Das Krokodil und sein Wächter


Der Blogger-Kollege Thomas Kröter hat mir nun einen eigenen Artikel gewidmet:

Den Autor trieb es nach eigenem Bekunden dazu, weil einige Menschen, die er kenne und schätze, „in den Mörser der Pörnbacher Polemik geraten“ seien. Da möge er sich „nicht länger raushalten und schweigend schmunzeln: Ach, wie putzig X oder Y da satirisch zermalmt wird…“

Große Worte, gelassen ausgesprochen!
Ich erlaube mir, dies gänzlich anders zu sehen: Stein des Anstoßes war für mich, dass ich es wagte, argentinische(!) Feministinnen zu zitieren. Einige Personen aus dem Facebook-Umfeld (nicht unbedingt dem persönlichen) Kröters haben sich daraufhin eine Serie von Sprüchen geleistet, die sich aus meiner Sicht zwischen Macho-Gehabe und pubertärem Gebelfer bewegten. Nachdem das nicht aufhörte, ja sogar schlimmer wurde, bin ich in mehreren Artikeln darauf eingegangen. Eine zusammenfassende Darstellung und Wertung findet man hier:

Thomas Kröter hat von Anfang an viele meiner Artikel verlinkt, wofür ich natürlich sehr dankbar bin. In letzter Zeit jedoch sammeln sich auf seinen Seiten verstärkt Leute, die über mich ablästern. Ich erlaube mir halt, über die Gründe nachzudenken.

Ob meiner Kritik, so Kröter, tue sich zwischen uns „eine immer größere Distanz auf“.
Na ja – so richtig kuschelig war es mit uns beiden nie: Bereits mein erstes Tangobuch fand nicht seine Gnade, und im Laufe der Jahre gab er sich immer wieder Mühe, mich mit Stoiber-, Haferlschuh- und Trachtenjanker-Metaphorik als einfach gestricktes Landei „hinter den sieben Bergen“ zu charakterisieren – natürlich unfähig, bei der Berliner Tango-Hochkultur mitzuhalten. Und erst kürzlich musste er dann noch das ausgelutschte Oberlehrer-Klischee bestätigen. Unter „Honeymoon“ stelle ich mir schon etwas anderes vor.

Den Muppet-Balkon mag er nun nicht mehr mit mir teilen. Okay, spätestens seit Neil Simons „Sunny Boys“ wissen wir um die Entfremdung alternder Komiker, die sich auch vorher nicht besonders grün waren…

Mich betrübt das nicht. Thomas Kröter war für mich stets ein intelligenter, in der Materie äußerst versierter und vor allem fairer Gesprächspartner, mit dem man vortrefflich über den Inhalt streiten kann – gelegentliche persönliche Ironien und Sticheleien gerne zugestanden. Wenn es vorwiegend um die Sache geht, darf die Wortwahl schon auch mal gröber ausfallen.

Und bei dem vorliegenden Artikel hat er sich richtig Mühe gegeben (was er auf seinem Blog leider nicht immer tut): Der Text ist hervorragend geschrieben, was ich auch als persönliche Wertschätzung verstehe.

Das Bild des afrikanischen Krokodilwächters (Pluvianus aegyptius) ist ein genialer Einfall: Eine Vogelart, welche angeblich davon lebt, Krokodilen Speisereste zwischen den Zähnen herauszupolken:

„Ähnlich ernährt sich der bayerische Blogger von den Rede- und Verhaltensweisen, die er real wie digial  in der Tango-Szene findet. Der entscheidende Unterschied: Die Alligatoren schätzen die Pickvögel. Im Gegensatz zu seinem fernen ägyptischen Verwandten pflegt der Bayer seine Mahlzeiten jedoch nicht schweigend zu genießen. Er veröffentlicht die Menue-Folge in seinem Blog ‚Gerhards Tangoreport‘ (…) und verschweigt nicht, wie sie ihm mundet.“

Bereits hier muss ich aber angewidert Einspruch erheben. Igitt, den Dreck, den ich in solchen Mäulern finde, schlucke ich doch nicht – im Gegenteil: Ich spucke ihn aus, und so landet er gelegentlich auf meinem Blog.

Kollegen Kröter ist mit diesem Bild allerdings (vielleicht unbewusst) eine glitzernde Satire gelungen! Von Gesamtgröße und vor allem Ausmaß der Klappe her sind die Kräfteverhältnisse zwischen meinen Gegnern und mir extrem unterschiedlich (wobei ich vielleicht den spitzeren Schnabel besitze). Allerdings stellen Krokodile selbst innerhalb der Reptilien eine relativ primitive Gruppe dar. Um einen alten Pazifisten-Spruch abzuwandeln: zu viel Panzer, zu wenig Hirn.

Den zweibeinigen Gang oder gar das Fliegen beherrschen die Handtaschen-Lieferanten nicht, mehr als im Trüben fischen ist nicht drin. Weiter kamen erst die Dinosaurier, und aus einzelnen Entwicklungslinien von ihnen entstanden schließlich die Vögel mit einer viel günstigeren Relation von Gehirn- und Gesamtgewicht. Auch in der musikalischen Begabung der beiden Tiergruppen ist der Unterschied unüberhörbar.

Das Schönste aber: Wahrscheinlich ist die Geschichte nur eine Legende – und mit denen werde ich ja auch gerne belegt:

„Gerhard R. hat in seinem Blog ein ziemlich schlichtes, aber umso wirkmächtigeres Prinzip entwickelt und perfektioniert. Mit einem Bild aus der Welt des Boxens: Er schlägt präzise knapp über die Gürtellinie. Dorthin, wo es wehtut. Auf diese Weise provoziert er Menschen, die weniger cool und kampferprobt sind,  zu Regelverletzungen. Postwendend und mit Unschuldsmiene prangert er dann deren Unfairness an. (…) Gern inszeniert er sich auch darüber hinaus als Opfer und beklagt, wie sehr er von seinen Gegnern bedroht und verfolgt werde.“

Um mit Herbert Wehner (auch so einer mit deutlicher Wortwahl) zu sprechen: Das ist nicht nur Quatsch, sondern quätscher.

Man unterschlägt schon einmal, dass viele meiner Texte nicht die Spur von konfrontativ sind. Vor langer Zeit habe ich das einmal dokumentiert (und inzwischen würde die Statistik wohl noch positiver ausfallen):

Und beim Rest nenne ich in der Regel keine realen Namen – und wenn: Klar, manchmal haue ich schon kräftig zu – aber, wie Kröter ja auch zugibt – regelkonform. Wenn ich dann in der Folge Tiefschläge einstecken muss, wäre ich sehr froh um einen neutralen Ringrichter, der meinen Kontrahenten verwarnt. Doch den gibt es im Internet nicht.

Mir daraus die Strategie anzudichten, meine Gegner absichtlich zu Regelverletzungen zu provozieren, um sie hinterher ins Unrecht setzen zu können, ist schon ziemlich dreist. Ich wäre in den letzten knapp zehn Jahren oft sehr froh gewesen, wenn andere den unfair Kämpfenden Grenzen gesetzt hätten. Stattdessen lief es meist so wie in einem meiner Lieblingswitze:

In den Südstaaten hat ein Weißer einen schwarzen Fußgänger überfahren. Der Sheriff muss notgedrungen den Autofahrer befragen: „Wieviel hatte der Nigger denn drauf, als er Sie rammte?“

Auch Thomas Kröter mag sich da lieber die „Unverbindlichkeit bewahren“, eine „Linie“ will er vermeiden: „Ich möchte auch weiter Menschen mögen, deren Meinung samt der Art, sie zu äußern, ich nicht teile (vorsichtig formuliert). Diese Differenz mag ich mit ihnen lieber außerhalb der Öffentlichkeit besprechen.“ Na, da wünsch ick viel Vajnügen, wa? Was mich lediglich interessieren würde: In welcher Sprache?

Hier scheiden sich tatsächlich unsere Geister: Menschen, welche ihre Meinung in einer persönlich verletzenden Art äußern, ohne sich mit den Inhalten abzugeben, kann ich (bis zur Grenze des Strafrechts) tolerieren. Mögen werde ich sie nicht.

„Alle doof außer Gerhard (und ein paar seiner Freunde)?“ Das kann natürlich jeder sehen, wie er will. Ich sage dazu nur eins: Wenn ich mich stundenlang mit einem Text abmühe, verpflichtet das niemand, ihn zu lesen. Und wenn er es doch tut, darf er dazu auch einen Anderthalb-Zeilen-Spruch heraushauen. Ich werde mich allerdings nicht mit ihm abgeben – da vermisse ich entweder Respekt oder Intelligenz (oder beides).

Thomas Kröter ist da anders: Er setzt sich umfassend und differenziert mit meinen Artikeln auseinander. Und garniert sein Opus sogar noch mit Beispielen aus meiner Lieblings-Tangomusik. Dafür ein herzlicher Dank – und eine kleine Anregung:

Wie wäre es denn, wenn im Tango – auch bei unterschiedlichen Sichtweisen – alle so miteinander umgingen wie wir beide? Ich kann mir Schlimmeres vorstellen – egal, wer nun Krokodil oder Wächter spielt.

komische Vögel (Foto: www.tangofish.de)

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