Von Null zum Helden

Brandaktuell hat die Tangolehrerin Steffi Stenzel nun einen „neuen Kurs mit einzigartigem Konzept“ angepriesen: „From Zero to Hero".

„Ein Anfänger/Wiedereinsteiger-Kurs der ganz anderen Art, weil jeder Neu- oder Wieder-Einsteiger einen erfahrenen, guten Tänzer als Partner bekommt. Egal, ob führend oder folgend. Dadurch lernt ihr mindestens doppelt so schnell, denn es gibt keine zwei ‚Ahnungslosen‘, die mit allen Grundlagen und in jedem neuen Move erstmal miteinander kämpfen müssen.“

Steffi nennt das ein „neues Konzept“. Echt jetzt?

Seit dem Kriegsende (na ja, ich meine den Shitstorm um mein Tangobuch) stelle ich unentwegt die Frage, was es bringt, in Kursen zwei Anfänger zusammenzuspannen, die sich „fortlaufend“ aus dem Gleichgewicht und Konzept bringen.

Was lernt ein Fahrschüler, wenn der rechts von ihm auch nicht fahren kann?

Bislang wurde ich von Experten stets belehrt, so etwas sei nicht umzusetzen. Da fehle doch die kundige verbale Anleitung des Meisters, welche allein selig macht! Obwohl man zu Tango-Urzeiten in genau dieser Weise geübt hat – Anfänger mit Erfahrenen!

Und nun plötzlich doch? Wo ich immer wieder höre, nur Leute ähnlichen Niveaus dürften miteinander tanzen  und Beginner schon gar nicht mit den Lehrkräften!

Fragt sich nur: Klar, die Nullen müssen zahlen – hier 150 Euro für 10 Stunden. Und die Helden? Kriegen die ein Honorar? Nein – Scherz!

Sehen wir es positiv: Nach vielen Jahren scheint man nun ein Konzept umsetzen zu wollen, für das ich seit vielen Jahren werbe!

Geschüttelt und gerührt kann ich meine Gefühle nur in klassischen Versen ausdrücken – so wie Doktor Faust, welchen die Erinnerungen an bessere Zeiten denn doch vom Suizid abhalten:

„Ein unbegreiflich holdes Sehnen

Trieb mich durch Wald und Wiesen hinzugehn,
Und unter tausend heißen Thränen,
Fühlt’ ich mir eine Welt entstehn.
Dieß Lied verkündete der Jugend muntre Spiele,

Der Frühlingsfeyer freyes Glück;

Erinnrung hält mich nun, mit kindlichem Gefühle,
Vom letzten, ernsten Schritt zurück.
O! tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!
Die Thräne quillt, die Erde hat mich wieder!“

Halleluja!

Quelle: https://www.facebook.com/stefanie.stenzel.75/posts/pfbid022xLbiCqRG4EUiGkY2wVngXBetJiYFhqb7U7WWuTKEpx2SBcYduJjprZWP6TEJMKQl

Illustration: www.tangofish.de

Kommentare

  1. Ein „neues Konzept“? Verzeihen Sie, aber genau das habe ich bereits vor 18 Jahren erprobt – also lange bevor Sie ihre ersten Tango-Zeilen schrieben – samt „Helden“, die bald das Interesse verloren, und samt „Nullen“, die trotz erfahrener Partnerinnen kaum einen geraden Schritt zustande brachten. Das Ergebnis war ernüchternd.
    Und nun wird derselbe alte Hut als „Revolution“ bejubelt – ganz so, als ließe sich durch feierliche Verse aus Goethe die Tanzfläche erobern. Aber glauben Sie mir: Mit Thränen und Himmelsliedern allein lernt niemand Ochos oder Sacadas.
    Auch ich habe Konzepte weit voraus ausprobiert, die Jahre später als „Innovation“ verkauft wurden. Nur habe ich mich nicht mit klassischer Dichtung gesalbt, sondern lieber nüchtern festgestellt: Manchmal ist ein Schritt vorwärts mehr wert als tausend Zeilen Poesie.
    Aber wir sind ja heute etwas weiter als vor 15 Jahren und ich wünsche Steffie Stenzel viel Erfolg, vielleicht macht sie heute mit ihren "Helden" bessere Erfahrungen.
    mit verbindlichen Grüßen
    Klaus Wendel

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ach, Herr Wendel,
      das mit den Frauennamen wird wohl nix mehr, oder? Die Tangolehrerin heißt Stefanie – Kurzform Steffi.
      Okay, Sie haben das Konzept vor 18 Jahren erprobt – wobei Ihre Lernenden kaum einen geraden Schritt zustande brachten. Gut, das werden die gerne hören…
      Ich hab’s ja nicht neu erfunden – vielleicht teilen Sie Ihre fachlichen Erfahrungen mal der Kollegin mit, wird sie sicher interessieren: st@steffitango.de
      Wir haben in Pörnbach durchaus gute Erfahrungen damit gemacht, dass Erfahrene und Anfänger miteinander üben – ohne das Gelaber von „Experten“, dafür aber zu interessanter Musik. Goethe musste dabei niemand zitieren.
      Klar, dass ein „neues“ Konzept auch mal an „Experten“ scheitern könnte, die anderen ständig mit ihrer „Expertise“ auf den Geist gehen, schließen Sie natürlich aus. Ich habe nichts anderes erwartet.
      P.S. Meine ersten "Tangozeilen" schrieb ich um das Jahr 2007.

      Löschen
  2. Natürlich blockieren Sie wieder meinen Kommentar – er hätte Ihr schönes Wolkenkuckucksheim unsanft auf den Boden der Tatsachen befördert. Verständlich, aber gerade deshalb umso armseliger.
    Klaus Wendel

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Leiden Sie an Sehschwäche? Ihr Kommentar findet sich seit 11.43 Uhr auf meinem Blog!

      Löschen
  3. Hallo Gerhard,
    Dieser Punkt interessiert mich doch genauer:
    "Obwohl man zu Tango-Urzeiten in genau dieser Weise geübt hat – Anfänger mit Erfahrenen!"
    Kannst Du diese Aussage mit irgendeiner Quelle belegen? Nach allem, was ich weiß, war es nämlich keineswegs so. Ganz im Gegenteil: Frauen waren rar und umkämpft. Kein guter Tänzer hätte einem Anfänger freiwillig seine Tipps und Tricks verraten und damit die eigene Konkurrenz gestärkt. Sicher: Man tanzte zusammen auf denselben Milongas. Aber da musste sich schon jeder Anfänger selber abschauen, was einen guten Tänzer ausmacht. Erklärt hat ihm das niemand.
    Liebe Grüße,
    Helge

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lieber Helge,
      manchmal beneide ich verstorbene Autoren – die müssen nicht mehr Zitate aus ihrem Gesamtwerk raussuchen.
      Mein Blog hat eine Suchfunktion. Da könntest du es schon mal selber probieren. Wenn ich Zeit habe, werde ich auch mal nachschauen.
      Was ich in den Quellen gefunden habe: Bis in die 1970-er Jahre hat man Tango meist privat gelernt. Die Frauen in ihrer Familie oder mit ihrem Partner, die jungen Burschen haben miteinander geübt und dabei beide Rollen getanzt. Milongas hat man erst besucht, wenn man so viel konnte, dass man sich nicht blamierte. Und klar, man hat sich viel von den guten Tänzern auf den Veranstaltungen abgeschaut.
      Manchen gelang es auch, von einem „Maestro“ als Schüler akzeptiert zu werden.
      Na ja, zu den EdO-Zeiten war es mit dem Frauenmangel nicht mehr so dramatisch. Das bezieht sich eher auf die ganz frühen Tangojahre.
      Tangoschulen gab es zu den „goldenen Zeiten“ jedenfalls keine. Alle mussten sich um ihre Tangoentwicklung selber kümmern. Da gab es keine Kurse, wo man noch den Unbegabtesten einredete, sie könnten Tango lernen.
      Danke und beste Grüße
      Gerhard
      P.S. Vielleicht hilft dir ein Video, das ich einmal besprochen habe: https://milongafuehrer.blogspot.com/2020/07/eine-hommage-die-milongueros.html

      Löschen
    2. Lieber Gerhard,
      danke für den Link!
      Das ist genau das, was ich auch im Kopf hatte:
      „Ich lernte selber tanzen, durch Zuschauen.“
      „Ich lernte mit einem Besen tanzen.“
      Es gab keine Hilfestellung durch die erfahrenen Tänzer.
      Liebe Grüße,
      Helge

      Löschen
    3. Bitte sehr!
      Es ist stets vorteilhaft, Fragen zu stellen, deren Antwort man bereits zu kennen glaubt.

      Löschen
  4. sehr seltsam: vor (ziemlich genau) drei jahren haben sie die dame noch in den himmel gelobt - jetzt unterstellen sie ihr mehr oder weniger, ihr wo auch immer beworbenes "konzept" übernommen zu haben, und verdammen sie nun, weil sie es wagt, damit geld zu verdienen. auch nicht die feine art.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das ist purer Unsinn. Steffi hat mit Sicherheit nicht mein Konzept übernommen. Sie ist eine sehr eigenständige Persönlichkeit, die das absolut nicht nötig hat. Und ich schätze sie aus persönlicher Erfahrung als tolle Tänzerin, die mit viel Empathie auf ihre Gäste zugeht.
      Aber klar, ihre Idee ist uralt. In dieser Weise hat man bis in die 1970er Jahre Tango gelernt: Erfahrene übten mit Anfängern, meist in der Familie oder anderen privaten Gruppen.
      Und ich verdamme niemanden, der (auf legale Weise) Geld verdient. Es stimmt allerdings, dass der Tango nicht zu allen Zeiten derartig kommerzialisiert war wie heute. Das hat nicht nur Vorteile.
      Zu meiner Arbeitsweise gehört, dass ich nicht an fixen Urteilen hänge. Ob ich lobe, kritisiere oder glossiere, hängt vom Einzelfall ab. Niemand hat ein Abo auf immerwährende Zustimmung oder konstante Kritik.
      Ich glaube, genau das macht mein Blog seit über 11 Jahren interessant.

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Hinweis zum Kommentieren:

Bitte geben Sie im Kommentar Ihren vollen (und wahren) Namen an und beziehen Sie sich ausschließlich auf den Inhalt des jeweiligen Artikels. Unterlassen Sie herabsetzende persönliche Angriffe, gegen wen auch immer. Beiträge, welche diesen Vorgaben nicht entsprechen, werden – ohne Löschungsvermerk – nicht hochgeladen.
Sie können mir Ihre Anmerkungen gerne auch per Mail schicken: mamuta-kg(at)web.de – ich stelle sie dann für Sie ein.