Ein Gastbeitrag aus Wien
Mein treuer Leser Ernst Kopica aus Wien hat mir
dankenswerterweise einen Gastbeitrag zur Verfügung gestellt. Tangomäßig
bezeichnet er sich in aller Bescheidenheit als „fortgeschrittenen Anfänger“ –
allerdings hat er von Musik mehr Ahnung als die meisten von uns: In der ernsten Sparte (insbesondere der Oper)
ist er ein ausgewiesener Experte und schreibt viel beachtete Rezensionen:
Weiterhin ist der
studierte Geograf journalistisch im Pferdesport
tätig – und auch da gibt es ja durchaus Parallelen zum Tango…
In seinem Artikel
beschreibt er ein Tangowochenende in seiner Heimatstadt; der Text macht
durchaus Lust auf einen Besuch in der österreichischen Hauptstadt:
Summer in the City - A bissl was
geht immer!
Es
gibt Berufenere als mich über die Tangoszene
in Wien zu berichten. Dennoch versuche ich einmal aus der Sicht eines
ambitionierten Anfängers / Leichtfortgeschrittenen, ein wunderschönes Open-Air-Wochenende Revue passieren zu
lassen. Inspiriert von der Facebook-Gruppe „Was
Sie schon immer über Tango wissen wollten...“, die sich an Rookies und
Neulinge im Tango Argentino wendet, bat mich Gerhard Riedl, der obige
Facebook-Gruppe moderiert, um einen Beitrag für seinen Blog. Und ich muss
sagen, bei diesen Selbstreflexionen schnitt die Tangolandschaft meiner
Heimatstadt verdammt gut ab.
Die
in der oben erwähnten FB-Group geführte Diskussion über Aufforderung per Mirada und Cabeceo war bei meinen allerersten
Milongabesuchen nie ein Thema. So wie ich es – mit einer einigermaßen guten
Kinderstube ausgestattet – gewohnt war, forderte ich die Damen auf – mit Worten
und ohne, no problems at all! Auch über die musikalische Auswahl möchte ich mich nicht alterieren, obwohl es
mir nie bunt genug sein kann. Thema dieses Beitrags soll ein
Frühjahrswochenende sein, für das Konstantin
Weckers Hit „Wenn der Sommer nicht
mehr weit ist“ Pate gestanden haben könnte. Herrliche hochsommerliche Temperaturen
und das tolle Outdoor-Angebot Wiens ergaben so ein cooles Tangoweekend!
Am
Freitag suche ich als erstes eine neue Location
an der Donau auf, wo von Isi Osmani
seine Milonga organisiert wird: In einem türkischen Restaurant mit ganz feinem Essen
und Shisha-Bar, auf der Dachterrasse die Tanzfläche. Der Hausherr mixt
Klassiker mit Nuevos und Non-Tangos, der Boden wird vor dem Abend verlegt, und
Freundin Elisabeth kümmert sich ums perfekte Rundherum mit Knabbereien und
Candlelight. Da fühlt man sich richtig wohl! Der Blick auf die Skyline der
Unocity und auf die Donau mit den vorbeifahrenden Schiffen, ankernden
Flussdampfern ist wohl einzigartig. Und als dann „Sound of Silence“ von Disturbed
interpretiert wird, ja, was will man eigentlich noch mehr!
Samstag
dann Treffpunkt Burggarten: Eine Milonga
mitten im touristischen Wien. DJ Martin
(der hier abwechselnd mit DJ Susi
veranstaltet) in ähnlich herrlichem Mix aus Tradition, Nuevo und Non-Tango wie
am Vorabend! Relaxing-Atmosphäre – vorbeibummelnde Leute bleiben stehen und
applaudieren nach so manchem Tango.
Bis
vor einigen Wochen war ich noch quasi „geschützt“ unterwegs, also mit einer
„fixen“ Tanzpartnerin, sozusagen für alle Fälle. Nunmehr sorgt ein gesteigertes
Selbstvertrauen für Solo-Abende wie an diesem Wochenende. Ich probiere, lasse
mich auf mein jeweiliges Vis-à-vis ein, manchmal klappt es gut, dann wieder
weniger.
Immer
mehr Freiheiten nehme ich mir heraus, da kommt der Satz, den ich so gar nicht
mag: „Was hätte ich jetzt tanzen sollen?“
Meine Standardantwort darauf seit kurzem: „Diese
Frage gibt es bei mir nicht, du machst schon alles richtig!“ Die Musik wird
immer anspruchsvoller, Pugliese, vertrackt und herrlich von Rhythmus her. Da
passiert es! Was mit einem einfachen Rückwärts-Ocho begann, endet in einem
Kuddelmuddel, das die Dame mit einem genialen Schieber auflöst! Wir sehen uns
an – und lachen. Und sie sagt: „A bissl
was geht immer!“ Ja, der Monaco-Franze-Spruch
passt auch heute noch beim Tango.
Wer
es noch unkonventioneller haben möchte, geht wie ich am Sonntag zur XPT-Crossover-Milonga in den
Volksgarten nahe der Hofburg. Nur ein paar hundert Meter vom Burggarten
entfernt locken hier ein überdachter Pavillon und die DJ’s Alessandra und Peter mit ungewöhnlicher Tangokost, auf die man sich
aber einlassen muss. An diesem Abend ist es noch früh, und ich sitze mit einem jungen
Tiroler am Tisch, die Damenwelt ist bei dieser Hitze offensichtlich noch im
Strandbad. Wir unterhalten uns über alle Generationengrenzen hinweg prächtig,
er meint dann, warum wollen wir nicht mitsammen
tanzen. Hab ich noch nie gemacht! Aber warum nicht, er meint, dass er als
Follower keine Probleme habe. Es ist echt witzig, wenngleich die Führungsimpulse
meinerseits etwas „brachialer“ zu erfolgen haben, aber am Ende hat’s echt Spaß
gemacht. Ich brauch sowas nicht jeden Tag, aber die Erfahrung war es wert.
Drei
Abende unter freiem Himmel en suite als Newcomer, ich kann es nur empfehlen!
Der Ordnung halber weise ich auch auf die anderen Outdoor-Gelegenheiten Wiens ebenfalls
hin: Montags die „Latinanza-Quasi-Open-Air“
im Straßenbahnerbad an der Alten Donau – Candlelightstimmung direkt am Ufer inklusive,
am Mittwoch „Estrella Fugaz“ auf
einem Holzsteg (!) ohne Geländer, ebenfalls an der Alten Donau genau gegenüber –
sehr puristisch und abenteuerlich, am Freitag Germanos Open Air beim Brunnenmarkt und am Sonntag Aialas Milonga am Karlsplatz. Freiluftfreunde kommen in den
Sommermonaten also auf ihre Rechnung.
Für
Wien-Besucher gibt es ein ideales Instrument, sich einen Überblick über ALLE Milongas,
aber auch über Kurse und Practicas zu verschaffen, nämlich der Tangokalender
auf der Homepage www.tango-vienna.com. Mit einem kleinen
Schönheitsfehler: Die Veranstaltungen der durchaus besuchenswerten „Galeria Ideal“ sind hier nicht
angeführt, als Grund wurden mir von alteingesessenen Tangueros Meinungsdifferenzen
der handelnden Personen genannt. Also, wenn man nach Wien fährt, also auch hier
einen Blick reinwerfen: www.galeria-ideal.at.
Herzlichen Dank dem
Autor für dieses Stimmungsbild.
Offenbar alles Friede
und Freude im Wiener Tango – wie schön!
Vielleicht bewährt
sich hier doch das Motto der Habsburger
Heiratspolitik:
„Bella gerant alii, tu felix Austria nube.
Nam quae Mars aliis, dat tibi diva Venus.“
„Kriege mögen andere
führen, du glückliches Österreich heirate.
Denn was den anderen
Mars, gibt dir die Göttin Venus.“
... ja, der Ernst der kann's und ist bekannt als ganz fleißiger Miloguero.
AntwortenLöschenUnd für alle, die auch optisch sehen wollen, was die Outdoor Szene in Wien so hergibt, hier mein Beitrag:
http://www.tango-blog.at/der-tangosommer-in-wien
Immerhin gibt es aktuell wöchentlich 7 - 8 Outdoor/Pavillon Milongas hier in Wien!
Saludos
Vielen Dank für den Hinweis und schöne Grüße nach Wien!
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