Satire – einfach erklärt
Satire ist eine Kunstform, mit der Personen, Ereignisse oder
Zustände kritisiert, verspottet oder angeprangert werden. Typische Stilmittel
der Satire sind die Übertreibung als Überhöhung oder die Untertreibung als
bewusste Bagatellisierung bis ins Lächerliche oder Absurde. Üblicherweise ist
Satire eine Kritik von unten (Bürgerempfinden) gegen oben (Repräsentanz der
Macht) vorzugsweise in den Feldern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder
Kultur.
Der
schillernde Begriff der Satire ist
häufig Gegenstand kritischer Kommentare
zu meinen Artikeln. Die Standardreaktion
dabei besteht darin, meinen Texten den Satire-Status
abzusprechen. Eine kleine Auswahl aus den letzten Tagen:
„Für mich ist dieser
Artikel keine Satire, sondern eine Sammlung an Statistiken“
„reinster Unsinn und
schon gar keine Satire“
„Manche haben es
sicher verdient, jedoch ein so ernstes Thema zum Anlass zu nehmen, um die
eigene satirische Ader zu befriedigen, finde ich mit Verlaub auch eines
Satirikers ihres Schlages unwürdig. (…)
Deshalb finde ich
Ihren satirischen Geltungsdrang diesmal reichlich überflüssig, oder möchten Sie
sich in Reihe derjenigen einreihen, die alles ins Lächerliche ziehen müssen“
„Soll das allen
Ernstes Satire sein?“ (9.3.20, gelöscht)
Vielleicht
sollte man sich an das Diktum meines alten
Deutschlehrers halten, welches dieser uns immer wieder einschärfte:
„Was
verlangt das Thema von mir?“
Zunächst
einmal: den (Unter)titel meines Blogs zur Kenntnis zu nehmen!
„Gerhard
Riedls garantiert unanonymes Blog zum Tango argentino“
Garantiert
ist also ein Blogger, welcher unter realem Namen auftritt und dies
grundsätzlich auch von den Kommentatoren
verlangt. Und es geht um unseren Tanz (in
seltenen Fällen auch mal nicht – siehe Label „Off Topic“).
Satire dagegen wird nicht versprochen. Klar, sie ist – in unterschiedlichen Quantitäten –
häufig dabei, aber bei Weitem nicht immer. Auch hier empfiehlt sich ein Blick
auf die Themenbereiche (Labels auf der Startseite links): So
wird man in den 68 Playlists höchstens
Spuren von Satire finden, ebenso bei Themen wie „Rezensionen“ oder „Tango
Texte“ – wäre auch seltsam…
Kann
man Satire definieren? Wikipedia
schreibt dazu:
„Es gibt annähernd so
viele Bestimmungen der satirischen Schreibweise, wie es Satiriker gibt, und
keine Bestimmung trifft auf die Gesamtheit der Satiren zu.“
Im
schon zitierten Artikel werden jedoch einige rhetorische Figuren genannt:
·
Hyperbel (Übertreibung)
·
Bathos (übermäßige
Kontrastierung von Widersprüchen und Wertvorstellungen)
·
Antiphrasis (Verzerrung von
Sachverhalten, übertriebener Vergleich mit Idealzustand)
Zu
ihren Stilmitteln gehören
·
Parodie (verzerrende, übertreibende
oder verspottende Nachahmung eines Werks, eines Genres oder einer Person bzw.
Gruppe in deren wiedererkennbarem Stil)
·
Travestie (der Inhalt eines
Werks oder eines Mythos wird beibehalten, aber in eine unangemessene
sprachliche Form gebracht)
·
Persiflage (geistreiche,
nachahmende und oft auch kritische Verspottung eines Genres, eines künstlerischen
Werks oder einer bestimmten Geisteshaltung allgemein)
Bereits
hier erkennt man die Überschneidungen!
Die
Satire verwendet
·
Ironie (Behauptungen, die
der wahren Einstellung oder Überzeugung nicht entsprechen, diese jedoch für ein
bestimmtes Publikum ganz oder teilweise durchscheinen lässt)
·
Spott (macht sich absichtsvoll
lustig über einen Menschen, eine bestimmte Gruppe oder deren tatsächliche oder
vermeintliche Werte)
·
Sarkasmus (beißender, bitterer Spott
und Hohn, oft in Form der Satire oder – verschärft – der Polemik angewandte
Form der Kritik an gesellschaftlichen Gegebenheiten unterschiedlicher Art)
·
Pathos (emotionale,
theatralische und tendenziell übertriebene Form der Artikulation)
(Wer’s nicht glaubt: Einfach die
Wikipedia-Definitionen abrufen!)
Wie
man sieht: Diese Kunstform hat riesige
Optionen!
Die
Behauptung, etwas sei keine Satire,
ist also von vorherein ziemlich waghalsig.
Bestenfalls erscheint es dem jeweiligen Betrachter so – vorsichtshalber sollte
man also wenigstens schreiben: „nach meiner Ansicht“. Aber für viele Kommentatoren, welche mir
den Satirestatus absprechen, ist dies wohl eine ungewohnte Einschränkung: Was
sie persönlich meinen, hat für sie
stets Allgemeingültigkeit.
Sehr
häufig ist dies vergesellschaftet mit einem anderen Argument, welches ich auch schon dutzendfach lesen durfte:
„Leider hast auch Du
das Problem nicht wirklich begriffen“ (9.3.20, gelöscht)
Die
Logik dahinter ist sehr simpel: Da
der Schreiber natürlich objektiv recht
hat, kann eine andere Meinung nur darauf beruhen, dass man seine Aussagen nicht kapiert hat (gerne verbunden mit
Anspielungen zur mangelnden Intelligenz des anderen). Sieht man es dann immer
noch nicht ein, kommt als Nächstes die Steigerung: Man wolle es bösartigerweise nicht
verstehen.
Auch
das eigene Unvermögen, über einen Text lachen zu können (oder zu wollen), wird gerne als Beweis dafür verwendet,
es könne sich daher nicht um Satire handeln. Notorisch wird dabei diese
Kunstform mit Witz, Komik oder gar Humor verwechselt.
Nun
kommen diese Sparten in der Satire durchaus vor, aber mit einer völlig anderen Absicht. Während sie für sich
allein das Publikum schlicht unterhalten und
zum Lachen bringen wollen, bilden
sie für den Satiriker den Zuckerguss um
die bittere Pille: Der Lacher muss dazu den Mund öffnen – und schon hat er
die schlimmen Themen geschluckt! Umgekehrt wird also eher ein Schuh daraus: Einen
Artikel nicht lustig zu finden
erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um Satire handelt!
Der
Satiriker jedenfalls meint es sehr ernst:
Er rennt gegen Verhältnisse an, die er für schlimm
oder gar skandalös hält. Der
Vorwurf, er dürfe ein „so ernstes Thema“
nicht ins Lächerliche ziehen, geht für ihn also in Leere – im Gegenteil, grade
drum!
Die
Akzeptanz der Satire hat sich heute
sehr verändert. Klar, schon im Mittelalter hatte der Hofnarr gewisse Freiheitsgrade – so lange er seine Kritik
geistreich und witzig verpackte, mochte das gutgehen. Fiel er den Herrschenden
allerdings zu sehr auf die Nerven, wurde er schon mal einen Kopf kürzer
gemacht.
Bis
zum Ende des deutschen Kaiserreiches
war die Satire für bürgerliche und
bessere Kreise weitgehend negativ
konnotiert, und nach einer kurzen Blütezeit in der Weimarer Republik kamen die braunen
Herren, die darüber überhaupt nicht lachen konnten. Von „Zersetzung“ des Nationalgefühls, der
Wehrkraft und anderen „heiligen Gütern“
war die Rede. Und über so „ernste Themen“
dürfe man bekanntlich nicht spotten. Dass gerade in diesem Bereich sehr viele jüdische Autoren und Kabarettisten tätig waren, erleichterte
die Argumentation. Speziell für diese wurde es in der Folge bitterernst…
In der Restaurationsphase der neuen Bundesrepublik hatte es diese Kunst
ebenfalls nicht leicht. Gerne wurde auch vor Gericht darüber gestritten, ob künstlerische
Leistungen auf diesem Gebiet nicht doch als Beleidigung, Unsittlichkeit oder gar Gotteslästerung zu werten seien. Glücklicherweise schob die sehr
liberale Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes
dem so manchen Riegel vor.
Das
Blatt wendete sich allmählich in den Sechzigern
– beispielhaft hier die Satirezeitschrift
„pardon“, die 1962 herauskam – und sich trotz vieler Kontroversen bis 1982
hielt. Allein von Franz Josef Strauß
wurde das Magazin 18 Mal verklagt –
in keinem einzigen Fall mit Erfolg.
https://de.wikipedia.org/wiki/Pardon_(Zeitschrift)
https://de.wikipedia.org/wiki/Pardon_(Zeitschrift)
Schweren
Herzen entschlossen sich dann auch die bürgerlichen Kreise, sich mit dieser
Kunstform abzufinden. Es galt zunehmend als schick, im Kabarett über
unfähige Politiker und reaktionäre Dumpfbacken abzulachen. Selbst Machthaber
wie Helmut Kohl sollen ja ihre
Wertschätzung für Kurt Tucholsky zum
Ausdruck gebracht haben – was Kabarettisten natürlich zu der Vermutung anregte,
es müsse einen zweiten Autor dieses Namens geben…
Freilich:
Dort, wo man sich von Satire auch persönlich
angegriffen wähnt (oder individuelle heilige Güter), wird sie oft weiterhin scharf abgelehnt. Nur muss man
natürlich die Argumentation ändern.
Hieß
es also früher: „Das grenzt ja an Satire!“ (sprich: unbotmäßige Frechheit), so
erschallt heute aus dem Maul des röhrenden Hirsches überm Wohnzimmersofa: „Ich
habe ja nichts gegen Satire, aber…“
Sprich:
Wenn diese Kunst einen Kopf wäscht,
auf den man selber gerne einschlagen
würde, ist sie toll – geht sie allerdings ans eigene Eingemachte, wird ihr attestiert, keine zu sein.
Dazu
gehört auch: Der Satiriker habe sich alle
verbalen Ausfälle gefallen zu lassen, da er es ja selber nicht besser treibe:
„Gute Satiriker
halten Gegenwind locker aus.“
„Nur Gerhard Riedl
darf hier Satiren schreiben. Ach gut. Der Herr verträgt nicht nur keine Kritik,
sondern auch keine Konkurrenz :-)“ (16.3.20, gelöscht)
Dazu
darf ich festhalten: Ich überlege mir bei jedem Artikel sehr genau, in welcher Schärfe ich schreibe. Richtet sich
meine Kritik gegen reale Personen,
vermeide ich harte Formulierungen.
Ich wäre sehr dankbar dafür, wenn es auch umgekehrt so wäre: Nichts sagen, was
man nicht auch Aug in Auge äußern würde.
Am
schönsten missverstanden hat dies vor längerer Zeit ein Kommentator, der kritisch
anfragte, warum ich mein Blog als „unanonym“
bezeichne. Ich würde ja meist die Angegriffenen nicht namentlich nennen.
Bumtä,
bumtä!
Kein
Zweifel: Gerade diese Zeit schreit nach Satire…
Für
Eilige hier der Text:
lol :-)
AntwortenLöschenAm besten ist die Satire dann,
Wenn der Autor sie erklären kann.
LG, Hans Schmeisser
Leider falsch:
LöschenWitze und erst recht Satire sollte man nicht erklären müssen.
Aber ich versuche halt, ein möglichst weites Leser-Spektrum anzusprechen.
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