Unterste Schublade?


Disclaimer: Thomas Kröter – bitte nicht lesen, das Ding hat 1311 Wörter!

Es begann in unserer Facebook-Gruppe („Was Sie schon immer über Tango wissen wollten…“) mit der harmlosen Frage eines Anfängers: Er habe die Erfahrung gemacht, dass viele Frauen inzwischen nur noch die enge Tanzhaltung erwarteten. Ob es da Tipps für Führende gäbe respektive bestimmte Schritte, die sich dafür eigneten?

Trotz der Harmlosigkeit des Ansinnens ahnte ich bereits da Böses

Ich schrieb eine betont sachliche, ausführliche Antwort. Bald darauf ging es los: Das Argument, dass diese Tanzweise heute zwangsläufig nötig sei, da es ja inzwischen weitgehend überfüllte Tanzflächen gäbe, kenne ich aus der konservativen Ecke. Und selbstverständlich könne man auch in enger Umarmung alles tanzen. Ein Kommentator bekam für eine davon abweichende Erfahrung lediglich das Schlagwort „Blödsinn“ übergezogen, und dem Frager wurde geraten: Hör auf dämlich ‚Figuren‘ auswendig runterzuklopfen.

Ich weiß nicht mehr, wie viele hundert Beispiele dieser Art ich schon erlebt habe. Anhänger des „traditionellen“ Tango können nicht damit leben, dass es ein „sowohl als auch“ geben könnte. Nein: Man hat gefälligst eng zu tanzen, nur zur Musik der EdO, nur in der disziplinierten Ronda – Widerspruch ist zwecklos, bei Uneinsichtigkeit erfolgt verbale Abstrafung.

Im Endeffekt habe ich dann zwei Mitglieder der Gruppe ausgeschlossen – Details kann man dort nachlesen.

Eine Person davon ist ein richtiger „Tango-Promi“, die Münchner Veranstalterin und DJane Theresa Faus. Die hatte sich mächtig darüber erregt, dass ich ein Zitat von ihr zum Gegenstand einer kleinen Satire auf meinem Blog gemacht hatte:

Ihre Diagnose: ein „Pennälerwitz, unterste Schublade“.

Nun gut. Vielleicht sollte ich zu dieser Person einmal etwas weiter ausholen:

Wir sind uns früher im Münchner Tango regelmäßig über den Weg gelaufen. Einmal haben wir sogar miteinander getanzt, auf ihre Aufforderung hin (ganz direkt und verbal, Cabeceo gab es damals noch nicht). Als sie 2005 ihre Milonga im „Giesinger Bahnhof“ startete, waren wir dort öfters zu Gast. Über die Musik habe ich mich nie beschwert – sie war traditionell, aber wirklich fein ausgesucht (soweit ich das damals beurteilen konnte). Und ihr riesiges Fachwissen zum entsprechenden Segment der Tangomusik habe ich mehrfach betont. Für mich steht eindeutig fest: Wenn ich jemanden zum Auflegen in einer traditionellen Milonga engagieren wollte, wäre es Theresa Faus, Olli Eyding oder Manuel Frantz.

Wir wurden dort stets freundlich begrüßt, und es war sehr gern gesehen, dass ich in Giesing mit den reichlich herumsitzenden Mauerblümchen tanzte. Wir alle, einschließlich der DJane, sprangen damals lustig auf dem Parkett herum (Ronda gab es noch keine). Rempeleien oder gar Verletzungen habe ich nie erlebt, natürlich auch keine „Ronda-Ermahnungen“ (wie sie Theresa erklärtermaßen jetzt als „Highlight“ ausspricht), vom Cabeceo war keine Rede, das Licht blieb also gedimmt.

Nach meiner Erinnerung gab es die Milonga zwischendurch einige Zeit nicht, und wir hatten dann unseren Aktionsradius außerhalb Münchens verschoben. Inzwischen würde ich die Veranstaltung wegen der dortigen „Tanzregeln“ allerdings nicht mehr besuchen. Als wir 2007 unsere eigene öffentliche Milonga in Pfaffenhofen aufmachten, hätten wir uns sehr gefreut, wenn Theresa einmal einen Gegenbesuch für wert erachtet hätte. Aber nein – gleich den ganzen Münchner Tangogrößen, denen wir jahrelang das Geld auf ihre Veranstaltungen getragen hatten, hielt man dies nicht für erforderlich. Stattdessen hieß es bei Cassiel: „Pfaffenhofen - wo liegt das eigentlich?“

„Unterste Schublade“? Ach, wir kamen auch ohne die VIPs zurecht…

Dabei möge man sich aber nicht auf mein skandalöses Buch berufen – das kam erst über zwei Jahre später heraus!

Apropos: Theresa hat ganz bald (16.6.10) die erste Version meines „Milonga-Führers“ bestellt. In der Mail schrieb sie, davon gehört zu haben, dass ich ihre „steife langweilige Grufti-Milonga“ besprochen hätte und auch darauf neugierig sei. Ich könne ihr das Buch „am Samstag im Bailongo“ (Giesinger Bahnhof) oder „Sonntag bei Marina“ mitbringen, dann sparte ich die Versandkosten. Ja, ich war noch damals Gast ihrer Tangoabende – ebenso wie im „Tango-Café“ in der Sonnenstraße, das inzwischen auch mit „Parkettbenutzungsregeln“ wirbt. Ich schickte ihr den „Milonga-Führer“ zu – natürlich porto- und versandkostenfrei.

Ihre Veranstaltung hatte ich jedoch nicht im Buch besprochen (und schon gar nicht die genannten Ausdrücke verwendet), sondern lediglich (ohne Namensnennung) eine Werbung von ihr ironisch kommentiert, in der sie ankündigte, keine „toxischen Titel“ (also moderne Tangomusik) aufzulegen, sondern ausschließlich „Titel allererster Bonität“ (S. 55 in der ersten Auflage in den weiteren fehlt diese Geschichte, da ich sie nicht mehr für aktuell hielt).   

Meinen Buchlieferungen liegt üblicherweise ein Anschreiben bei, in dem ich zu – gerne auch kritischen – Rückmeldungen aufrufe. Natürlich kam von Theresa – anders als von hunderten anderer Leser – keine Zeile dazu. Als jedoch Cassiel in seinem Blog über mein Buch ablästern ließ, wollte sie nicht zurückstehen:

„Na ja, mein ‚nobler Umgang‘ mit G.R. verdankt sich nicht einer edlen Gesinnung, sondern dem, dass ich aus Gründen der Zeitökonomie und des Seelenfriedens nicht eine Zitat-Zerpflückung meinerseits zerpflücken wollte. Außerdem ist der G.R. zwar ein virtuoser Lästerer, aber ein lausiger Zitat-Zerpflücker.“
Da geb ich doch lieber die Quelle an:

„Unterste Schublade oder Pennälerwitz?“ Wohl nicht – „nobler Umgang“ ist jedoch schon optimistisch formuliert…

Das mit dem pubertären Verhalten (wie eine andere Kommentatorin meinte) hatten wir schon mal, als ich es wagte, Theresas „Cabeceo-Workshops“ zu verblödeln (von denen heute keiner mehr spricht – wohl, weil es schon alle richtig machen). Damals ergoss sich ein gewaltiger Shitstorm ihres Umfelds über mich. So wurde unter anderem von „Meckersäcken und Grantelhubern“, „Platzdeppen“, „Stinkstiefeln“ und „intellektueller Vergewaltigung“ gesprochen – Frauen sollten solchen Typen, die möglicherweise auch noch schlecht röchen, „ins Gesicht spucken“ – und mir „Empathie wie ein Stück Treibholz“ attestiert.

Ein Widerspruch von Theresa Faus zu alledem blieb aus – und allmählich wird mir klar, wieso sie im Hinblick auf mein Blog erst gestern wieder erklärte: Und nein, ich mach mir nicht die Mühe, Zitate rauszusuchen. Könnte auch gefährlich werden…

„Unterste Schublade“? Ach, wie schreiben mir konservative Tangovertreter, die selber hochempfindlich sind, immer wieder: Wer austeilt, sollte auch einstecken können.Kann ich, so lange ich austeilen darf…

Bin ich mit meinen 67 Jahren pubertär? Na klar! Lausbuben treiben sich mit großem Vergnügen auf Hochämtern und Beerdigungen herum, wo man ja nicht lachen darf. Und sie haben den höchsten Spaß, wenn es ihnen gelingt, die Soutane des Erzbischofs zu lüften, und darunter kurze Hosen mit dünnen Stachelbeinchen zum Vorschein kommen. Und Pubertäter sehen es überhaupt nicht ein, dass man ihnen vorschreibt, welche Musik zu gefallen habe oder wie sie zu tanzen hätten! „Negermusik“ und „Verrenkungen“ sind daher per se attraktiv.

Natürlich kann man einen Satz wie diesen harmlos interpretieren:

„Wenn man die vordere Fußhälfte belastet und aufrecht steht, gibt es selbst bei sehr schlanken Menschen immer einen Körperteil, der weiter vorne ist als die Fußspitze.“

Aber macht das Spaß? Lieber doch so:

„Ja, is denn heit scho Softporno?“

Das Ganze erinnert mich an eine Szene, die ich im Geschichtsunterricht der 7. Klasse erlebt habe:

Unsere Lehrerin war eigentlich ganz nett, aber halt ein (wie sag ich das jetzt unsexistisch?) älteres Fräulein, Junggesellin, leicht hysterid, Tweedrock mit Lesebrille am Kettchen (Erregung bitte einstellen – das war noch nicht der Vergleich, kommt erst noch). Und mit der Historie der Antike tat sie sich bei uns jungen Hormonmonstern nicht eben leicht. Eine Tages brachte sie einen Diaprojektor mit (damals sensationell) und kündigte einen Lichtbildervortrag zur antiken Kunst an. Jedoch mit der strengen Vorwarnung: Möglicherweise seien da auch nackte (ahem) Körper zu sehen – und wenn die geringste Unruhe entstünde, würden die Vorhänge wieder geöffnet und die Hefte rausgeholt!

Wir bemühten uns wirklich, brav zu sein – selbst bei der Rückansicht eines unbekleideten Apolls. Als jedoch die Lehrerin dazu meinte „Von vorn ist er noch schöner“, brachen alle Dämme, wir lagen johlend und quer in den Bänken. Die Folge natürlich: Licht an, Vorhang auf, Hefte raus, abschreiben…

Also, ich bin solche Sanktionen von Jugend an gewöhnt – nur bitte ich die liebe Theresa um Nachsicht und möchte ihr das zurufen, was wir Schüler damals auch nach der Geschichtsstunde meinten:

„Wer hat denn mit der Sauerei angefangen?“

P.S. Als kleine Nachhilfe zur griechischen Mythologie – zur Vermeidung weiteren Ärgers in bekleideter Version:



P.P.S. Thomas Kröter – falls du es doch gelesen hast: Man muss nicht mal den eigenen nackten Hintern riskieren wie weiland du in der Schülerzeitung – der von Apoll ist viel schöner…

Kommentare

  1. Man muss es dem Essener Tangolehrer Klaus Wendel schon lassen: Keiner meiner „Fans“ haut so auf die Kacke wie er. Gerade erschien auf der FB-Seite von Theresa Faus das, was er an meinem Artikel für kommentierenswert erachtet:

    „Herr Riedl, es kommt mir und auch - wie ich lese - vielen anderen mittlerweile so vor, als ob es Ihnen immer wieder größere Lust bereitet in Foren und FB-Kommentaren in ‚verbalen Fäkalien zu wühlen‘, um sich in den Innereien scheinbarer, menschlicher Unzulänglichkeiten zu suhlen. Passen sie auf, dass sie nicht zu lange und tief darin stecken bleiben. Es klebt und färbt ab. Wenn Kabarettisten über Politiker oder öffentliche Personen herziehen, ist das etwas anderes als normale Menschen aus der Tangoszene in schlüpfriger Pseudosatire bloßzustellen.“

    Meine Antwort:

    „Nun hätt ich fast geschrieben: Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen… oh nein, lieber nicht!
    Also besser: Das sind die Sprachbilder von jemand, der einen Tanz unterrichtet, der landläufig als einfühlsam, elegant, ja erotisch gilt. Inwiefern dies eine Werbung für den Tango darstellt, überlasse ich den Lesern. Weiterführende Informationen findet man hier:
    https://www.9monate.de/baby-kind/gesundheit-entwicklung/anale-phase-das-erste-mal-trotzig-sein-id149894.html
    Daher, lieber Klaus Wendel, gehen unsere Auffassungen, was man unter 'normalen Menschen' versteht, sicherlich etwas auseinander. Macht ja nichts. Aber eins müssen Sie schon erdulden. Wer öffentlich seine Meinung äußert oder gar für seine Veranstaltungen wirbt, stellt sich halt selber bloß. Und der Artikel 5 unseres Grundgesetzes erlaubt nicht nur Kritik an Politikern oder ab einem bestimmten Grad an Prominenz.“

    Und dann betreibt man eine Tangoschule mit dem Namen „Tango sencillo“. Letzteres Wort lässt sich allerdings verschieden übersetzen – man hat die Wahl zwischen „bescheiden“, „kunstlos“ und „einfältig“…

    Ehrlicherweise muss ich Klaus Wendel aber dankbar sein: Auch wegen seines Gepöbels landete bei den Zugriffszahlen der Artikel „Von Hirntod und Tangolehrern“ auf Platz 8, der jetzige Text „Unterste Schublade?“ sogar auf Platz 3 aller hier jemals erschienenen Beiträge. Das nenne ich doch „konstruktive Mithilfe“!

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