Und täglich grüßt Corona…
Will
man in diesen Zeiten aktuell informiert
bleiben, so hat man’s nicht leicht! Schon am Morgen muss man die auf gut
gelaunt dressierten Moderatoren des „Morgenmagazins“ von ARD und ZDF
ertragen, die uns wahlweise jede Art von Experten,
tief Betroffene sowie die
Wohnzimmer-Klänge arbeitsloser Kleinkünstler
bescheren. Und selbstredend den Wetterbericht
fürs Nicht-Rausgehen.
Keinesfalls
zu vergessen natürlich die rund um die Uhr gesendeten Situationsberichte armer Reporter
von Szenarien aller Art. Duktus: „Ich
stehe hier am Münchner Marienplatz, wo sonst das Leben tobt, und nun gespenstische
Stille…“ Wir schalten um zum Brandenburger Tor: „Weithin unheimliche Einsamkeit, wo sich sonst die Menschen drängten…“
Zwischenfrage: „Haben Sie den Eindruck,
dass sich die Berliner an die Ausgangsbeschränkungen halten?“ Na ja, wohl
schon, falls sie nicht alle bereits tot in den Wohnungen liegen…
Dazwischen
das 109. Interview mit Arbeitsminister Hubertus
Heil, der uns wieder einmal versichert, er kämpfe um jeden Arbeitsplatz. Ausgang offen… Ebenso bei
der vorher existenziellen Frage, wer neuer CDU-Vorsitzender
wird. Derzeit wohl egal.
Dazu
die beiden derzeitigen Stars der Union, Laschet
und Söder, die sich mehrmals täglich
ein publizistisches Fernduell liefern und abwechselnd für Rauslassen oder Einsperren
plädieren. Dazwischen der österreichische Kanzler Sebastian Kurz, welcher sich auch fast täglich ans Volk wendet, nun
immerhin hinter Plexiglas. In Kunstharz gegossen wäre er mir noch lieber.
Leider
nicht mehr täglich bietet uns der stets etwas grämlich wirkende Professor Wieler vom Robert Koch-Institut eine Vielzahl von
Fakten mit der weitgehend gleichen Warnung, wir hätten die Pest noch
keinesfalls überstanden. Schön, dass er auch immer wieder aufs Händewaschen verweist – zu Recht, da er
gelegentlich in die Hand hustet. Aber immerhin sind Pressereferentin und Gebärdendolmetscherin
inzwischen knapp zwei Meter von ihm
entfernt – oder doch einsfünfzig?
Was stimmt denn nun? Keine Ahnung!
Ab
Mittag sollte man auf „Phönix“ umschalten, um die Pressekonferenzen der Parteien
zur aktuellen Lage nicht zu versäumen. Alle betonen ihre tiefe Sorge, wissen
auch nicht recht, ob nun Gesundheit oder Freiheitsrechte stärker gefährdet
sind, und selbst der Linkspartei
fällt was zum Virus ein, das ich aber vergessen habe. Nur von der AfD hört man derzeit kaum etwas. Sind
die inzwischen noch eine Partei oder doch schon zwei? Wer sagt denn, die Krise sei gelegentlich nicht auch
segensreich…
Originell
finde ich bei alledem insbesondere das neue „Mikrofon-Kondom“, falls jemand aufs Bällchen spucken sollte. Hätte
man schon früher einsetzen sollen! Oder die zwei Meter lange Stange zur Schallaufnahme. Wäre weiland
schon bei Strauß besser gewesen!
Der
Nachmittag ist dann eher der Unterhaltung
gewidmet: Alle zehn Minuten zerrt irgendein Sender einen Obsthändler,
Blumenverkäufer oder Dönerbuden-Betreiber vor die Kamera, um uns wieder einmal
vor Augen zu führen, wie schwer die Krise die Selbstständigen trifft. Danke, ich hätte es mir auch so vorstellen
können…
Immer
noch besser aber als die in Dauerschleife
eingespielten Aufnahmen von überfüllten Intensivstationen,
am besten aus Italien oder Spanien. Das macht Laune! Man könnte gelegentlich
auch mal jemanden interviewen, der Corona
ziemlich locker überstanden hat.
Aber klar: Gute Nachrichten sind eben keine, will niemand sehen.
Ab
zirka 17 Uhr präsentiert man uns dann O-Töne der Regierenden dieser Welt, denen schon wieder etwas zum Thema
einzufallen hat. Wenigstens Donald Trump
bemüht sich hier um eine gewisse Abwechslung, da er stets Recht hatte,
allerdings mit ziemlich variablen Ansichten. Boris Johnson jedoch hat sich auf den Landsitz des Premierministers
zurückgezogen und sagt momentan gar nichts mehr. Schweigen kann eine derartige
Wohltat sein. Angela Merkel hingegen
meldet sich nur selten – wenn sie etwas Neues weiß – was natürlich ihre
Unfähigkeit vollends bestätigt!
Unverzichtbar
sind gerade zur Prime Time die Aussagen der medizinischen Experten – bei manchen habe ich den Eindruck, dass
sie die Fernsehstudios gar nicht mehr verlassen. Warum auch? Müssen sie doch
halbstündlich dasselbe halbe Dutzend dämlicher
Fragen beantworten, welche ihnen die geballte
Interviewer-Intelligenz der deutschen Medienschaffenden stellt.
In
den Charts natürlich ganz oben: Wann gibt
es einen Impfstoff? Na gut, die
Antworten variieren etwas – von „im
Herbst“ bis „vielleicht nie“.
Aber so kriegen auch die Kollegen
ihre Chance: Wem eine andere Zahl einfällt, kommt auch ins Fernsehen!
Dauerbrenner
natürlich auch: „Kann man sich auch an
Türklinken anstecken?“ Klar, ziemlich sicher, wenn der eine (falls
Corona-positiv) aus nächster Nähe draufhustet
und der nächste sie eine Minute danach abschleckt.
Ansonsten… eher nicht, aber man kann natürlich nie wissen! Daher fragt man doch lieber noch die nächsten zehn Doktoren,
die nicht schnell genug auf dem Baum sind!
Zur
absolut segensreichen Folge von
Corona gehört es aber, dass sich nun immer mehr Männer die Hände waschen, selbst nach dem Toilettenbesuch und mit
Seife. Dies dürfte die Ansteckungsrate von Infektionskrankheiten aller Art deutlich senken – vielleicht sogar die mit
den Corona-Viren. Kein Zweifel: Deutschland ist auf dem Weg zur Kulturnation!
Zu
einem vielseitig einsetzbaren Dauerthema haben sich auch die Masken entwickelt: Obwohl sie bei Karnevalssitzungen offenbar nicht
direkt vor Infektionen schützten, wird deren Wirksamkeit aktuell immer mehr nachgefragt. Das verschafft uns
gefühlt ein Dutzend lichtvoller Medizinal-Vorträge täglich über
Filtermasken, ihre chirurgischen Schwestern sowie selbstgehäkelte
Mund-Nase-Tüchlein. Wie sicher denn
welche seien? Na ja, was Gewisses weiß man nicht – aber gut, dass wir immer
wieder mal darüber gesprochen haben…
Ganz
bestimmt Katze und Kristallkugel braucht man aber beim beliebten
gesellschaftlichen Lotteriespiel des
Mortalitäts-Ratens. Sterben nun bei
uns 0,37 Prozent der Corona-Infizierten, doch eher 2 von Hundert oder sogar
mehr? Was ich vorher auch nicht wusste: Die deutsche Todesursachen-Statistik befindet sich offensichtlich noch im Prä-Adam Riese-Stadium. Das beginnt
schon damit, dass bei uns selbst Augenärzte einen Totenschein ausstellen können, was zur Folge hat, dass an der
Spitze der Ablebe-Charts Herz- und
Kreislauferkrankungen stehen. Klar – im Zweifel trägt man halt „Herzversagen“ in die amtliche
Bestätigung ein: Stimmt ja auf jeden Fall.
Dass
laut verlässlicher, längst veröffentlichter Studien jede zweite Todesursache
einer Obduktion nicht standhält,
interessiert anscheinend – außer den Rechtsmedizinern – kaum einen. Auch nicht,
dass die Zahl der Grippetoten immer
noch einfach anhand der Zunahme der Sterbezahlen im Winter geschätzt wird. Aber
ein Vergleich von Influenza und Corona ist ja derzeit unter Androhung
sofortigen Haberfeldtreibens verboten…
Auch
mehr nebenbei erfährt man, dass bei uns jeder, der nach bestätigter
Corona-Infektion stirbt, statistisch zu den Todesopfern dieser Seuche gerechnet wird. Dass der renommierte
Hamburger Rechtsmedizin-Chef Klaus
Püschel bei seinen Obduktionen feststellte, seine Kunden seien mit,
jedoch nicht an Corona gestorben, ist zumindest bemerkenswert.
Lustig
auch, dass man ebenfalls nicht genau zählt, wie viele Patienten inzwischen die Krankheit ausgestanden haben. Wahrlich,
viele deutsche Medizin-Statistiken
beruhen auf Schätzungen, welche auf Grund von Annahmen entstanden, die auf
Vermutungen basieren! Wer dagegen zumindest mal anfängt, wirklich zu zählen – wie der Virologe Hendrik Streeck – wird von den Kollegen gnadenlos gedisst.
Die
sitzen dann gerne abends in den Illner-
und Maischberger-Studios, um uns das zu erklären, was sie schon tagsüber
nicht genau wussten. Na gut, wenn’s der Wahrheitsfindung
dient… Ich weiß aber ganz sicher: Sollte ich einmal heftige Symptome verspüren,
würde ich statt einer Notaufnahme
eine Talkshow aufsuchen – mehr Experten
auf einem Fleck kann man nicht haben. Wenn ich kurz vor Mitternacht wach genug
bin, gebe ich mir noch einen Lanz –
selbst unter dem Risiko einer Sehnenscheiden-Entzündung, da ich stets versuche,
nur auf die Antworten der Gäste zu
hören und das Geschwafel des Südtirolers mit der Kompetenz-Mimikry via
Fernbedienung auszublenden.
Und
im Tango? Da geht das satirisch verwertbare Material leider stark
zurück. Meine seelische Stabilität ist momentan noch nicht groß genug, um mich
mit den Online-Kursen zu befassen.
Wird aber sicher noch kommen! Klar, die Chance, diesen Tanz völlig ohne die eh störenden
Schüler zu unterrichten, mag manche Tangolehrer motivieren. Auch Online-Milongas halte ich derzeit noch
nicht aus – die kommen mir vor wie theoretischer
Sex. Zudem fürchte ich, man spielt immer noch dieselbe Musik wie einst.
Als
Kompensation gibt es ja nicht mal Fußball
– wobei ich mir zurzeit sogar das Länderspiel Österreich gegen Kamerun ansehen würde. Wie sagte dazu sinngemäß
einmal Dieter Nuhr: Einerseits ein wildes Land, dunkle,
geheimnisvolle Riten – und auf der anderen Seite: Kamerun.
Apropos:
Selbst in der FB-Gruppen „Koko“ und „Tango München“ derzeit tote Hose. In
meiner Verzweiflung schaue ich sogar nach, ob sich der vermisste Nierenstein
eines dortigen Tango-DJ inzwischen angefunden hat. Nein, nicht mal das. Und Jochen Lüders beschäftigt sich auf
seinem Blog mit Excel-Tabellen. Eine Botschaft von Cassiel zur Strafe Gottes für die Tango-Lästerer? Nix – alles schweiget.
Letzte
Hoffnung: Die FB-Gruppe „Tango und
Corona“ des Münchner Seuchen-Blockwarts Joachim Beck. Heute wenigstens schon eine neue Statistik verlinkt
oder Jens Spahn verdammt? Eine neue Schutzmasken-Nähvorlage? Ach, Mensch…
langweilig!
Kollege
Kröter hat wahrscheinlich Recht,
wenn er sich über die Zukunft des Tango-Bloggens
sorgt.
Ich
werde wohl in Zukunft Testberichte über Beatmungsmaschinen
schreiben.
Einen Mörder-Blogtitel habe ich schon: „Mí Buenos Aires“.
AntwortenLöschenHeute erreichte mich per Mail der folgende Kommentar:
Hallo Gerhard!
Vielen Dank!
Es fehlte nicht viel und ich hätte frische Beinkleider benötigt…
Meine Kollegen schauen schon ganz interessiert, woher wohl meine so unerwartet positiven emotionalen Affekthandlungen herrühren!
Die Absolute CORÖNUNG dann ganz am Ende: „Mí Buenos Aires“
Perfekt.
Falls einer der Mitlesenden, nach diesem Artikel eine kleine Hilfe benötigt, um seine Laune wieder in den (eigentlich angebrachten) Griff zu bekommen,
dem kann ich zum Abschluss diese kleine Polemik von Jens Berger empfehlen:
[ https://www.nachdenkseiten.de/?p=60198 ]
Nochmals danke,
vom nun kurzzeitig erheiterten:
Matthias Botzenhardt
Lieber Matthias,
Löschenes freut mich natürlich sehr, zur Erheiterung beigetragen zu haben. Ich finde das gerade momentan sehr wichtig.
Auch wenn das manche wieder als unangemessene Aktion "in diesen Zeiten" sehen werden. Macht aber nichts.
Beste Grüße
Gerhard