Gebrauchsanweisung: Tango-Pegida


Gestern hat Theresa Faus meinen letzten Artikel auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht. Dazu schreibt sie:

„Der Großsatiriker Gerhard Riedl hat sich mich mal wieder vorgeknöpft und festgestellt:
- ich bin humorlos
- früher war ich lockerer
- ich schenke ihm nicht die Beachtung, nach der er heischt.
Wer nachlesen will, hier:

Bislang wurden es über 70 Wortmeldungen. Außerordentlich interessant ist eine stilistische Analyse dazu:

Es geht ja hier um einen Text (mit immerhin über 1300 Wörtern). Was macht man da? Normalerweise erstmal lesen und dann seinen Inhalt überdenken. Gut wäre es auch, die literarische Gattung zu betrachten: Sachtext, fiktionaler Text, Essay, Kurzgeschichte, Satire? Dann kann man sich überlegen, wie man selber dazu steht. Sicherlich ist es auch nützlich, sich über den Autor zu informieren – manchmal hilft das, eine Veröffentlichung besser einschätzen und bewerten zu können. Schließlich mag es noch sinnvoll sein, die Motivation des Schreibers zu erforschen, obwohl das so schon ziemlich spekulativ wird.

Die Machart der Leserreaktionen war allerdings in diesem Fall völlig anders:

Mit dem Inhalt beschäftigte sich (ausgenommen die stichwortartigen und nicht sehr wahren Beschreibungen von Theresa Faus) genau niemand. Nochmal zum Mitschreiben: zum Inhalt kein einziges Wort!

Dabei hätte es doch interessante Ansätze gegeben, beispielsweise
·         Wieso macht Theresa Faus heute so ein Gewese um Formalien im Tango, wenn ihre frühere Praxis – wie von mir dargelegt – ganz anders war?
·         Findet sie es richtig, zu meinem Tangobuch von vornherein statt einer fairen Rückmeldung lediglich ein paar spöttische Sätze geliefert zu haben?
·         Wieso hat sie den vielen verbalen Herabsetzungen meiner Person bei der Debatte über Cabeceo-Workshops nicht widersprochen?

Folglich ist natürlich ein Überdenken des Inhalts meines Textes unmöglich. Stattdessen wird immer wieder bekundet, man solle mich bzw. meine Artikel nicht beachten:

So meint Medusa McClatchey Fawkes, ich solle mitsamt meiner „Verbaldiarrhea von den wirklich klugen Mitmenschen ignoriert werden“. Das hindert sie allerdings nicht, insgesamt fünfmal in die Diskussion einzugreifen, beispielsweise so: „Ich werde daher weiterhin nichts von ihm lesen, meine Zeit bleibt mir dafür zu wertvoll.“

Auch Michael Sacher bekennt: „Ich hab irgendwann aufgehört, seinen Quatsch zu lesen.“ Quatsch über mich dagegen liest er offenbar schon…

Ebenso Joost Rot:Ich habe mich von allem, wo ich ihn lesen musste, entfernt.“

Alexis Cousein sagt’s sogar auf Englisch: „Too long, didn’t read“ Na, da sind doch die Kommentare auf Theresas Seite oft erfreulich kurz – wie der von Michèle Backes: „Auf den Punkt“.

Auch Carlos von Geldern findet: „Bestes Gegenmittel: ignorieren!“ Allerdings äußert er sich dann doch noch viermal.

Ich frage mich nur: Woher kommt es, dass gestern meine Zugriffszahlen (zirka 1000 einem Tag) explodiert sind?

Trotz Ignorierens des Inhalts meines Textes haben erstaunlich viele dennoch eine eigene Meinung, die sie natürlich so kräftig und entschlossen wie möglich artikulieren – macht ja mehr Eindruck als relativierndes Gewäsch! Ich zitiere aus dem Zusammenhang gerissen:

Kathleen F Reys: „so eine Art Notgeile-Altherren-Blog-Competition-Ding“
Sibylle Vogelsang: „gekränktes Männlein“ (na ja, bei 1,90 m Körperlänge...)

Medusa McClatchey Fawkes:das Männlein mit dem ausgeprägten Narzissmus“
Joost Rot brilliert immerhin als Metaphoriker: „Soviel Haargel Marke extra strong kann ich gar nicht auftragen, wie es bräuchte, seien Unsinn ohne Haarsträuben zu ertragen.“
Paco Da Capo: „‘Großsatiriker‘und Selbstbeweihräucherer“
Carlos von Geldern: „Diskutiere niemals mit einem Idioten, denn er zieht dich auf sein Niveau herunter und da ist er eindeutig im Vorteil!“ Versteh ich nicht ganz – ich hab mich doch dran gehalten...
Georg Bez: „Hetzen und beleidigen am laufenden Band und sich unter dem Deckmantel einer Satire verstecken.“ (Übrigens ein Standardargument totalitärer Machthaber…)
Oliver Fleidl, Tanzschulchef und zertifizierter Benimm-Experte, vergleicht mich gar mit Alexander Gauland – wobei ich allerdings nicht weiß, ob er das als Kritik oder Kompliment meint…
Marea Teuber findet in der für Domestiken passenden dritten Person: „Ich empfinde seinen Blogeintrag als diffamierend und höchstgradig unangemessen. Das soll er tunlichst bleiben lassen.“  Sehr wohl, Euer Gnaden!
Tröt Trallatrööt (Michael Tausch) betreibt selber Satire und spricht daher von „satirischem Misthaufen“ – wobei er wohl meinen meint.
Der Regensburger Tangoveranstalter Christian Beyreuther hat es gern kurz und knapp: „Ich finde über andere Leute herzuziehen, in dem man noch die Namen dazu nennt, abscheulich und zum kotzen!“

Nur so als Tipp nebenbei: Bei beruflichen Bewerbungen, Beförderungen etc. schauen Personalchefs gerne mal ins Internet. Finden sie dann solche Sprüche, sind die Konsequenzen eventuell weniger erfreulich...

Wichtig ist natürlich, sich mit vermuteten persönlichen Eigenheiten und pathologischen Motiven des Autors zu beschäftigen. Hierzu bieten sich Alter, Beruf und Kindheit an:

Medusa McClatchey Fawkes: „mensch redet wieder über ihn; hat er also doch Bedeutung in der Welt, wo ihm doch die Wertschätzung von Mama und Papa versagt worden war.“ Zudem hat sie „Mitleid für alle seine ehemaligen Schüler, die ihm nicht entkommen konnten und aushalten mussten“. (…) „Das sind die von den Eltern und Großeltern übernommenen Kriegstraumata. Die sind schuld!“
Frühkindlich argumentiert auch Joachim Schwebe: „In der Sandkiste fällt er den Müttern auf, zu groß und zu alt.“
Carlos von Geldern bemüht sein tänzerisches Fachwissen: „Wer einmal das ‚Vergnügen‘ hatte, ihn tanzen zu sehen, weiß, was man von seinen Ratschlägen' zu halten hat... Firm ist er auch im Fach Entwicklungspsychologie: Ein alter Kindertrick: die ihm versagte Aufmerksamkeit durch Ärger erhaschen."

Wie resümiert Altmeister Cassiel in einem längeren, insgesamt erstaunlich milden Diskussionsbeitrag: „Die einzige kritische Anmerkung, die ich zu Gerhard Riedl vorbringen kann, ist sein substantieller Beitrag zur Verrohung der Diskussionskultur im Tango.“ Na, da ist diese gepflegte Debatte hier doch ein leuchtendes Gegenbeispiel!

Fazit:

Ich habe neulich die Amazon-Kommentare zum Buch der AfD-Aussteigerin Franziska Schreiber in einem Artikel analysiert. Die Art, wie man von rechtsradikaler Seite versucht, ihr Buch madig zu machen, ähnelt verblüffend den Mitteln, derer man sich hier bedient. PEGIDA-Sprüche könnte man bestens ummodeln. Statt

„Merkel muss weg“ – „Riedl muss weg“
„Volksverräter“ – „Tangoverräter“
„Lügenpresse“ – „Lügenblog“

Leute, ihr seid’s vielleicht ein Volk – das Volk jedoch bestimmt nicht! Das hat nicht mal der Münchner Tango verdient. Wollt Ihr wirklich so enden?



Gerne erwähne ich aber auch vernünftige Stimmen wie die von Veit Sinan, der mit Blick auf mich schreibt:
„Als das Buch dann rauskam hat ihn die Szene, also wir alle, derart mit Katzenscheiße beschmissen, dass man es nicht anders bezeichnen kann als massives Mobbing. (…) Ich schätze, ohne den Shitstorm damals gäbe es den ganzen Blog nicht. (…) Gegen Widerspruch hat doch niemand etwas und beim Gegenwind kommt es halt stark auf den Duft an. Ich lese in den Kommentaren halt wirklich oft auch persönliche Beleidigungen neben den Dingen die zur Sache beigetragen werden."

Und An Brynner schreibt: „Der Verfasser mag die Sachverhalte falsch darstellen, durch andere Kontexte ihres ursprünglichen Sinns berauben, aber ich habe - bei aller Sympathie für die Betroffenen - nicht den Eindruck, dass GR persönlich diffamiert und beleidigt. Das passiert hier in der Kommentarleiste zu Theresas Beitrag allerdings zuhauf.“

Und siehe da, nun rudert selbst Theresa Faus ein wenig zurück: „Aber du hast recht darin, dass es nicht gut ist, bei der Kritik zur persönlichen Abwertung überzugehen. Dinge wie Alter, Tanzstil und mutmaßliche Psychopathologien sollten nicht thematisiert werden. (…) Ich hab mich ja einerseits über die vielen Sympathiekundgebungen gefreut. Andererseits wurde der Ton in etlichen Kommentaren sehr scharf.“

Tja, man könnte den schlimmsten Dreck ja auch löschen. Das wird jedoch wohl nicht erfolgen – und irgendwas bleibt immer hängen…

Dennoch bin ich nicht, wie eine Leserin meint, „verletzt“. Ich hatte bei dieser Arbeit – trotz des ernsten Hintergrunds – viel zu lachen. Und was mich immer wieder fasziniert: Man kann mit Schreiben etwas verändern, das merke ich fast jeden Tag an vielen nachdenklichen, oft auch positiven Reaktionen – und das macht mich froh.

Theresa kann ich den Schlussgag aber nicht ersparen, den darf man als Satiriker nicht liegen lassen. Im Kommentarstrang findet sich folgender Dialog, den ich – Sankt Zitatius sei mein Zeuge – wörtlich wiedergebe:

Josef Minde: „G.R. hat seine eigene Ansicht. Damit kann ich leben und denke zwar, dass es mittlerweile für alle Beteiligten besser ist, wenn er dem Giesinger Bahnhof fern bleibt, aber dafür macht er sein eigenes Ding mit eigenen Regeln und das ist doch legitim.“
Theresa Faus: „Gegen sein ‚Ding‘ hab ich ja gar nichts.“

Das ist mir denn doch zu heiß, da mach ich lieber den Kröter:
„Ick sach jezz nix mehr dazu.“

P.S. Den vollen Wortlaut der Debatte findet man hier:
https://www.facebook.com/theresa.faus
(Falls der Link nicht funktioniert: Einfach die Dame bei FB suchen!) 

Kommentare

  1. „Die Faus-Kampftruppe“ glaubt nun einen neuen Anlass entdeckt zu haben, „Verfolgung“ rufen zu können.

    In ihrem neuen Post schreibt Theresa unter anderem:

    „In Gerhards Replik, die heute morgen erschien, spricht er als ‚Tipp‘ eine Drohung aus, die manchen nicht egal sein kann: ‚Nur so als Tipp nebenbei: Bei beruflichen Bewerbungen, Beförderungen etc. schauen Personalchefs gerne mal ins Internet. Finden sie dann solche Sprüche, sind die Konsequenzen eventuell weniger erfreulich‘."

    Vielleicht wolle der eine oder andere „seinen Kommentar lieber wieder löschen“ – wohlgemerkt: Nicht aus Schamgefühl, sondern aus Furcht, ich könnte seinen Arbeitgeber davon berichten.

    Nein, ich bin kein Denunziant – das überlasse ich Leuten, die dort nun dazu aufrufen, Google meinen Beitrag als Gesetzesverstoß zu melden.

    Nur so nebenbei: Auch das gehört zum Repertoire von Pegida & Co: Den Gegner kriminalisieren, Polizei und Gerichte instrumentalisieren.

    Ich kann nur das wiederholen, was ich schon mehrfach zu solchen Forderungen geschrieben habe: Verklagt mich, dann sehen wir, wer was darf oder nicht. Der Verlierer zahlt dann Gerichts- und Anwaltskosten – und ich werde hier darüber berichten.

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    1. Update nach zirka 14 Tagen: Natürlich ist gar nix passiert - weder eine Beschwerde beim Blog-Provider noch irgendwelche rechtlichen Schritte. Übrigens ist auch dies eine typische Vorgehensweise der Rechtspopulisten: Zunächst lauthals Anzeigen und dergleichen ankündigen, dann schweigen. Hauptsache, man hat den Gegner in die Schublade "rechtswidriges Handeln" gesteckt und seinem Ruf geschadet...

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