Man hat sich getrollt
Allmählich
komme ich ins Grübeln: Seit der heißen Phase der Corona-Krise erreichen mich keine Troll-Kommentare mehr!
Nach
meinen Unterlagen wurde ich vor ziemlich genau vier Wochen (am 24.3.) das letzte Mal belehrt, was ich tun oder
lassen sollte. Seither: Schweigen.
Ich
überlege daher: Was habe ich falsch
gemacht?
Gut,
inzwischen geht das Leseraufkommen
etwas zurück: An spezifischen
Tangothemen herrscht derzeit Mangel – und das Interesse an einem Tanz, der
erst unter einem Meter fünfzig Abstand
interessant wird, nimmt angesichts der Kontaktbeschränkungen ziemlich ab. Zudem
haben die Dinge, welche ich derzeit bespreche, oft mit Tango wenig zu tun.
Dennoch:
Ich wurde schon heftig und ausdauernd beschimpft, als die Zugriffsraten auf mein Blog weit unter denen lagen, welche es momentan aufweist. Woran liegt also Passivität derer, die mich früher immer
wieder moralisch zu verdammen
wünschten?
Sind
sie durch Corona zeitlich mehr belastet
als vorher? Nun, dass sie alle in „systemrelevanten“
Berufen arbeiten, glaube ich eher nicht. Beschäftigungen wie Mediziner,
Pflegekraft oder Lehrer würden ja eine gewisse Grundempathie voraussetzen. Schon gar nicht kann ich mir Blog-Nervensägen denken, die nun
freiwillig Masken nähen oder gar alten Menschen die Einkäufe erledigen.
Eine
starke Triebfeder der Internet-Belästigung ist bekanntlich der Narzissmus. Man möchte bewundert
werden, da man davon überzeugt ist, dass einem Ruhm zustehe. Daher attackiert man Menschen, deren Verdienste
stattdessen gepriesen werden. Na ja, zu denen gehöre ich sicher nicht – momentan schon eher Politiker wie Merkel, Spahn und Söder,
deren Zustimmungswerte im Augenblick durch
die Decke gehen. Liest man viele Äußerungen auf Facebook, so hat man dagegen den
Eindruck, deren Hinrichtung als Volksverräter
stehe kurz bevor. Eine sehr eigene Welt (wahrscheinlich eine Scheibe)!
Dennoch
seltsam, dass man mir nicht mal die grassierenden Verschwörungstheorien als Blog-Kommentare anbietet: Bekanntlich
sind an Corona ja wahlweise die Chinesen, die Pharmaproduzenten, die WHO, Bill
Gates, die Handystrahlung oder die Juden schuld. Ich ließe solchen Schmarren
sogar – so er nicht beleidigend formuliert ist – auf meiner Seite stehen. Die erdrückende Mehrzahl meiner Leser würde es eh nicht glauben.
Schrecklicher Verdacht: Biete ich
für solchen Unsinn einfach nicht das passende
Publikum?
Oder
bewährt es sich nun doch, dass ich Kommentare mit persönlichen Herabsetzungen konsequent lösche? Und keine anonymen
Anmerkungen akzeptiere? Aber das hat die Quengel-Fraktion vor Corona doch
auch nicht abgehalten! Motto: „Sie können
das gerne löschen – ich wollte nur, dass Sie persönlich es mal lesen.“ Hat
man nun den Spielplatz verlegt?
Die
Corona-Spinner sammeln sich derzeit
ja an zwei Fronten mit täglichem
Schlachtgetöse in den „sozialen“ Medien:
Die
einen, so fürchte ich, bildeten im Tango schon immer die Fraktion „Gürtel plus Hosenträger“: Nur strengste Regeln könnten das Chaos auf
dem Parkett verhindern. Erst recht führt jetzt eine reale Gefahr wie die Virus-Seuche beim eher angejahrten Publikum zu Angstpsychosen.
Die nun anlaufenden leichten Lockerungen würden – in der beschworenen „zweiten
Welle“ – ein Massensterben
hervorrufen. Ein Symptom dieser Angststörung
ist das Posten mehrerer Statistiken
täglich.
Das
zweite Heer der Verirrten fühlt sich bereits durch das Tragen von Masken im Supermarkt seiner demokratischen Rechte beraubt. Bekanntlich wurde Corona ja nur als
Anlass missbraucht, hierzulande eine Diktatur
zu errichten! Die momentane Grippewelle der etwas anderen Art sei eben
hinzunehmen – schließlich könne man ja nicht Jahre warten, bis die Stärkeren und Gesünderen sich durchgesetzt hätten. Nach leichter Entvölkerung der Alten- und Pflegeheime
sei die Sache doch ausgestanden! Ein Symptom dieser Verhaltensstörung ist
ebenfalls das Posten mehrerer Statistiken
täglich – nur halt anderer. Oder sogar derselben, nur anders interpretiert.
Auf
jeden Fall – und das eint die beiden
Fraktionen, seien an den momentanen, unhaltbaren Zuständen vor allem die Politiker schuld, die sich als völlig unfähig erwiesen hätten, die Krise zu
meistern. Die Wirtschaft oder
wahlweise die Schwerkranken bewiesen
dies durch ihr Darniederliegen.
Was
mich immer wieder amüsiert: Keine Erwähnung findet, dass die Bürger ja genau
diese Politiker gewählt haben –
schön blöd von ihnen! Aber klar: Alles Opfer der Manipulationen durch Propaganda, Systemmedien oder vielleicht auch
von Flugzeugen versprühter Verdummungsnebel!
Winston Churchill hat einmal gesagt,
das stärkste Argument gegen die Demokratie sei ein viertelstündiges Gespräch
mit einem durchschnittlichen Wähler. Und dabei kannte der noch nicht mal die
Corona-Viren! Ich bin jedenfalls froh, nicht vom statistischen Querschnitt des Facebook-Volkes
regiert zu werden, sondern doch eher von psychisch etwas weniger Auffälligen.
Kann
es sein, dass die Texte auf meinem Blog einfach zu normal erscheinen, um durch Veröffentlichung trolliger Ansichten Honig saugen zu
können? Bin ich unmodern, geradezu
aus der Zeit gefallen?
Vielleicht
liegt das ja auch an meinem Wohnort:
Klar, auf dem Dorf sieht man manches ziemlich eng und konservativ, ist gegenüber hochfliegenden Ideen aus der Großstadt
eher skeptisch. Aber man hilft einander, steht gerade in solchen Zeiten
zusammen. Eine Demo gegen die „Abschaffung
der demokratischen Rechte“ fände in Pörnbach nicht mal die zum Mindestabstand
nötigen zwei Teilnehmer…
Auf dem Dorf bildet Isolation kein so riesiges Schreckgespenst. Ist man gewohnt.
Auf dem Dorf bildet Isolation kein so riesiges Schreckgespenst. Ist man gewohnt.
Dafür
werden derzeit an alle Landkreisbürger Masken
verteilt – natürlich kostenlos. Wir
sind ja nicht im Bioladen! Stattdessen gibt es in Pörnbach eine Gärtnerei. Ob die „bio“ ist, weiß ich
nicht. Aber man kann dort frisches Gemüse kaufen, das schmeckt.
Was
treiben meine Trolle jetzt? Ich
werde die Frage nicht endgültig klären können. Möglicherweise sind sie einfach
aus Angst verstummt. Krisen bewirken
offenbar, dass man sich doch eher mit befürchteten eigenen Schäden befasst als
anderen die Hölle heiß zu machen.
Ich
hoffe nur, sie lassen in der häuslichen
Quarantäne ihre Destrudo nicht
an Lebenspartner oder Familie aus. Jedenfalls nicht mehr als sonst. Wie geht es
einem im nahen Umfeld eines Trolls?
Spielt der dort den Gutmenschen oder
lässt erst recht seine dunklen Triebe
aus? Haben Trolle überhaupt nahestehende Menschen? Ich hoffe: nein.
Vielleicht
verstummt ja in solchen Zeiten so manches drittklassige
Gedöns: Bei mir melden sich keine Trolle
mehr, und die AfD ist in den
Umfragen erstmals wieder einstellig.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen