Was mir alles nicht in’s Haus kommt
Ich
wusste es natürlich schon längere Zeit, wollte aber nichts verraten: Unsere
Pörnbacher „Wohnzimmer-Milonga“ hat nun das erhalten, was einige sicherlich als
„Adelsschlag“ sehen werden – einen Artikel in der Zeitschrift „Tangodanza“.
Im
aktuellen Heft 3/2018 (S. 78) berichtet Thomas
Wanner über uns unter dem recht pfiffigen Titel: „EdO kommt mir nicht in’s Haus“.
Das
Satirische daran ist natürlich, dass es nicht wirklich stimmt: Klar erklingen
im Riedlschen Wohnzimmer gelegentlich Aufnahmen, die aus den Zeiten vor 1955 stammen: Gerade bei Walzern
bietet der moderne Tango ja nicht gerade eine riesige Auswahl – und der
Schwung, den die alten Orchester – wie das von Pedro Laurenz – aufs Parkett zaubern, ist gelegentlich
unverzichtbar. Niemand interpretiert Tangos und Milongas so pointiert und
ironisch gefärbt wie Tita Merello.
Und eine Runde mit Fresedo-Schnulzen
gegen Ende der Milonga schafft erfahrungsgemäß eine ganz besondere Stimmung.
Als
ich ab 2007 für einige Zeit regelmäßig auflegte, machten die EdO-Orchester die Hälfte des Programms aus. Nur kam es
halt in der Folge immer mehr dazu, dass auf vielen Milongas rein traditionelle
Playlists Einzug hielten – nicht selten Endlos-Wiederholungsschleifen aus der
200 Titel-Repertoirekiste. Als wir vor über drei Jahren unsere
Wohnzimmer-Milonga starteten, überließ ich daher die Klänge aus der „Papageien-Abteilung“
meinen werten Kollegen und spielte immer mehr das, was damals fast völlig
ignoriert wurde: Interpretationen klassischer
Titel durch moderne Musikgruppen.
Inzwischen
scheint sich in dieser Hinsicht das Blatt ja allmählich zu wenden, was mich
natürlich sehr freut. Aber es vergeht kaum eine Woche, in der ich nicht ein zeitgenössisches
Tangoensemble entdecke, das mir bislang völlig unbekannt war. Die Auswahl und das stilistische Spektrum sind riesig – und man muss nicht immer nur
Coverbands auflegen, die versuchen, die Machart der alten Orchester lediglich
zu kopieren. Neue Zeiten bringen andere
Interpretationsweisen mit sich – und das finde ich höchst spannend.
Zudem
halte ich es für jammerschade, dass man auf der „alternativen“ Seite offenbar
meint, die Beschallung von „Neolongas“ dürfe nun aber in keinem Fall etwas mit
Tango zu tun haben. Deshalb könnte die Überschrift eines Artikels über die
Pörnbacher Milonga mit dem gleichen Recht lauten: „Lounge-Gedudel kommt mir nicht in’s Haus“. Was durchaus
einschließt, dass ich auch „Non Tangos“
auflege: Wenn solche Stücke die tänzerische Stimmung fördern und vor allem
musikalisch nicht total einfältig sind, können sie – in maßvoller Dosis –
belebend wirken.
Allerdings
möchte ich anregen, das modische und attraktive Etikett „Tango“ nicht auf jeden Käse zu pappen, welcher mit der genialen
Musik vom Rio de la Plata nun wirklich nicht das Geringste zu tun hat!
„Bleiben wir doch zu
Hause – aber nicht auf dem Sofa, sondern dem heimischen Parkett! Legen wir dort
die Musik auf, die uns gefällt, schaffen wir expertenfreie Zonen, wo wir noch
tanzen dürfen, wie es uns passt!“ – so zitiert Thomas Wanner aus einem früheren
Blogbeitrag von mir. Das ist tatsächlich unser entscheidendes Anliegen.
Gerade
wieder durfte ich auf einem Facebook-Forum eine längliche Diskussion darüber lesen,
ob es „international üblich“ sei, Tandas aus drei oder doch vier Valses zu
spielen – mit fast 40 Wortmeldungen! Ebenfalls in dieser Woche erreichte mich der
Kommentar eines DJ, welcher in einer neulich von mir veröffentlichten Playlist
zahlreiche Musikzusammenstellungen monierte. Diese Sorgen möchte ich nicht haben.
Ich
fürchte, es gerät immer mehr außer Sicht, dass es vor allem um die Musikauswahl geht, die Kombination zu Tanzrunden rangiert für
mich erst an zweiter Stelle. Wenn ich ein Stück höre, das mir gefällt, tanze
ich dazu – und auf das nächste im schlimmsten Fall nicht. Meist aber freue ich
mich über Abwechslung – da darf es hintereinander durchaus mal Tango, Vals und
Milonga sein. Schließlich spielt die Band bei einem Ball auch nicht drei Rumbas am Stück. Aber offenbar muss man im heutigen Tango alles zu Tode regeln…
Apropos:
„Bei uns darf jeder rumspinnen, wie er
will“, so zitiert Thomas Wanner mich in seinem Artikel. „Wir tun das ja auch, und wem’s gefällt, der kommt wieder.“ Und
ja, dies trotz einer Tanzfläche von knapp 20 Quadratmetern (bei schönem
Wetter kommt noch die Terrasse hinzu). Fallweise sind es bis zu 20 Personen,
die sich bei uns tummeln – und das ohne heftige Kollisionen oder gar
Verletzungen – sowie ohne jegliche Verbote größerer Aktionen. Dies führt
natürlich das ganze Getue ad absurdum, was man hierzulande um die „Parkettdisziplin“ macht. Wer’s kann
und Vorsicht übt, kriegt alles hin.
Klar
ist die Musik bei uns ziemlich anspruchsvoll. Klagen hierzu habe ich
nie vernommen – im Gegenteil. Was ich jedoch jedes Mal feststelle: Sie fördert
die tänzerische Qualität, eben weil sie zur Improvisation herausfordert. Und
gut – der Menschentyp, der zur defensiven Paralyse neigt, wird sich bei uns
nicht anmelden…
Gibt
es also in Pörnbach keine Regeln,
wie man aus dem Artikel ableiten könnte? Doch: Ein Mindestmaß an sozialer Kompetenz setzen wir voraus.
Wer die ganze Zeit nur mit seinem Partner tanzt oder gar Körbe verteilt, den
würden wir nicht mehr einladen. Erst recht nicht Gäste, die sich arrogant oder
elitär verhalten. Aber die erscheinen in der Regel nicht – dafür bietet unsere
Veranstaltung schlicht zu wenig „Untertanen“. Doch solche Leute kämen mir gleichfalls
nicht in’s Haus…
Abschließend
möchte ich noch eins betonen: Die Initiative
für den Artikel ging nicht von uns aus. Wir sind bisher mit Zuspruch und
Zulauf mehr als zufrieden. Leider können wir manchmal Anmeldungen wegen „Überfüllung“
nicht annehmen – die unangenehmste Tätigkeit für den Veranstalter. Und
dankenswerterweise hat es die „Tangodanza“
abgelehnt, einen Link auf diesen
Blog zu setzen, was ich sehr gut verstehen kann: Dessen „Auflage“ ist höher als
die der Zeitschrift. Da mag man die Konkurrenz nicht noch anfüttern…
Thomas Wanner hat mir übrigens
Änderungen am Text zugestanden. Selbstverständlich habe ich davon keinen Gebrauch
gemacht. Wir benötigen ja keine Werbung – und ich schätze die Eigenständigkeit von
Autoren. Daher bleibt mir nur, Thomas für die schönen Artikel zu danken,
welcher genau das Maß an Ironie enthält, welches ich bei Texten so liebe.
Gott
sei Dank spielt unsere Dorfmilonga wegen ihrer geringen Größe in der
Tangobranche keinerlei wirtschaftliche Rolle. Daher können wir weiterhin unser
Alleinstellungsmerkmal pflegen, den „Kleinbonum-Status“:
Einige abgedrehte „Gallier“ tanzen nach eigenem Gusto ums Lagerfeuer – und missliebige
DJs würden wir wie Troubadix gefesselt in den Baum hängen.
Herzlichen Dank für das Video an Alessandra und Peter Seitz!
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