktik und Methodik. Vielleicht mehr, als wenn man pro Monat ein paar Tangostunden gibt – übrigens als Autodidakt. Und man muss sein Können unter anderem durch zwei Staatsexamina beweisen.
Aber ich spreche niemandem pauschal die „Kompetenz“ ab – das ist Wendels Spezialgebiet.
„Wir alle kennen Leute, die Meinung mit Wissen verwechseln.“ Stimmt!
Ich rücke mich selbst ins Zentrum – was mich sicherlich von den Tangolehrkräften unterscheidet…
Wer mich angesichts meines Charakters und meiner Rechthaberei noch ernstnehme, dem sei nicht zu helfen. Ich hoffe aber, nicht alle Leser werden vor diesen Bedrohungen zurückschrecken!
„Wir brauchen keine Lautsprecher mit Halbwissen, sondern Lehrerinnen, Lehrer, Autorinnen, Veranstalter, die fundiert, respektvoll und mit echter Erfahrung zur Entwicklung dieser Szene beitragen.“ Da kann ich dem Kollegen nur recht geben. In seinem Umfeld sammeln sich ja diesbezüglich überzeugende Persönlichkeiten. Nur zu!
Was manchen jedoch überhaupt nicht gefallen wird: Die Kommentar-Möglichkeit auf seinem Blog für Leute, die auf meiner Seite blockiert würden, stelle er nun ab.
O Gott – wo sollen die ganzen Hetzer sich nun auslassen? Bei Yokoito – oder doch besser bei ihrem Friseur?
Ich finde, da hilft nur der Lieblingssatz aller Anwälte: Warten wir mal ab, was der Gegner schreibt!
Quelle: https://www.tangocompas.co/gedanken-ueber-tango-unterricht-14-teil/