#MeTango
In sexueller Hinsicht benötigen Frauen oft etwas mehr
Zeit zum Durchblick. Nun hat er auch die Damen des Blogs „Berlin Tango Vibes“ ereilt: In ihren neuesten Text „Männer, wir
müssen reden“ erörtern
sie das Problem männlicher Übergriffigkeiten
im Tango.
Da der Fisch bei unserem Tanz – wie fast stets – vom
Kopfe her stinkt, nehmen sie sich völlig zu Recht zunächst die Tangolehrer vor. Gerade Privatstunden (wer hätte das gedacht?)
seien für die Schülerinnen nicht ohne erotisches Risiko. So zitieren sie
Freundinnen mit folgenden Aussagen:
„Ich würde ja gern
mit Tangolehrer X eine Privatstunde nehmen, aber ich möchte lieber nicht mit
ihm allein in einem Raum sein.“
„Gern hätte ich
weiter Privatstunden bei Y gemacht, aber der kann seine Finger einfach nicht
bei sich behalten.“
„Ich war mit drei
verschiedenen Tanzpartnerinnen bei Lehrer Z, denn ich hätte gern Unterricht bei
ihm genommen. Leider hat er alle drei Tanzpartnerinnen dermaßen angegraben,
dass keine der drei nochmal mit mir dorthin wollte.“
Insbesondere
„Ausrichtungskorrekturen“ würden
gerne dazu hergenommen, Schülerinnen technikfern zu begriffeln. Der Fachbegriff
lautet wohl „Hands on“, wobei man natürlich
differenzieren müsse: „Ein und dieselbe
Berührung kann als schmuddelig oder absolut clean wahrgenommen werden, abhängig
von der Intention, mit der sie erfolgt, aber auch von der Wahrnehmung
desjenigen oder meist derjenigen, die die Berührung erfährt.“
Um
mich nicht wieder einmal dem Vorwurf auszusetzen, „Tangolehrer-Schelte“ zu betreiben: Nach meinen Erfahrungen gibt es
das ganze Spektrum. Ich kenne Tanzinstruktoren, denen es in hundert Jahren
nicht einfallen würde, Kursteilnehmerinnen mit weniger zu kommen als absolut perfektem Benimm (was ja noch nicht
heißt, dass sie gut unterrichten). Auf der anderen Seite kennt jeder Insider
Tangopädagogen, denen der Ruf der Impotenz drohte, wenn sie sich nicht
vierwöchentlich mit dem neuen „Schneckerle
of the month“ sehen ließen.
Es
wäre naiv, zu vermuten, dass heftigere MeToo-Geschichten zwar in anderen künstlerischen Bereichen wie Schauspiel
oder Musik an der Tagesordnung sind, nicht jedoch im Tanz – und schon gar bei
dem „aus den Bordellen“.
Insofern
kann ich die obigen Aussagen gut verstehen. Nicht allerdings, warum man das
Treiben solcher Typen weiterlaufen lässt. Geflüster
unter Freundinnen dürfte zu wenig sein – eine klare Ansage, nötigenfalls verbunden mit der Aussicht, solche Dinge
einmal öffentlich zu machen, würde
vermutlich Wunder wirken.
Was
ich aber sehr lustig fand: Ein „Pro-Argument
für geteilte Räume bei Privatstunden“
muss das wahrlich nicht sein – eher vielleicht für unterrichtende Paare, was ja auch methodisch mehr Sinn machen
würde.
Beklagt
werden auch männliche Übergriffe auf
den Milongas – vor allem in der
Kombination Edeltänzer - Anfängerin: „Nicht
immer, aber oft sind es erfahrenere Tänzer, die unerfahrenere Tänzerinnen
zunächst in den siebten Himmel tanzen, und ihnen dann näher kommen als
ihnen lieb ist.“ Man lasse es dahingestellt, ob es sich dabei um „berechnende Strategie und Absicht oder das
spontane Wahrnehmen plötzlich entstandener Gelegenheiten“ handle.
Solche Zweifel können wirklich nur Frauen
haben. Ich darf als Mann ein wenig aufklären: Wem es um Herz und Seele der
Partnerin geht, braucht meist viel länger – so im Bereich von Monaten bis
Jahren. Wen hingegen vorwiegend der Körper lockt, zieht routiniert sein Programm durch,
das die Autorin ja trefflich beschreibt:
„Da wird frau
schon nach wenigen Schritten mit einem Übermaß an sexueller Energie
überschüttet, vor der sie sich kaum retten und die sie in manchem Fall auch
ganz konkret körperlich spüren kann. Da verwandelt sich der Atem des Mannes
schon mal in ein eindeutiges Stöhnen oder er flüstert ihr versteckte oder
offensichtliche Anzüglichkeiten ins Ohr.“
Noch
Fragen?
Wiederum
putzig finde ich allerdings eine weitere Schlussfolgerung im Text: „Wahrscheinlich ist Tango – und vor
allem die Milonga – deshalb so streng ritualisiert. Die Cortina
erklingt, und alle (unausgesprochenen) Versprechen sind gelöst, keine
Verpflichtungen bleiben bestehen.“
Na
weeste, drum isset ja och in Buenos Dingsbums vor hundert Jahrn wejen die janzen Kodigos sowat von
moralisch zujegangen, da machste dir keen Begriff davon, wa?
Nein:
Wie im Schwimmbad, Sauna oder ähnlich verfänglichen Orten haben Männer halt die
Chance, sich der Fraktion „Gentleman“
oder „Saukerl“ zuzuordnen. Leicht
und ohne Códigos unterscheidbar.
Unterschreiben möchte ich jedoch
gerne das Folgende:
„Natürlich kann man sich
auch beim Tango treffen und sich in beidseitigem Einverständnis
entscheiden, die Nacht miteinander zu verbringen. Und selbstverständlich kann
man beim Tango auch wunderbar flirten. Verwerflich wird es, wenn z.B.
Erfahrung oder Status bewusst benutzt werden, wenn – auch implizit – Druck
aufgebaut wird (à la ‚wenn du das nicht mitmachst, tanze ich nicht mehr mit dir‘) oder
wenn ein Partner ausschließlich daran interessiert ist, seine eigenen
Bedürfnisse, z.B. an Berührung, Nähe oder Intimität zu befriedigen, die
zudem nur am Rande mit Tanzen zu tun haben.“
Zusammenfassend
staune ich schon, wie naiv man bei
dem Thema trotz zweier X-Chromosomen sein kann: Natürlich zieht es eine größere
Anzahl von Männern nicht primär wegen des Tanzens zum Tango. Wer das bezweifelt,
legt auch einen alten Camembert auf den Komposthaufen und staunt über die
Fliegen – oder glaubt, weite Männerhosen beim Tango hätten vor allem modische
Ursachen.
Meinen
Erfahrungen nach gibt es „Aufreißer-Veranstaltungen“,
wo vermutlich jeder zweite Tanguero das Anknüpfen
einer Beziehung zumindest als Eventualität im Blick hat – und Milongas, wo
dies kaum einem in den Sinn kommt. Einen Schutz
vor Übergriffen bieten vor allem kleinere
Milongas (zu wenig Auswahl) und solche mit schwierigerer Musik (Aufwand zu hoch) – in Pörnbach haben wir damit
also kaum Probleme…
Bei
Übergriffigkeiten im Tango oder
sonst wo gibt es nur eine klare Regel: Nein
heißt nein. Nur, liebe Damen, das muss man dann auch klar kommunizieren –
wobei die Formulierungsmöglichkeiten variabel sind – zwischen „ich möchte wirklich nur tanzen“ und „nimm die Hand da weg, du Saubär“ wird
man sicherlich eine Ausdrucksweise finden, welche männlicherseits auf
Verständnis stößt. Schlimmstenfalls verhängt man die tangomäßige Höchststrafe
und ermöglicht dem Typen einen Solotanz.
„Weglächeln“ der Zumutung und
anschließendes Wehklagen vor den
Freundinnen hingegen wird wenig bewirken. Zu groß ist offenbar die Angst, nicht mehr aufgefordert zu werden oder als „zickig" zu gelten. Doch möchte man
solche Männer wirklich als Tanzpartner – oder deren Gesinnungsgenossen, welche
einen dann gleichfalls ignorieren?
Und, obwohl ich mir damit sicher Ärger einhandle: Müssen es wirklich die
ultrascharfen Highheels, das kurze, wippende Röckelein und der den Wortsinn
kaum noch rechtfertigende Ausschnitt sein? Klar entlasten solche Reize keinesfalls belästigende
Zeitgenossen – sie könnten aber dazu beitragen, seine Lebenszeit nicht mit den
Falschen zu verschwenden.
Grundsätzlich
zustimmen kann ich dem Schluss
des Artikels:
„Ob Männer ähnliche
Erfahrungen machen und wie sich diese auf sie auswirken, vermag ich nicht
zu sagen. Ich habe aber gehört, dass es solche Phänomene
durchaus auch umgekehrt gibt. Doch darüber müssten Männer berichten.“
Täten
die vielleicht gerne – leider sind aber die Kommentare zu diesem Beitrag gesperrt.
Tja, vielleicht liegt es daran, dass Frauen bei Beziehungsgesprächen männliche Wortmeldungen erfahrungsgemäß
gar nicht erwarten. Oder sollte sich im Satz „Männer, wir müssen reden“ ein Pluralis
Majestatis verbergen?
Nun
gut, hier die Antwort aus Pörnbach:
Doch, ja, auch Frauen baggern gelegentlich beim Tango – selbst bei alten Herren
wie mir. Es geschieht nur viel subtiler und wird bei Überschreitung einer
gewissen Aufwands-Erfolgs-Relation sofort abgebrochen. Was mich lediglich
manchmal stört, ist das die Musik übertönende Balz-Gegacker. Aber bei
traditioneller Beschallung ist auch dies auszuhalten…
Hier
der Originaltext:
https://berlintangovibes.com/2018/11/14/maenner-wir-muessen-reden/
Edit: Wie man mir eben mitgeteilt hat, wird die Kommentarfunktion für diesen Artikel nun geöffnet.
Edit: Wie man mir eben mitgeteilt hat, wird die Kommentarfunktion für diesen Artikel nun geöffnet.
P.S. Zu diesem Thema habe ich schon mehrfach geschrieben, zum Beispiel 2015:
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