Der Semmelkrieg
Gerade erhielt ich
von meiner lieben Frau einen Text, den ich ausgezeichnet finde. Ich bin sehr
froh, dass sie mir erlaubt, ihn als Gastbeitrag zu verwenden.
Da der Artikel für
sich spricht, möchte ich keine weiteren Worte verlieren. Vielleicht nur eines:
Man sollte vorher meinen letzten Beitrag gelesen haben.
Hier nun Karin Law Robinson-Riedl:
Der Semmelkrieg
Lieber
Inhalt,
du
tust mir so leid!
Die
Menschen kapieren dich entweder gar nicht oder stürzen sich nur auf Teile von
dir, die sie zu verstehen glauben oder – verstehen wollen.
Sie
machen dich zu einer undifferenzierten Teigmasse, aus der jeder seine Brötchen
backt, um mit ihnen die anderen Bäcker zu bewerfen.
Einige
Bäcker bilden Fraktionen, weil sie erkannt haben, dass es einfacher ist, immer
die gleichen Brötchen zu backen. Wenn du mal in so einer drin bist, wird es schwierig,
wieder rauszukommen, auch wenn es dir manchmal vielleicht dämmert, dass die
anderen auch keine schlechten Brötchen haben oder dass sogar mal ein besonders
gelungenes dabei ist. Das sagst du aber besser nicht, sonst gibt’s Ärger, und
du willst ja nicht aus der Reihe tanzen.
Brötchen
der gegnerischen Semmelmannschaft, auf dem eigenen Terrain gelandet, werden
gierig untersucht.
Und
dann bloß schnell das Fazit:
Dieses
Exemplar KANN a priori schon mal nix Gutes sein, weil es von der Gegenseite
kommt und nur wir ja bekanntlich wissen, wie richtige Brötchen gehen.
Das
Fremd-Brötchen ist eine reine Provokation, aber darauf fallen wir doch nicht
rein!
Aber:
Die Teigmasse ist
unserer verdammt ähnlich.
Au
weia! Solche Gedankenblitze ersticken wir lieber gleich im Keim, könnten Ärger
geben – und es kann nicht sein, was nicht sein darf!
Also:
Suchen
wir lieber nach etwas Ergiebigem, das die Gegner-Bäcker als nichtsnutzige
Fälscher und Zerstörer entlarvt.
Daher:
Nehmen
wir doch die Werfer der Semmel selbst!
Das
ist einfacher als komplizierte Analysen von Substanzen, und ein bisschen
Psychologie kann heute schließlich jeder.
Vor
einer Beurteilung über uns brauchen wir uns nicht zu fürchten.
Denn:
Viele
von uns halten schlauerweise im Kampf meist ihre Schilde vor sich, wie die
Athene, zusätzlich bewehrt mit dem Haupt der Medusa, damit die anderen noch
mehr Angst kriegen und uns vor allem nicht erkennen.
Aber:
Wir haben zum Glück
gesehen, wer die Semmel geworfen
hat! Und der ist uns doch schon öfters aufgefallen.
Jetzt
geht’s los, ad personam, pfeif‘ auf die Semmelinhalte:
Dass
er ungeschützt auftritt, daran kann man gleich schon seine Naivität ablesen.
Taugt der überhaupt zum Bäcker?
Die
gegnerische Semmel entstammt seiner Überproduktion, denn dieser Bäcker hat sich
ja überhaupt nicht mehr im Griff!
Er
stellt falsche Semmeln her, weil, wie wir natürlich genau wissen, er nichts vom
authentischen Handwerk versteht. Davon verstehen ja nur wir etwas.
Angeblich
hat er auch ein „Buch“ über die Bäckerei geschrieben – kann man das überhaupt
so nennen?! Wir haben dieses Machwerk selbstverständlich nicht oder nur in
kleinen Teilen gelesen, alles andere wäre schon zu viel der Wertschätzung für
die Bemerkungen dieses Außenseiters.
Er
hat geschrieben und schreibt, weil er gelesen werden will – was für eine
absurde Logik! In Wirklichkeit ist er nur scharf auf’s große Geld. Können
Semmeln von so jemand was taugen?
Welcher
wahre Bäcker verlangt schon Geld für seine Backwaren?
Außerdem
sucht er Beachtung. Das tut doch sonst keiner, und wir schon gar nicht! Wenn
wir Hochglanzfotos von uns posten, dann doch nur, um zu zeigen, wie die wahre Semmel
geht.
Dafür
können wir das Verhalten unseres Gegner-Bäckers leicht erklären, basierend auf
unserem angeborenen Blick für psychologische Feinheiten, die stets zutreffen:
Natürlich
haben seine Eltern ihn nie ernst genommen, und er ist ja in den
Nachkriegsjahren aufgewachsen, wo man anfangs nur ziemlich simpel gebacken hat,
wenn überhaupt. So hat er also ein vererbtes Kriegstrauma und ein unterentwickeltes
Selbstwertgefühl.
Das
muss er kompensieren, indem er andere über das Brötchenbacken belehrt und ihnen
seine Semmeln zumutet.
Solche
feinen psychologischen Zusammenhänge kennt doch heute jeder!
Und da er sich halt das Ganze, aufgrund seiner fehlenden Einsichten in das wahre
Backen, nur selber angelernt und ausgedacht hat, disqualifiziert es und er sich
von vorneherein.
Lieber
Inhalt,
jetzt
siehst du, wie weit es gekommen ist. Du bist so komplex und interessant, aber die
Menschen ertragen es nicht, mit deinen Widersprüchen zu leben, dich gespannt,
mit Wohlwollen zu kneten und zu wenden, um neue Nuancen zu entdecken. Kaum
findet einer eine neue Facette an dir, wird er von den anderen niedergemacht,
damit nur ja nichts in Unruhe gerät, man nichts überdenken oder gar Neues
zulassen muss.
Wie
schade! Denn du bist immer erforschens- und hinterfragenswert. Auch wenn’s mal
schwierig wird.
Aber
die Leute halten sich eben lieber an das, was bequemer zu erreichen ist: den
Frager oder gar Kritiker, halt an die Person,
die etwas sagt. Das geht leichter, und da kann man so richtig vom Leder
ziehen und sich als Psychologe, Soziologe, Arzt, wenn nicht gleich als
gottähnlicher Schicksalsdeuter profilieren.
Ich
wünsche dir Beständigkeit, lieber Inhalt, langes Leben und eine Energie, die
über die Zeiten hinaus auch den folgenden, hoffentlich nachdenklicheren und
offeneren Generationen Stoff zum Überlegen und Erfahren gibt!
***
Foto: www.tangofish.de |
Hier ein Kommentar von Matthias Botzenhardt:
AntwortenLöschenAuch meinen herzlichen Dank an die Autorin dieses schönen und tiefgehenden Textes.
„Jetzt geht’s los, ad personam, [ad populum und ad nauseam,] pfeif‘ auf die Semmelinhalte“
Merke: Wer keine Hosen trägt, die trägt auch keinen Gürtel – also wozu dann erst solche Linien respektieren?
Aber trotzdem irgendwie komisch: Gerade wer durch Strobilation abgeschnürt wurde, sollte doch ein etwas besseres Benehmen an den Tag legen.
Für besonders weise, erachte ich die sehr schlaue Einstellung: „Nowadays I ignore everyone with whom I disagree on social media“.
Verkürzt: “I ignore everyone with whom I disagree”. Gegen so eine Filterblase ist dann wirklich kein Kraut mehr gewachsen.
Bei so würzarmer Kost, kann ich allen Tanzpartnern nur recht guten Appetit wünschen.
Hauptsache die Portion ist groß und der Eintopf macht satt. Sterne brauchen nicht erwartet werden!
Es mag am Grad einer individuellen Nesseltier-Intelligenz liegen, welches ihrem derzeitige Lebensstadium (noch) nicht erlaubt, die Lehrinhalte und Ansichten des eigenen Idols zu begreifen und in die Natur des restlichen Kosmos einzuordnen.
Aus eigener Erfahrung vermag ich zu beurteilen, dass „Die fabelhafte Welt der Athénie“ mit Nichten so beschränkt in ihrer Sicht auf die Dinge ist, wie dies anhand mancher Kommentare aus der Jüngerschaft zu vermuten ist. Athene ist (nach meinem Dafürhalten) eine der Göttinnen der Kunst, des Handwerks, der Hand-, der Fuß- und der Torso-Arbeit.
Einige der üblichen Generalisierungen sind lediglich auf Übersetzungsfehler aus dem Altgriechischen zurückzuführen.
Nachdem WIR (die wir noch zwei, drei, vier oder gar fünf Dekaden auf unserem Sensenmann zu warten haben) in unserer Kindheit offenbar zu viel Monopoly gespielt haben, scheint es nun der generelle Trend der Zeit zu sein, sich die Räume des Denkens und des Handelns von allen Seiten freiwillig und so weit wie möglich beschränken zu lassen. Bis zur schlussendlichen Handlungsunfähigkeit.
Am Ende wird mit etwas Glück noch genau eine einzige Autorität übrig bleiben, die dann auch MIR endlich erklären kann, was die Welt im Innersten zusammenhält.
Wer etwas rechts oder – Gott behüte! – gar links des zugelassenen Ideenraumes denkt, der gilt NATÜRLICH als nicht satisfaktionsfähig. Mehr noch: Unwürdige Einzelbäcker-Friemelfritzen müssen konsequent und kompromisslos übersehen werden.
Ich finde allerdings, wer immer nur die kleinen Brötchen der Bäckerei-Riesen „aufwärmt“, der sollte sich nicht selbst als Bäckermeister, sondern vielmehr als armer Franchise-Nehmer titulieren. Doch Vorsicht: Selbst die „Kamps GmbH“ hat nicht etwa einen Semmel, sondern die Brezel in ihrem Logo.
Am Ende steht: »Quien está satisfecho con los p(l)ane(cill)os, no necesita “la mordida” en la “media luna”.«
Viele Grüße,
Matthias
Um meinen Lesern die Arbeit zu ersparen, habe ich die Anspielungen und fremdsprachlichen Sätze im Kommentar recherchiert:
LöschenUnter Strobilation versteht man in der Zoologie eine Art der asexuellen Fortpflanzung durch spontane Abschnürung in Körpersegmente (Strobila). Die Strobilation kommt beim Generationswechsel bestimmter Nesseltiere, den Schirmquallen (Scyphozoa), vor.
„Nowadays I ignore everyone with whom I disagree on social media“: “Heute ignoriere ich jeden, mit dem ich in sozialen Medien nicht übereinstimme.”
“I ignore everyone with whom I disagree”: “Ich ignoriere jeden, mit dem ich nicht übereinstimme”
„Die fabelhafte Welt der Athénie“ ist wohl eine Anspielung auf den Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“.
Franchise-Nehmer: Franchising kann vereinfacht als ein vertraglich festgelegtes Geschäftsmodell zur vertikalen Kooperation verschiedener Partner definiert werden, bei dem der Franchisegeber den rechtlich und finanziell selbständigen Franchisenehmern ein Geschäftskonzept nach seinen Vorgaben zur entgeltlichen Nutzung überlässt. Damit ist es deutlich vom Filialsystem unterschieden.
Die Kamps GmbH bietet solche Franchise-Modelle in der Bäckerei-Branche an.
»Quien está satisfecho con los p(l)ane(cill)os, no necesita “la mordida” en la “media luna”.« :
« Wer mit dem Flugzeug (Himmel) zufrieden ist, braucht den "Biss "im" Halbmond "nicht."
(Meint jedenfalls der Google-Übersetzer – kapiert hab ich es auch nicht!)
Was ich jedoch sicher weiß: Es gibt auch Röcke mit Gürtel!