Die zehn dümmsten Fragen…
… die mir beim Tango
gestellt werden
Ich
weiß ziemlich wenig über die Leute, die ich beim Tango treffe – und finde das
ganz gut so. Meine Mitmenschen haben doch ein Privatleben, welches sie vielleicht
nicht bei Tanzveranstaltungen ausbreiten wollen. Daher frage ich nicht nach.
Sicherlich verbinden einen mit ganz wenigen Tanzenden Freundschaften. Dann
tauscht man sich auch außerhalb der Milongas aus.
Im
Bedarfsfall kann man mir ja freiwillig etwas erzählen – und selbst dann wäre
ich oft dankbar, von Details verschont zu bleiben, vor allem, wenn gerade Musik
erklingt, zu der ich unbedingt tanzen möchte. Außerdem habe ich ein sehr
schlechtes Namensgedächtnis. Daher frage ich Tänzerinnen meist nicht nach ihrem
Vornamen – ich hätte ihn in fünf Minuten wieder vergessen. Und der weibliche
Vorzug, Frisur, Haarfarbe, Makeup und sogar Schlimmeres zu verändern, sorgt
zusätzlich für meine Orientierungslosigkeit. Ich erkenne die Damen dann erst an
ihrem Tanzstil wieder – und dann ist es öfters zu spät…
Das
alles hindert aber manche nicht, mir auf Milongas mit Fragen zu kommen, bei
denen es mir schwer fällt, gelassen zu bleiben. Insbesondere muss stets mein
aktueller Beziehungs- und Begleitungsstatus upgedatet werden. Dem Klassiker
habe ich früher schon einen Artikel gewidmet:
Aber
es gibt auch andere Erkundigungen auf gleichem Niveau. Meine zehn Lieblingsfragen habe ich daher zu
einer Hitliste zusammengestellt,
wobei fürs Ranking das Produkt aus Häufigkeit und Debilitäts-Faktor maßgeblich
war:
1. Wo ist denn die Karin?
Immer
noch der zeitlose Klassiker, wenn ich mal allein (oder in anderer Begleitung)
zum Tanzen erscheine. Dass meine Gemahlin viele Musiktermine hat, ist offenbar
weiterhin ein gut gehütetes Geheimnis. Manchmal parkt sie auch nur den Wagen,
wofür sie halt deutlich begabter ist als ich. Also getrost, vielleicht kommt
sie noch!
Wenn
ich allein einparke, wird mir diese Frage gelegentlich sogar schon beim Aussteigen aus dem
Auto gestellt. Erst recht beim Betreten des Tanzlokals – neulich acht Mal in
handgestoppten 15 Minuten!
Daher,
liebe Tangofreunde: Wenn sich unser Beziehungsstatus ändern sollte, weil ich
mich mit Karin verkracht habe oder wir uns trennen wollen, werde ich das sofort
hier auf dem Blog veröffentlichen. Bis dahin bitte ich von Nachfragen
abzusehen!
2. Bist du heute allein?
Dies
stellt die noch geistreichere Variante von Frage 1 dar. Als Antwort blicke ich
mich manchmal um und meine dann: „Ich
glaube nicht!“
Bislang
waren noch auf jeder Milonga andere Personen anwesend, zumindest der
Veranstalter sowie der DJ. Logischerweise würde aber bereits der Fragesteller
reichen, um die Erkundigung ad absurdum zu führen. Wäre ich allein, könnte er diesen
Satz nicht äußern. Schade!
Übrigens
verpufft Ironie in solchen Fällen völlig wirkungslos – und hindert den Nächsten
(und insbesondere die Nächste) nicht daran, mir mit derselben Anfrage zu
kommen. Und nein – auch wenn ich es sehr bedaure, wenn Karin mal wieder nicht
mitkommen kann: Allein fühle ich mich dennoch nicht. Dafür sorgt schon die
Wissbegier in der Tangoszene!
3. Wie lange braucht Ihr denn zur Fahrt hierher?
Gerne
auch in der Variante erhältlich, wie viele Kilometer es denn von unserem
Wohnort aus seien. Blöd, wenn ich wieder mal vergessen habe, bei der Abfahrt
den Kilometerzähler auf Null zu stellen oder auf die Uhr zu schauen! Dann bin
ich auf Schätzungen angewiesen.
Hier
ist mir das Motiv der Anfrage besonders schleierhaft. Will man uns auf dem
Heimweg begleiten? Uns bedauern? Oder möchte man sich darüber freuen, dass der eigene Weg
kürzer ist?
Liebe
Mittänzer: Unsere Anschrift findet sich im Impressum, und Google Maps liefert
in Sekundenschnelle die gewünschten Auskünfte, und zwar viel präziser, als ich
sie geben könnte!
4. Ist das eure Tochter?
Da
ich manchmal mit mehr als einer Tanguera zum Tango erscheine, sind unsere
Beziehungen zu den restlichen weiblichen Geschöpfen ein steter Quell des Interesses. Insbesondere
eine Dame gerät dabei öfters in den Verdacht naher verwandtschaftlicher
Beziehungen.
Ich
darf als gelernter Biologe versichern: Unsere diesbezügliche Rolle als Erzeuger ist schon auf
den ersten Blick mehr als fraglich – Körpergröße, Statur, Gesichtszüge, Haar-
und Augenfarbe sprechen dagegen. Ansonsten hätte sich Gregor Mendel mit seinen
Erbsen gewaltig verzählt!
Allenfalls
käme Adoption in Frage. Wer allerdings mein Blog gelegentlich aufruft, sollte
über die Identitäten der Damen informiert sein. Auch hier gilt daher: Meine
Leser wissen mehr!
5. Wie lange tanzt du schon?
Mir
unbekannte Anfängerinnen kommen selten ohne diese Frage aus. Warum eigentlich?
Suchen sie den Frust, wenn ich wahrheitsgemäß antworten müsste: „Seit über 50 Jahren, davon 20 Jahre Tango.“
Oder sind sie dann eher beruhigt, dass sie es noch nicht gut können?
Selten
dürfte sich dabei die Einsicht bilden: Wie lange jemand tanzt, sagt über seine
Fähigkeiten nicht halb so viel aus, wie man gemeinhin vermutet!
6. Macht ihr noch eure Wohnzimmer-Milonga?
Das
Seltsame an der eigentlich harmlosen Frage: Sie wird ausschließlich von Leuten
gestellt, die noch nie bei uns waren – deren Interesse an unserer Veranstaltung
sich daher in Grenzen halten dürfte.
Warum
will man dann wissen, ob wir immer noch in Pörnbach tanzen? Kann man es nicht
glauben, dass sich eine solche Milonga nach wie vor gegen weitaus größere
Konkurrenz behauptet? Fände man es beruhigend, wenn wir endlich aufgeben
würden, die Tangoszene mit abartiger Musik zu beglücken? Fragen über Fragen…
7. Du hast angeblich ein Buch über den Tango geschrieben. Stimmt
das?
Doch,
ja: Die Erstausgabe erschien 2010. Aber Zeit scheint in der Tangoszene ein
dehnbarer Begriff zu sein. Bekanntlich tanzen viele ja immer noch ausschließlich
zu einer 80 Jahre alten Musik. Nur nichts überstürzen!
Übrigens
gilt auch hier: Wenn ich die Frage bejahe, ist das Interesse meist versiegt. So
gut wie nie erlebe ich es, dass es dann heißt: „Worum geht es denn in dem Buch?“ oder „Ja toll, kann ich das bei dir bestellen?“ Gott bewahre! Man hat
einen Zusatzpunkt in seiner Faktenhuber-Sammlung. Das reicht.
8. Zauberst du eigentlich immer noch?
Exakt
so lautet der Text in fast allen Fällen – wohlgemerkt nicht etwa: „Was macht deine Zauberei?“ oder
ähnliche Formulierungen. Irgendwie werde ich daher den Verdacht nicht los, dass
man eigentlich findet: Es reicht doch schon längst! Muss der sich in seinem
Alter wirklich noch auf der Bühne produzieren?
Vielleicht
sollte ich in Zukunft antworten: „Wie
kommst du nur darauf? Du siehst doch, wie ich mich hier mit dem Rollator mühsam
übers Parkett quäle. Nein, mit dem Zaubern habe ich schon vor Jahren aufgehört –
auch deshalb, weil ich mir keine Texte mehr merken kann. Wie war gleich nochmal
die Frage?“
9. Ich glaube, du magst ja lieber die traditionelle Musik?
So
wahr ich hier schreibe: Auch diese Frage wurde mir schon gelegentlich gestellt. Welche
Anhaltspunkte zu dieser verwegenen Vermutung führen, ist mir schleierhaft.
Vielleicht, weil ich mich selten in Contango-Manier übers Parkett wälze?
Na
gut – ich habe über meinen Musikgeschmack ja erst eine dreistellige Zahl von Texten
verfasst. Und die Ronda, in welche ich mich einfüge, muss noch erfunden werden.
Aber vielleicht geht man wegen meines Greisenalters einfach davon aus, dass der
historische Tango mein artgerechtes Biotop sein müsse. Sollte es wohl auch…
10. Machst
du auch Kurse bei… ?
Nein,
lieber Fragesteller, das kann ich mit meinem schlechten Ruf nicht vereinbaren –
bin ich doch, wie Kollege Cassiel immer wieder feststellt, ein „hartnäckig Lernresistenter“!
Schon
vor vielen Jahren habe ich mich daher entschlossen, bei meinen relativ schnellen,
komplizierten und raumgreifenden Tanzbewegungen zu bleiben und mich gegen die
Höherentwicklung zu einspurigem Gehatsche zu sperren. Deshalb will ja auch
keine mit mir tanzen…
Fazit:
Ich hänge keineswegs der Illusion an, dass sich durch diesen Artikel an Zahl
und Art der Anfragen auch nur das Geringste ändern wird. Aber es hat mir Spaß
gemacht, es einmal beschrieben zu haben.
Aber nicht böse sein: Es gibt bekanntlich keine dummen Fragen – lediglich solche Antworten. Und glücklicherweise stellt man mir auch öfters meine Lieblingsfrage:
„Möchtest du tanzen?"
P.S.
So, nun soll den Text vor Veröffentlichung noch meine Lektorin durchsehen!
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