Liebes Tagebuch… 58
Aktuell
lese ich wieder einmal Klagen über Störungen des ordnungsgemäßen Ablaufs der Blinzel-Aufforderei
im Tango:
Da
gebe es doch tatsächlich Pflichtvergessene,
welche sich bereits während der Cortina
um einen Tanzpartner bemühten – noch ohne zu wissen, welches Orchester der DJ
in der Folge drannehme. So ginge es ja nun gar nicht! Man könne schließlich
nicht mit einer Tänzerin auf dem Parkett unterwegs sein, welche zwar
nachweislich auf D’Arienzo, nicht jedoch auf Di Sarli tanzen könne – oder komme
dann gar ein Vals oder (horribile dictu) eine Milonga?
Und
bis der anständige Tänzer auch nur den ersten Glubscher tun könne, seien die besten Damen weg! Soda und Gonorrhoe!
Dass
diejenigen, welche sich da während des Vorhang-Gedudels schon auf der
Tanzfläche versammelten, den Linientreuen
eben jene dringend benötigte Glotz-Linie
versperrten, komme noch hinzu. Das reine Tohuwabohu
– da fehlt eben ein richtiger Führer, der im Tango endlich mal aufräumt und für
Zucht und Ordnung sorgt! (Der „Milonga-Führer“ dürfte da nicht gemeint sein…)
Da
fiel mir eine Geschichte ein, die ich kürzlich in unserer Lokalzeitung las:
Porträtiert
wird ein Ehepaar, welches Ende
letzten Jahres seine „Eichen-Hochzeit“
feierte – es heiratete vor 80 Jahren!
Sie ist inzwischen 98 Jahre alt –
und ihr Mann 105!
Kennengelernt
haben sie sich in einem Café, das
die Jubilarin mit ihren Eltern besuchte. Da es sonst keine freien Plätze mehr
gab, setzte sich der Zukünftige, seines Zeichens Luftwaffen-Pilot, mit einem „Gestatten, die Herrschaften“ zu der
Familie – natürlich an die Seite der jungen Dame.
Offenbar
gab es in dem Lokal Tanzmusik, was
der junge Mann umgehend dazu nützte, die Tochter aufzufordern. Ihre Entgegnung: Sie sei erst 16 und habe noch keinen
Tanzkurs. Darauf er – und diesen Satz sollten solche Tangotänzer wie die oben
beschriebenen hundert Mal abschreiben müssen:
„Mit
mir hat noch jede Dame tanzen können.“
Und
das wohl zu verschiedenen Tänzen –
wie halt die Kapellen damals spielten…
Ich
fürchte, solche Männer werden heute gerade im Tango immer seltener! Offenbar
war der Tanz aber durchaus zufriedenstellend: Zwei Jahre später wurde die Ehe
geschlossen.
Die
Hochzeit fiel Ende 1939 nicht gerade
üppig aus: Die Nahrungsmittel waren schon knapp, und der Bräutigam bekam für
die Trauung gerade mal eine Stunde dienstfrei. Die Hochzeitsnacht verbrachte er
bei der Flugbereitschaft in der Kaserne.
Obwohl
der Flieger über Russland abgeschossen wurde, überstand er den Krieg lebend und
konnte den gemeinsamen Sohn kennenlernen.
Das
Geheimnis einer so langen Ehe? Da fällt den beiden nichts
Besonderes ein: An einem Strick müsse man halt ziehen, tolerant sein und viel
miteinander reden. Den wichtigsten Satz, so der Jubilar, habe er seiner Braut
schon zur Hochzeit übermittelt: „Geschieden
wird nicht.“
Welch
ein Schicksal! Ich hätte den beiden
gerne mal die obige Cortina-Cabeceo-Geschichte
erzählt… ob sie das Problem überhaupt verstanden hätten? Wenn ja, wären sie
wohl in herzliches Gelächter ausgebrochen.
Ob
sie damals im Café auch einen Tango
getanzt haben? Wahrscheinlich ist es, wie ich von meinem Vater weiß, der etwa
zur selben Zeit heiratete. Diese Musik, die man auf heutigen Milongas nicht
auflegen darf, war damals ja schwer in Mode.
Quelle: Donau Kurier vom 4.2.20, S. 11
Kommentare
Kommentar veröffentlichen