Stiftung Tangotest: Schnöselmilongas
Als Schnösel (im 19.
Jahrhundert vermutlich zum Wortbereich Schnodder, schnäuzen im Sinne von
„Rotznase“ gebildet) wird umgangssprachlich ein (junger) arroganter Mensch, ein
dummfrecher Bursche, bezeichnet. Als eingebildet und eitel, dabei aber
übersättigt und gleichgültig wird dieser Typus beschrieben.
https://de.wikipedia.org/wiki/Schn%C3%B6sel Vorab muss ich gestehen: Dieser wunderschöne Begriff für gewisse Tangoveranstaltungen stammt nicht von mir, ich las ihn neulich in einer Leser-Mail.
Für
Tangoneulinge könnte eine nähere
Einordnung anhand einfacher Merkmale
hilfreich sein. Gerade Frauen neigen ja zur Ansicht, es würde an ihrem Alter,
ihrem Aussehen, ihren Tanzkünsten, ihrem Outfit, ja überhaupt an ihnen liegen,
wenn sie auf einer Tangoveranstaltung weder beachtet noch gar betanzt werden.
Da
sich dieses Blog Tango-Lebenshilfe
zur Aufgabe gemacht hat, können Sie, liebe Damen,
jetzt durch Ausfüllen des nachfolgenden Fragebogens den „Schnösel-Index“ (SI) von Milongas einfach bestimmen. Wichtig:
Bereits vor dem Besuch durchlesen,
damit Sie auf die entscheidenden Details achten können!
Bitte
wählen Sie bei den einzelnen Themen jeweils die eine Antwort, welche die Situation am besten beschreibt. Los
geht’s:
Beurteilen
Sie die Qualität der Garderobe!
·
Es gab keine, jeder
musste seinen Kram mit in den Tanzsaal nehmen. (5 P.)
·
im Flur ein völlig
zugehängter Garderobenständer (4 P.)
·
winziger Raum, total
überfüllt (3 P.)
·
Garderobe mit
Kleiderbügeln – leider war keiner mehr frei. (2 P.)
·
Kleiderständer mit
freien Bügeln (1 P.)
·
mehrere Stühle zum
Schuhwechsel (0 P.)
Die
Situation an Kasse und Bar?
·
muffeliges,
unfreundliches Abkassieren (5 P.)
·
Getränke musste man
sich selbst besorgen, keinerlei Informationen hierzu (4 P.)
·
Kassen-Mitarbeiter
wünscht wenigstens einen schönen Abend (3 P.)
·
Informationen, wo es
Getränke gibt; längere Wartezeiten durch überfordertes Personal (2 P.)
·
Organisator selbst
erklärt den Bezug von Flüssigem und sonstige Gepflogenheiten, hilft bei Problemen
(1 P.)
·
Getränke werden am
Tisch serviert (0 P.)
Wie war
der Kontakt mit dem Veranstalter?
·
Welcher Veranstalter?
(5 P.)
·
Er lief mehrfach
grußlos an mir vorbei. (4 P.)
·
als Gruß freundliches
Nicken auf Distanz (3 P.)
·
persönliche Begrüßung
per Handschlag und/oder Küsschen (2 P.)
·
kurzes Gespräch (1
P.)
·
Tanzaufforderung (0
P.)
Konnten
Sie Unterschiede in der Begrüßung verschiedener Gäste beobachten?
·
nein, gleichmäßige
Freundlichkeit allen gegenüber (0 P.)
·
Anhand der
abgestuften Zuwendung konnten „wichtige Gäste“ von den anderen unterschieden
werden. (3 P.)
·
gesamtes Spektrum
zwischen Ignorieren, Basis-Nettigkeit und euphorischen Tobsuchtsanfällen mit
Herzen, Küssen und lautem Gegacker (5 P.)
Beurteilen
Sie die Aktivitäten des DJs!
·
Der Computer stand
die meiste Zeit herrenlos herum und nudelte ein vorbereitetes Programm ab. (5
P.)
·
Der DJ saß fast die
ganze Zeit festgenagelt hinter seiner Anlage und vertrieb sich die Zeit mit
Essen und Smartphone-Gedaddel. (4 P.)
·
Mehrere Stühle am
DJ-Pult, meist besetzt mit Verehrerinnen („DJ-Schnepfen“) (3 P.)
·
Der DJ achtete
sichtlich aufs Musikprogramm, tanzte aber nicht. (2 P.)
·
Der DJ tanzte nur mit
seiner Partnerin (1 P.)
·
Der DJ tanzte mit
mehreren Partnerinnen (0 P.)
Schätzen
Sie den Prozentsatz tangomäßig aufgebrezelter Weibchen (modische Kleidchen,
auffallende Highheels)!
·
über 90 Prozent (5
P.)
·
über 70 Prozent (4
P.)
·
über 50 Prozent (3
P.)
·
über 30 Prozent (2
P.)
·
über 10 Prozent (1
P.)
·
unter 10 Prozent (0 P.)
Beziffern
Sie den Prozentsatz von Männern in „Tanguero-Verkleidung“ (Schlag- oder
Satinhosen, zweifarbige, weiße oder rote Schuhe):
·
über 90 (5 P.)
·
über 70 (4 P.)
·
über 50 (3 P.)
·
über 30 (2 P.)
·
über 10 (1 P.)
·
unter 10 (0 P.)
Konnten
Sie kleine, ältere, drahtig wirkende Männer mit hohen Absätzen und Glatze beobachten?
·
ja (5 P.)
·
nein (0 P.)
Waren
gleichgeschlechtliche Paare auf dem Parkett?
·
Ja, man sah reine
Frauen- und auch Männerpaare. (0 P.)
·
ja, aber nur
Frauenpaare (1 P.)
·
nein (5 P.)
Beurteilen
Sie die durchschnittliche Altersverteilung in den Paaren!
·
Tendenzmäßig waren
die Männer jünger. (0 P.)
·
Die Tanzenden im Paar waren etwa gleich alt. (1 P.)
·
Die Männer waren weniger
als 10 Jahre älter. (2 P.)
·
Die Männer waren weniger
als 15 Jahre älter. (3 P.)
·
Die Männer waren mehr
als 15 Jahre älter. (4 P.)
·
Wegen der
unverkennbaren Arbeiten von Schönheitschirurgen war keine Beurteilung möglich.
(5 P.)
In
welcher Weise wurde aufgefordert?
·
ausschließlich mit
Cabeceo (4 P.)
·
überwiegend mit
Cabeceo (3 P.)
·
mit Cabeceo und
verbal zirka halbe-halbe (2 P.)
·
überwiegend verbal (1
P.)
·
Auch Frauen forderten
verbal auf. (0 P.)
·
Keine Beurteilung
möglich, da weitgehend nur feste Paare miteinander tanzten. (5 P.)
Konnten
Sie „Harems“ beobachten (ein bis drei hochrangige Männer plus einer größeren
Zahl zugehöriger Damen?)
·
ja, mehrere (5 P.)
·
ja, einen (3 P.)
·
nein (0 P.)
Wurde
innerhalb fester Gruppen aufgefordert oder eher „kreuz und que(e)r“?
·
Fast nur feste Paare
tanzten miteinander. (5 P.)
·
Das Auffordern bezog
sich nur auf Gruppenmitglieder. (4 P.)
·
Das Auffordern beschränkte
sich weitgehend auf Gruppenmitglieder. (3 P.)
·
Im Lauf des Abends
kam es vereinzelt auch zu „Fremdtänzen“. (2 P.)
·
Auch mit
Nicht-Gruppenmitgliedern wurde häufig getanzt. (1 P.)
·
keinerlei
Gruppenzwänge zu beobachten (0 P.)
Schätzen
Sie den Anteil der Frauen ab, welche mehr als eine Stunde tanzlos herumsaßen!
·
gar keine (0 P.)
·
unter 5 Prozent (1
P.)
·
unter 10 Prozent (3
P.)
·
mehr als 10 Prozent
(5 P.)
Traten
so genannte „spät erscheinende Tangogrößen“ auf (Eintreffen mehr als 2 Stunden
nach Beginn, kaum Sozialkontakte, höchstens 1 ritueller Pflichttanz mit der
Partnerin)?
·
nein (0 P.)
·
ja, ein Exemplar (3
P.)
·
ja, mehr als ein
Exemplar (5 P.)
Auswertung
0 Punkte: SI (Schnösel-Index)
null
Ich
fürchte, Sie sind bei der Beantwortung der Fragen nicht ganz ehrlich. Oder
waren Sie schon einmal in Pörnbach tanzen? Dann dürfen Sie wiederkommen!
1-15 Punkte: SI sehr gering
Gratulation!
Dann sind sie auf eine Milonga geraten, die im heutigen Tango großen
Seltenheitswert hat. Wetten, sie lag eher am Stadtrand oder auf dem flachen Land
und hatte vergleichsweise wenig Besucher? Unbedingt wieder hingehen,
weiterempfehlen und dafür sorgen, dass die Veranstaltung überlebt! Ach ja: Und
den Veranstalter bzw. DJ hemmungslos loben – das stärkt deren Durchhaltewillen.
16-30 Punkte: SI eher niedrig
Auch
von diesen Veranstaltungen gibt es heute nicht mehr viele. Daher sollten Sie
kleine Störfaktoren nicht überbewerten – niemand ist perfekt. Auf jeden Fall
wiederkommen!
31-45 Punkte: mittlerer Schnösel-Index
Licht
und Schatten liegen hier dicht nebeneinander. Immerhin ist es aber dort nicht
ganz so schlimm wie auf der Mehrzahl der Tangoveranstaltungen. Wirken Sie
selber auf eine Verbesserung des Sozialverhaltens hin! Dazu gibt es von der
Gesprächsanbahnung bis zum Auffordern von Mauerblümchen (beiderlei Geschlechts)
viele Möglichkeiten. Also, nur Mut!
46-60 Punkte: hoher Schnösel-Index
Leider
sind Sie auf eine durchschnittliche Milonga geraten, was heute nichts Gutes
bedeutet. Ob Sie nochmal hingehen sollten, liegt an Ihrem Leidensvermögen und
dem Umstand, ob Sie ein guter Tanzpartner begleitet. Alleine und noch dazu als
Frau sollten Sie sich diese Milonga sparen!
61-74 Punkte: sehr hoher
Schnösel-Index
Mein
guter Rat: Verzichten Sie auf solche „Jahrmärkte der Eitelkeit“ – es sei denn,
Sie sind ein begeisterter Leser von Yellow Press-Erzeugnissen und daher schon
damit zufriedenzustellen, die Berühmten und Schönen zu bewundern. Das Tanzen
selber sollte ihnen jedoch ziemlich egal sein!
75 Punkte: ultimativer Schnösel-Index
Ich
hatte Ihnen doch abgeraten, in Berlin oder München tanzen zu gehen! Aber wenn
Sie alles besser wissen…
Lieber Herr Riedel, ich habe unseren Schnösel-Index gar nicht ausgerechnet, aber es ist immer wieder eine Freude, ihre Determinanten für verschiedene Tango-Bestandteile zu lesen, damit man wenigstens ab und zu mal wieder eine Rückmeldung bekommt, dass man nicht alleine ist auf dieser Welt. Bitte weiter so und allzeit gute Tangos....wünscht Raimund für Arrabal Tango e.V. und Tangofusion Pforzheim.....(wir sind der Vorort vom Vorort der Pampa-Milonga..)........ :-)
AntwortenLöschenLieber Raimund Wessinger,
Löschenherzlichen Dank für die Ermutigung - schön zu sehen, dass es einigen hierzulande noch um die Vielfalt im Tango geht!
Schöne Grüße
Gerhard Riedl