Masken für Arme
Ich
möchte keine persönlichen Querelen – daher verzichte ich auf eine Namensnennung. Die Geschichte selber
ist jedoch absolut satirepflichtig:
Eine,
sagen wir mal, im Tangobusiness
bislang durchaus aktive Dame (mir persönlich bekannt) beschwerte sich heute auf
Facebook:
Sie
wollte in einem „Basic Bioladen“
einkaufen, ein Security-Mann fragte sie allerdings am Eingang, ob sie eine Maske habe. Ja, schon, aber daheim –
schließlich herrsche erst ab Montag Maskenpflicht.
Nun der Skandal: Der Typ wolle ihr
eine EINWEGMASKE für 1 Euro
verkaufen oder sie nicht reinlassen. In einem Bioladen! Nein,
da sei sie nach Hause zurückgekehrt und wieder mit ihrer eigenen Maske zum
Geschäft geradelt. „Abzocke“ nennt sie das Ganze und hat bereits eine Beschwerdemail abgeschickt.
Die
Reaktionen sind geteilt. Natürlich gibt es die übliche „Pflichtempörung“:
„Aufpassen
ist ja in Ordnung, aber diese Hausmeistermentalität ist zum Kotzen und nicht
angebracht.“
„Viele Kliniker
stellen die verordnete Schutzmaske sowieso in Frage.“
„Sehr merkwürdig! Gut, dass ich nicht dabei war, ich hätte mich
gestritten und zwar, weil Maskenpflicht erst ab KOMMENDEN Montag besteht.“
Ja, sorry, aber
Ladeninhaber verfügen über das Hausrecht,
auch schon vorher. Wer also nur maskierte KundInnen möchte (aus welchem Grund
auch immer), kann das durchsetzen.
Mancher Kommentator
ist auch nicht ganz auf dem neuesten
Stand:
„Ja, ich befürchte, dass die Maskenpflicht im
öffentlichen Verkehr und in Läden kommen wird.“
Doch ja, kommenden
Montag…
Versteckt wird jedoch
auch Kritik laut:
„Wo war das??? Ich
muss sofort hin, so billig!!! Die kosten in der Apotheke 2 €!!“
„Hier in Spanien kann
man sie, wenn es überhaupt welche gibt, in der apo für 0.76 bekommen Du siehst, 1 Euro ist wirklich nicht so
viel.“
Nun
finde ich es schon mal lobenswert, dass die Dame nicht – wie die durchschnittlichen Kunden von
Nobel-Bioläden, mit dem SUV vorgefahren
ist. Immerhin!
Allerdings
trifft es in derlei Premium-Soja-Schuppen
nicht gerade Arme – jedenfalls in
materieller Hinsicht. Daher finde ich es eher einen Skandal, dass man sich über einen solchen Killefitz aufregt, sich auch noch auf Facebook und beim Geschäft beschwert. Und klar,
wer den heutigen Markt für solche Produkte nicht kennt, hält 1 Euro für überteuert. Nebenbei: Der Security-Mann macht es sicherlich ehrenamtlich… Ob er sich teure Tangoreisen leisten könnte, halte ich
für fraglich.
Ich
kann mich noch daran erinnern, dass vor wenigen Wochen das Geheul groß war, da es nicht
genug Masken gab. Hilfe, wir werden uns alle anstecken! Nun kriegt man sie beim Eintritt in den Edel-Fress-Tempel sogar überreicht.
Aber man soll astronomische Summen
dafür löhnen. Hilfe, wir werden alle verarmen!
Wie
hätte die Dame es denn gerne gehabt? Kompostierbarer
Gesichtsschutz? Nur aus biologischem
Anbau? Aus heimischer Fertigung oder
argentinischer Produktion? Laktosefrei? Passend zum Oberteil? Um Mitternacht von 12 Jungfrauen bei Vollmond
zusammengeklöppelt? Oder schlichtweg geschenkt?
Übrigens:
Nach eigenen experimentellen Erfahrungen
kann man auch Einwegmasken bei 70 Grad ins Backrohr legen oder kurz überbügeln
(falls solche fachlichen Fähigkeiten vorhanden sein sollten).
Und
klar, mit dem Anstecken hören wir
erst ab nächsten Montag auf, da
werden wir ja dazu gezwungen…
In
dieser kleinen Realsatire spiegelt
sich durchaus eine Entwicklung, die
mir Sorgen macht: Während unsere
Gesellschaft vor einigen Wochen – wohl durch die schrecklichen Bilder in
anderen Staaten – noch einig und solidarisch war, beginnen nun wieder
die kleinkarierten Egoismen:
Die
Politiker werden mit Beschwerden überhäuft, die auch immer
mehr bei den Gerichten landen. Kindergarten-Motto:
„Warum darf der das und ich das andere
nicht?... Ich will auch ein Eis!“ Verbissen wird über Quadratmeterzahlen von Geschäften und Genehmigungen für Demonstrationen gestritten. Krisengewinnler betrügen massenhaft bei
Fördergeldern. Und es gibt nichts Wichtigeres als die Frage, ob Millionäre in Fußballstiefeln einander
wieder gegen die Beine treten dürfen – oder ob wir im Sommer in
Österreich Urlaub machen dürfen.
Von
alten Menschen, die seit Wochen
allein in ihren Wohnungen sitzen und lediglich von Helfern alle paar Tage Nahrung vor die Tür gestellt bekommen,
hört man weniger Beschwerden. Warum auch – die haben ja keine Lobby. Man könnte sie ja wenigstens mal anrufen, ihnen eine
Bild-Kommunikation einrichten oder vor ihrem Fenster Musik machen – falls man
zwischen seinen Besuchen in Nobelläden
dazu kommen sollte…
Sicher,
die momentanen Beschränkungen sind
für viele bitter – und das sind oft
nicht diejenigen, welche jetzt besonders laut schreien. Aber unsere Regierungen
in Bund und Land wenden Beträge in Billionenhöhe
auf, um Not und Leid zu lindern. Dafür könnte man gelegentlich einmal danke sagen anstatt sich ständig zu beschweren.
Übrigens
müssen die astronomischen Schulden,
die der Staat nun auf sich nimmt, irgendwann wieder beglichen werden. Ich
hoffe, dass dann die Gesellschaftsschicht, welche sich teures Biofutter leisten kann, etwas mehr dazu beiträgt als einen Euro.
Zweifellos
ist die momentane Situation fragil.
Die Bundeskanzlerin hat Recht, wenn
sie unsere Gesellschaft „auf dünnstem
Eis“ sieht. Unvorsichtigkeit
kann da tödlich sein.
Wenn
ich aber das momentane kleinkarierte
Gezänk erlebe, beschleicht mich in trüben Stunden die Vorstellung, eine
zweite, viel heftigere Corona-Welle könnte
(neben vielen Menschenleben) das ganze Gedöns unserer „Aber-aber-Gesellschaft“ vom Erdball tilgen.
Die
zitierte Beschwerdeführerin
schreibt:
„...aber wir sind
alle gefragt und gefordert, aber daraus noch solche Profitgier, das will ich
einfach nicht verstehen. Irgendwie lernen wir aus der ganzen Situation
anscheinend immer noch nix.“
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