Tanzpartner wechsel dich
Vor
einiger Zeit veröffentlichte ich den Gastbeitrag einer Berliner Tänzerin und
Leserin meines Blogs, die unter dem Pseudonym „Quotenfrau“ über ihre Erfahrungen im Führen berichtete:
Neulich
schrieb sie mir nun in einer Mail unter anderem:
„Tatsächlich sehe ich
in Kursen/Praktikas immer mehr führende Damen, und zwar nicht aus der Not
heraus, sondern mit vollem Wissen und Wollen. Ein neuer Trend scheint sich
aufzumachen.“
Ich
bot ihr an, über ihre Erfahrungen einen weiteren Gastbeitrag zu schreiben. Nun,
das Thema wurde dann ein etwas anderes, das ich gleichwohl spannend fand und es
veröffentlichen möchte:
Tanzpartner
wechsel dich
Nach drei Jahren im
Tangozirkus habe ich schon so manches „Tanzsportgerät“ begrüßen dürfen, weil
vorheriges mal wieder abhanden gekommen war. Das kennen wir wohl alle: Die
Halbwertszeit von Tanzpartnern ist begrenzt.
Meinen ersten fand ich
nach drei Wochen in der Börse einer Berliner Tangoschule, ein Glücksgriff. Er
wirbelte bereits mit Goldnadel geziert im Standardbereich und wollte halt noch
Tanz Nummer 14 in Form des Tango Argentino dazulernen. Wir harmonierten gut, er
lernte schnell, nahm sogar Privatstunden mit mir. Alles hätte so schön sein
können, bis nach einem Jahr eine junge Russin um die Ecke kam.... Da gab es
dann wohl mehr Zusatzleistungen als bei mir. Inzwischen weiß ich, dass ein Jahr
gemeinsamen Lernens schon seinesgleichen sucht.
Während meiner
Novizenzeit mit dem begabten Goldnadelträger lief mir ein quirliger
Mittelstufenchemiker über den Weg mit zwei Jahren Vorsprung, der gar keinen
Kurs wollte, mit mir aber quasi jede Milonga in Berlin reihum heimsuchte und mich
unermüdlich gegen den Schlafrhythmus und ohne Rücksicht auf die Kernarbeitszeit
übers Parkett schob. Ich habe viel von ihm gelernt, wir hatten einen Heidenspaß,
und es war die schönste Tangozeit meines (kurzen) Tangolebens inklusive
Spontanbesuch im Brody/Polen an einem Donnerstag mit selbstredend übermüdeter
körperlicher Anwesenheit im Büro im Morgengrauen des Folgetages. Nach sechs
Monaten – der geneigte Leser ahnt es schon – kam eine fesche Russin um die
Ecke, wo es offenbar mehr... aber das kennen wir ja schon.
Es folgte – nichts.
Niemand ließ sich erweichen. In den Börsen kam gar keine Reaktion, oder es
verschickte jemand identische Massengesuche, die Tangofreundin kannte den Text
dann bereits. Deshalb nahm ich allein bei fähigen hochpreisigen Showtänzern
renommierter Tangoschulen Nachhilfeunterricht. Wenn es da nicht läuft, weiß man
zumindest direkt, an wem es liegt...
Anfang des zweiten Jahres
erhielt ich eine elektronische Depesche, weil ich vor langer Zeit einmal in der
Zettelbörse eines Studios ein Gesuch deponiert hatte, dessen ich mich gar nicht
mehr entsinnen konnte.
Dieser Tanzpartner
war recht brauchbar, entwickelte sich dann sogar unverhofft sehr gut. Nach fünf
Monaten verletzte ich mich jedoch am Fuß, und er wollte lieber wieder in seinen
Ruderclub. Der Wechsel ins Wassersportmetier hat sich mir nicht ganz
erschlossen, wenn man doch bereits drei Jahre viel Zeit und Mühe in den Tango
investiert hatte. Von dort ist er jedenfalls nie wieder aufgetaucht. Wen er da
wohl kennengelernt hat?
Über eine Börse ergab
sich kurz ein neuer begabter Kontakt, der zufällig bereits den gleichen
Privatlehrer in Anspruch nahm. Leider wollte der sich außerhalb des Unterrichts
nicht zum Üben treffen. Mit einem Zweiten wiederholte sich die ganze
Geschichte. Seitdem bin ich unbemannt.
Mitte des dritten
Jahres fing ich an zu führen, und dort ist das Elend mit halbwegs talentierten
und engagierten Tanzpartnerinnen dasselbe, übrigens auch bei Führenden mit
Y-Chromosom, so sagten mir Betroffene. Führende haben üblicherweise das
Problem, dass sie länger brauchen als ihre Folgenden, die sich dann langweilen, weiterziehen
und gegebenenfalls auch gleich beim neuen Tanzpartner einziehen – da darf man
nicht auf Dankbarkeit hoffen.
Im Anfängerkurs bekam
ich eine brave Bürokraft zugeteilt, die dann zuverlässig einmal die Woche zur
Verfügung stand, aber leider gar keine Ambitionen hatte. Offerten meinerseits
zu Anfängermilongas oder freien Übungsstunden hat sie leider immer
ausgeschlagen. Ich glaube, das ist der Typus Tänzer, der einfach irgendein Hobby
sucht und sich zwischen Töpferkurs, Ruderclub oder irgend so einem Paartanz
entscheidet.
Irgendwann kam eine
reife, aber äußerst begabte Kindergärtnerin in den Kurs hineingeschneit, diese begleitete
mich sogar einmal zu einer Anfängermilonga und ging direkt weg wie warme
Semmeln. Aus unerfindlichen Gründen verschwand sie leider wieder. Auch andere
Führende aus dieser Veranstaltung haben ihr hinterhergetrauert.
In der Tanzbörse schrieb
ich sodann bestimmt zwanzig Damen an, von denen eine absagte und der Rest sich
in Schweigen hüllte. Die Bereitschaft, mit einer Frau zu tanzen, ist halt nicht
die größte. Irgendwann erbarmte sich aber doch eine, insbesondere nachdem ich
versicherte, dass ich Damen gegenüber keine amourösen Absichten hege. An meinem
Paradabeinchen schubbern ist natürlich zu Übungszwecken gestattet.
Zufällig in der
Tanzschule ergab sich weiter der Kontakt zu einer Schlagzeuglehrerin (in Berlin
gibt es ja alles), die sich hin und wieder mit mir zum Üben und Milongas
treffen wollte. An Taktgefühl mangelt es der Dame jedenfalls nicht, und auf
Ihrer ersten Milonga habe ich sie auch gleich diversen mir bekannten Herren
vorgestellt, und sie war den Abend über gut beschäftigt. Ich finde, Neulingen
muss man den Einstieg in die Szene erleichtern, und das nächste Mal kennt sie
schon ein paar Tänzer. Soweit von meiner Führungsfront.
Vielleicht findet
sich auch irgendwann wieder zufällig ein freigewordenes führendes „Tanzsportgerät“
für mich auf einer Milonga, denn wir rekapitulieren: Die Halbwertszeit von
Tanzpartnern ist begrenzt.
Vor
allem zwei Aspekte finde ich an diesem
Text bemerkenswert:
Hier
schreibt eine Frau, die sich aktiv um
ihre Fortschritte im Tango kümmert,
alles Mögliche versucht, eine Übungsperson zu finden. Ich kann das nur allen
Tangueras raten, die immer wieder mit Wehklagen kommen wie „keiner tanzt mit mir, ich sitze nur herum“. Das Hocken auf
Milongastühlchen in Erwartung des demnächst erscheinenden Traumprinzen führt zu
nichts außer Frustration plus erwartbarem Ausstieg.
Zweitens
ist es jammerschade, dass die Suche nach einem Tanzpartner oft genug als
versuchte Beziehungsanbahnung gemeint ist. Wie vielen geht es dabei wirklich ausschließlich ums Tanzen? Der
von mir geschätzte Prozentsatz entwickelt sich stetig nach unten! Und welche
Restmenge davon ist tatsächlich so ambitioniert, in den Tango die nötige Zeit
(und etwas Geld) zu investieren?
Gerade
Männer sind sehr schnell wieder weg, wenn die insgeheim erwarteten „Zusatzleistungen“ ausbleiben – und dann
oft noch still und heimlich, ohne Erklärung. „Gentlemanlike“ finde ich das
nicht gerade.
Umso
lieber veröffentliche ich da Gegenbeispiele
wie das der Autorin, der ich herzlich für ihre Geschichten danke!
Und
noch eins: Ich habe schon massenhaft lausig
führende Männer gesehen, jedoch kaum Frauen. Die Tangueras, welche sich das
trauen, tun dies meist auf der Basis einer großen tänzerischen Begabung. Den
Damen liegt es zudem weniger, ausschließlich „mit dem Kopf“ zu tanzen und teuer
gelernte „Figuren“ auf Biegen und Brechen zu erzwingen.
Ja, richtig – Ariadna Naveira ist die Tochter von Gustavo Naveira und Olga Besio.
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