Guten Rutsch
„Ihr Unterrock war
rot und blau sehr breit gestreift und sah aus, als wenn er aus einem
Theater-Vorhang gemacht wäre. Ich hätte für den ersten Platz viel gegeben, aber
es wurde nicht gespielt."
Georg Christoph
Lichtenberg: Sudelbücher Heft B (212)
Man
muss es den Blogger-Kolleginnen von „Berlin
Tango Vibes“ wirklich lassen: Obwohl der geistige Gehalt ihrer Artikel
teilweise keinen Katzenschwanz belasten würde, haben sie mit ihrer feuilletonistisch-leichten Schreibe
großen Erfolg. Frauen halt… Da stehst als Mann bewundernd vis-à-vis!
Zum
Thema Tangokleidung habe ich ja
kürzlich – ebenfalls angeregt vom Grünen Blatt aus Berlin – einen Artikel
verfasst. Der Erfolg – na ja: „DesTangos alte Kleider“ landeten mit 525 Direktzugriffen im Monatsranking auf
Platz 4. Nicht schlecht, aber auch nicht mehr. Mein Appell, sich beim
Tango-Outfit auf den persönlichen
Geschmack zu verlassen und nicht per angesagter „Uniform“ die Aufmerksamkeit gewisser Männer erregen zu wollen, kam
bei manchen Damen nicht gut an. Man fühlte sich anscheinend persönlich
getroffen, wenn nicht gar in der Freiheit der Reizausübung
eingeschränkt. So schrieb eine Tanguera auf Facebook unter anderem:
„Ich
kann ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, warum ständig dieses Thema ‚Kleidung‘
auf's Tablett kommt. Soll doch jede(r) machen, wie er meint. (…) Aber es fühlt
sich halt nicht jeder mit T-Shirt wohl beim Tanzen, ebenso wenig mit flachen
Schuhen. Noch dazu vielleicht mit weichen. (…) Ich bin nicht beleidigt, aber
man hat den Eindruck, ihr sprecht den Frauen, die sich gerne hübsch
‚tangomäßig‘ kleiden, jedwede Entscheidungs-Kompetenz bezüglich ihrer
Kleidungsauswahl ab.“
Bei den Berliner Kolleginnen brachte eine Dame das Thema gleichfalls aufs Tapet, allerdings so:
„Von mehreren,
inklusive Lehrern, wurde ich angesprochen, ich soll doch lieber Tangoschuhe
tragen, wenn ich aufgefordert werden möchte. ‚Mit solchen Schuhen denken alle,
Du kannst nicht tanzen!‘. Können denn Herren nicht die Bewegungen beobachten?
Kommentare über meine nicht Tango-mäßigen Kleider habe ich mir bis im Ausland
anhören müssen.“
Zudem
hatte meine Blogger-Kollegin Manuela
Bößel in ihrer gewohnt nüchternen Art geraten, sich auf die Funktionalität und Bequemlichkeit auch beim Parkettgewand zu besinnen:
„Drückt's oder schränkt die Klamotte (drunter/drüber)
Bewegungen ein? Bleibt das Gewand dort, wo es hingehört oder verrutscht es –
womöglich indiskrete Einblicke gewährend, sobald du nicht mehr in posing
position vor dem Spiegel stehst?“
Irgendwie drangen wir aber beide nicht
wirklich durch. Ganz anders die dauerlächelnden Kolleginnen aus Berlin: Flugs
brachten sie einen Text heraus, den sie „Knappe Sache“ nannten. Er beschreibt die Nöte einer Tanguera, deren enges Kleid sich
beim Tanzen immer höher bewegt:
„Es
rutscht – und zwar nicht nach unten, wie man vermuten würde, sondern nach oben.
Entgegen der Schwerkraft. Wie kann das sein? Ich mochte Physik noch nie, und sie
mich ganz offensichtlich auch nicht. Aber es hilft nichts, mein
Kleid schiebt sich weiter nach oben. Schritt für Schritt, Millimeter
für Millimeter. (..) Inzwischen hat es eine gefährliche Zone erreicht, weiter
darf es nicht hochrutschen, sonst bin ich ziemlich entblößt. Es wird heikel. Ich
mache kürzere Schritte – Führung hin oder her. (….)
Das war absolut ernst
und wirklich sehr, sehr knapp.“
(Mehr
wird nicht verraten! Einfach selber lesen…)
Nun,
knapp war das Kleid sicher, ernst jedoch konnte ich beim Lesen nicht bleiben.
Der Mathematiker und Physiker Lichtenberg
hätte der Dame das Phänomen sicher erklären können. Es hat mit Schwerkraft
nichts zu tun, sondern mit Haftreibung.
Beim Einwirken von Scherungskräften sich berührender Körper (hier Kleiderstoff
und Hintern) kann so eine resultierende Kraft nach oben entstehen – sozusagen
zwischen Kimme und Korn. Nicht der Macho, sondern der Ocho hebt somit den Rock!
Wieder
einmal bewies sich, was Sex and Crime
auch in Tangoblogs ausrichten können: bislang 31 Kommentare! Noch ein Vorteil
kommt hier hinzu: Da weiß doch – anders als bei moderner Tangomusik und anderen
Randthemen – jeder was dazu! Bei
manchen Anmerkungen sieht man die
Lefzen förmlich triefen:
„Ja, manche Frauen
tanzen asexuell, das ist mir auch schon aufgefallen. Andere lassen es
rutschen.“
„Da sieht man sicher
bei 30 Grad in der Fußgängerzone mehr Popo als auf einer Milonga – also lass
rutschen! Kleiner Tipp: Unterwäsche anpassen (Optik, Form, Anti-Rutsch…).“
„Oh ja, Unterwäsche
ist ein wichtiger Punkt, es gibt regelrechte ‚Rutschunterwäsche‘, da rutscht
alles bestens in alle Richtungen, das macht‘s nicht leichter.“
„Erst vor ein paar
Wochen meinte eine Dame zu mir: So, Du tanzt jetzt das und das und das…, ich
habe ein neues Outfit, ich muss erst ausprobieren, ob eh alles am Platz
bleibt.“
„Tango als
Geschicklichkeitsspiel, bei dem man die Bällchen aus dem Körbchen heraus und
wieder hinein hüpfen lässt? Genial, das Problem ‚Männermangel‘ dürfte beiläufig
gelöst sein!“
„‚Hüpfen‘ war eher
scherzhaft gemeint, ‚schlüpfen‘ hätte es wohl besser getroffen, aber das fand
ich wiederum zu…hmmm.“
Dabei
wäre doch ein „Playboy“-Heft für 6,50 € preiswerter als so mancher
Milongabesuch; zudem sähe man deutlich mehr und könnte das lästige Tanzen weglassen!
Und wie reagieren unsere Bloggerinnen? Mit schönster Unschuldsmiene stehen sie zu ihren Absichten:
Und wie reagieren unsere Bloggerinnen? Mit schönster Unschuldsmiene stehen sie zu ihren Absichten:
„Und ja, es ist immer
wieder beeindruckend, wie die Texte zu den banalsten Themen, wie rutschende
Textilien, die meisten Reaktionen auslösen.“
Ich
gestehe, mich dabei per Kommentar
beklagt zu haben:
„Allerdings grenzt es
an sexuelle Diskriminierung, wenn Frauen zwar die Deutungshoheit über Röcke und
Kleider haben, nicht jedoch die Männer über Hosen.“
Als
Antwort erhielt ich von den Hausherrinnen die Berliner Version von Gleichberechtigung:
„Männer, die Röcke
oder Kleider tragen, können natürlich ebenso über die Erfahrungen, die sie
dabei machen, berichten wie Frauen, die Hosen tragen.“
Und
schließlich durfte ich von einem Zeitgenossen, der sich wohl nach den guten
alten Pöbelzeiten auf dem Forum „tanzmitmir“ zurücksehnt, noch
Folgendes entgegennehmen:
„Nun, werter G.R.,
sei versichert, die Deutungshoheit – oder ‚Meinungsführerschaft‘, über die Du
so gerne zu schwadronieren pflegst – bezüglich Deiner Hose bleibt Dir natürlich
ohne jegliche Anfechtung belassen.“
Na
eben – und jeder Schwachsinn, den man veröffentlicht, geht ja gerechterweise ins eigene Beinkleid…
Doch
auch das kann sich gelegentlich verabschieden wollen, wie in einer Geschichte, die mir eine
Tangofreundin aus ihrer Klinikzeit
erzählte: Der OP-Schwester fiel auf, dass der operierende Gynäkologe immer
breibeiniger am Tisch stand. Schließlich fragte sie ihn, ob er Probleme habe.
Ja, so der Arzt: „Meine Hose rutscht.“
Darauf die Schwester: „Da kann ich Ihnen
nicht helfen, ich bin auch steril.“
Das
wollen wir doch niemandem wünschen! Daher hoffe ich, dass beim Tango allezeit
die Hosen nicht zu weit und die Kleider nicht zu eng werden und somit
das verhüllen, was ich beim Durchschnittsalter im Tango wahrlich nicht sehen
möchte.
Und
wer sich nicht auf die Frau im Kleid, sondern auf das Kleid an der Frau
konzentriert, dem sei noch ein Wort des genialen Aphoristikers Georg Christoph Lichtenberg ans Herz gelegt:
„Wer einen Engel sucht und nur auf die Flügel schaut, könnte eine Gans
nach Hause bringen.“
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