Tango- und Coronavirus
Bekanntlich
rühmen sich viele von uns, dem „Tangovirus“
verfallen zu sein. Derzeit aber rückt dieses durch einen tatsächlichen Erreger
in den Hintergrund: SARS-CoV-2, volkstümlich auch „Coronavirus“ geheißen.
In einer Tango-Facebook-Gruppe,
aus der Zitieren verboten ist, macht man sich nun bereits ernste
Gedanken, ob man Milongas überhaupt noch besuchen sollte und wenn ja, in
welchem Mindestabstand zum vielleicht infizierten Nächsten.
Doch unsere Szene hat die Panik ja nicht gepachtet: Mundschutz und
Desinfektionsmittel sind bundesweit ausverkauft – und die Supermärkte melden
bereits Hamsterkäufe – vor allem Nudeln, Konserven und Tiefkühlpizza: sehr
gesund…
Manchmal hilft ja ein wenig Statistik gegen Angstzustände. Nach dem Stand von gestern
Abend gab es in Deutschland 54 nachgewiesen durch Corona Infizierte, das sind
bei einer Bevölkerungszahl von 83 Millionen schlappe 0,0006 Promille. Weltweit sind es über 80000. In etwa 80 Prozent der Fälle verläuft die Erkrankung ohne oder mit milden Symptomen. Die Todesrate beträgt 2 Prozent, wahrscheinlich weniger. In Deutschland
starb bislang noch keiner der Patienten.
Das Glück hat man nicht bei jeder Infektionskrankheit:
Bei Hepatitis B sind bei zirka einem Drittel der Weltbevölkerung Antikörper als Zeichen eines
Viruskontakts nachweisbar, bei etwa 350 Millionen ist das Virus als potenzielle IAnsteckungsquelle
präsent. 2019 gab es bei uns ungefähr 6400 nachgewiesene Infektionen; auf Grund von Reihentests
schätzt man, dass 0,5 Prozent der Bevölkerung hierzulande eine akute oder
chronische Hepatitis B haben, also immerhin gut 400000. Letztere kann zu Leberzirrhose oder einem
Leberzellkarzinom führen.
Die Erkrankung ist sehr
ansteckend und kann prinzipiell über alle
Körperflüssigkeiten
übertragen werden – Hauptwege sind Sex sowie intravenöse Drogenabhängigkeit.
Glücklicherweise kann man gegen
Hepatitis A und B impfen – aber bei dem Thema sind viele ja sehr skeptisch…
Oder
gönnen Sie sich doch mal eine echte
Grippe (Influenza)!
Während
einer saisonalen Grippewelle in Deutschland erkranken zwischen zwei und 14
Millionen Menschen an Influenza, bisweilen auch mehr. Die Zahl der Infektionen
während einer Grippewelle – nicht jeder Infizierte erkrankt – wird auf 5 bis 20 Prozent der Bevölkerung
geschätzt, in Deutschland wären das 4 bis
16 Millionen Menschen.
In
der Saison 2017/18 gab es bei uns ca. 25000
geschätzte Influenza-Todesfälle.
Und
man muss sich den Tod ja nicht mal von
außen holen:
Zwei
Drittel der Männer (67 %) und die Hälfte der Frauen (53 %) in Deutschland sind übergewichtig (Body Mass Index höher
als 30). Ein Viertel der Erwachsenen (23 % der Männer und 24 % der Frauen) ist
stark übergewichtig (adipös).
O
je – welche Panik, wenn das mal bekannt werden sollte…
Ich
sehe in der momentanen „Corona-Erregung“ einen großen Vorteil: Vielleicht
beachtet man – zumindest eine Zeitlang – einfachste Hygiene-Regeln. Viele Infektionskrankheiten
dürften dann stark zurückgehen.
Bekanntlich
(?) sollte man sich nicht nur nach dem Klobesuch die Hände gründlich mit Wasser und Seife waschen (Dauer 20 Sekunden,
also zweimal die Länge des Liedchens „Happy Birthday“) – auch die
Fingerzwischenräume – und dann mit einem sauberen (Einmal-) Handtuch gründlich
abtrocknen. Über 99 Prozent aller Bakterien und Viren könnte man so loswerden –
dazu braucht es im Alltag kein Desinfektionsmittel. Und dann vielleicht weniger
als die durchschnittlichen 16 Mal pro Stunde ins Gesicht fassen!
Schätzen Sie: Wieviel Prozent
unserer Bevölkerung verfährt so?
Die
SRH Hochschule Heidelberg hat dies an 1000 Besucher öffentlicher Toiletten
getestet: schlappe 8 Prozent! Das
Grauen im Detail:
„Rund 7 %
verzichteten gänzlich auf das Händewaschen. 27 % wuschen ihre Hände nur mit
Wasser, und rund 58 % benutzten Wasser und Seife, allerdings nicht mit der
erforderlichen Gründlichkeit. Auch zwischen den Geschlechtern bestand ein
bedeutender Unterschied im Händewaschverhalten. Während ca. 11 % der Männer auf
das Reinigungsritual gänzlich verzichteten, sind es bei den Frauen nur 3%. Mit
Wasser und Seife, allerdings ohne Berücksichtigung der Intensität, rückten
immerhin 82% der untersuchten Frauen den Ansteckungskeimen auf den Leib. Bei
den Männern waren es nur 51%. Der Handkontakt mit Männern birgt also ein
höheres Übertragungsrisiko.“
Ich
werde daher auf meine längst geplanten Milonga-Besuche
heute Abend und morgen nicht verzichten. Und im Gegensatz zur traditionellen
Tanzweise ist für mich ja die enge
Umarmung kein Muss.
Statistisch
ist es jedenfalls viel wahrscheinlicher, dass ich bei den Fahrten zum Tango mit
dem Auto verunglücke als mich mit dem Coronavirus zu infizieren: 2,6 Millionen
Verkehrsunfälle mit 400000
Verletzten zählt man in Deutschland jährlich – im Schnitt wird also einer von 200 Einwohnern körperlich
geschädigt. Und es gibt über 3000
Verkehrstote (übrigens derzeit ein Rekord-Tiefststand) – mehr als 8 Menschen sterben also täglich auf den
Straßen.
Da
sollte man doch lieber daheim bleiben,
oder? Schon, aber dann bitte nichts arbeiten – bei Haushaltsunfällen gibt es jährlich fast dreimal so viele Todesopfer
– knapp 10000. Und Vorsicht vor
allem auf der Treppe! Der Klassiker im Tangoalter ist ein Sturz mit Oberschenkelhals-Fraktur.
Bei etwa 400000 stationär
behandelten Stürzen werden jährlich 150000
dieser Brüche diagnostiziert. Sterblichkeitsrate
über 10 Prozent, bleibende
Bewegungseinschränkungen mehr als 20
Prozent.
Das
sind die wahren Risiken!
Mit
Ende Sechzig bin ich jedenfalls dankbar und optimistisch – habe ich doch in
meinem relativ langen Leben schon etliche Katastrophen
überlebt: BSE, EHEC, Vogel- und Schweinegrippe, Waldsterben, Tschernobyl, Ozonlöcher,
Impfungen und schlechte Tangos. Daher bin ich überzeugt, dereinst an etwas sehr
Banalem zu versterben und nicht an einem exotischen Virus.
Lieber Gehard,
AntwortenLöschenmich darfst du immer zitieren, aus welcher Facebook-Gruppe auch immer.
Vielen Dank!
LöschenWäre schön, dies auch einmal in der entsprechenden Gruppe kundzutun.
Tanzen mit ausreichendem Abstand bei der Gelegenheit mal aus ganz neuer Perspektive:
AntwortenLöschenhttps://vimeo.com/148302471
Oder doch besser ganz eng, dann kann man dem Partner über die Schulter niesen! ;-)
LöschenNiesen in den Oberarm / Elbogen wird empfohlen. Könnte manche Partnerinnen beim Tango auch ohne zusätzlich Kopfbewegung ...
LöschenOffenbar ist man in der FB-Gruppe der „Konstruktiv-kollegialen Tangogesprächler“ zwar der Ansicht, ich dürfe zwar nichts aus der Gruppe zitieren – im Gegenzug allerdings sei es durchaus statthaft, dort kräftig über mich herzuziehen. Folgenden „Trialog“ zu meinem Artikel veröffentliche ich daher:
AntwortenLöschenJoost Rot: „Apropos Gerhard Riedl zieht (mal wieder) unsere Diskussion durch den Kakao und vergleicht Äpfel- mit Birnenrisiken.“
Friedhelm Markus: „Unerträglich verbalexhibitionistisch und unseriös!“
Stefanie Ecke: „Oft finde ich Herrn Riedls Posts durchaus lesenswert, aber dieser Eintrag ist für mich nur polemischer "die-Realität-richtet-sich-nach-meinen-Vorstellungen-und-schlauer-als-das-RKI-bin-ich-auch-noch!-Quatsch". Da ist jemandem wohl ein Apfel auf die Birne gefallen...?
Aber letztlich ist das auch egal, reden hilft nicht gegen Viren und gegen Meinungen älterer Herren sind sie ohnehin immun. Ganz anders als im umgekehrten Fall...“
Ich stelle fest: Nur pauschale Verunglimpfungen meines Textes ohne jedes Eingehen auf die Sachdarstellung. Und die besteht vor allem darin, dass ich ausschließlich Statistiken aus seriösen Quellen zitiert habe.
Und da vor allem Joost Rot, seines Zeichen offenbar Mediziner, nun in der angesprochenen FB-Gruppe ausführlich mit seinem Fachwissen brilliert:
Äpfel und Birnen sind beides Kernobstgewächse aus der Familie der Rosaceen. Vergleiche zwischen beiden sind daher durchaus sinnvoll.
Ansonsten fehlt dem Herrn anscheinend etwas, das ich allerdings bei vielen Ärzten vermisse: Patienten zu beruhigen anstatt sie in Panik zu versetzen. Um einen alten Medizinerspruch zu zitieren: Ein Arzt, der keinen ordentlichen Placebo-Effekt hinbekommt, sollte Pathologe werden.
Neben vielen Sachinformationen enthält mein Text vor allem den (durchaus witzig formulierten) Appell, die einzelnen Lebensrisiken nach ihrer Bedeutung und nicht ihrer Aktualität zu beurteilen.
Dazu noch ein Satz, der angeblich aus China (!) stammt: „Die Ankunft eines Komödianten in einem Dorf ist für die Gesundheit der Einwohner wichtiger als die von zehn Ärzten“.
Und da ja auch zart auf meine Lebenserwartung angespielt wurde: Doch, ich beabsichtige, noch viele meiner Kritiker zu überleben...