Jungstar trifft Dorfmilonga
Vom
jungen Münchner DJ-Talent Manuel Frantz
hatte ich schon mehrfach gehört, bis uns eine der üblichen Debatten über die
Códigos in der hauptstädtischen Szene persönlich zusammenführte – hier der
betreffende Beitrag:
Der
Einstieg in unser Zwiegespräch: Ihm gefiel mein Text, was ich in dem Umfeld auch
nicht anders erwartet hatte, gar nicht.
„Schade dass der Artikel so langweilig ist. Es geht ja
wenig darüber, mal herzhaft über sich selbst zu lachen, aber so...“
Nun gut, es ergab sich ein längerer
Austausch, auch über Tangomusik – Manuel
Frantz ist natürlich ein „Strictly EdO“-Aufleger:
„Ich
persönlich mag die Tango Musik der 40er und 50er am liebsten und halte sie für
am tanzbarsten. Ich könnte dir auch erklären warum aber das würde hier den Rahmen
sprengen. (…)
Man kann unfassbar langweilig auflegen damit, das hab ich häufig schon erlitten. Aber es geht auch anders...“
Man kann unfassbar langweilig auflegen damit, das hab ich häufig schon erlitten. Aber es geht auch anders...“
Na, immerhin! Das machte mich neugierig. Da
es vom DJ keine veröffentlichten Playlisten
gibt, ging das wohl nur über einen persönlichen Eindruck, was er mir durchaus
anbot:
„Wenn’s dich
interessiert komm gerne mal vorbei wenn ich auflege.“
Das
nahm ich doch gerne an, allerdings mit der Ankündigung:
„Das Risiko bestünde
in einer eventuellen Besprechung auf dem Blog...“
Also
machten wir uns gestern in das kleine Dörfchen Thalhausen bei Altomünster auf, wo Levent Göksu, der quirlige Münchner Veranstalter von etwas anderen
Milongas, derzeit seine Tango-Wochenenden anbietet: Eine Fülle von Tanzzeit,
DJs, Tangolehrern sowie Begleitprogramm fast rund um die Uhr – Übernachtungsmöglichkeiten
eingeschlossen.
Levent und seine Frau Kerstin haben ein altes Wirtshaus in
dem kleinen Dorf zu einem „Tangotempel“ umgestaltet: schöner Saal mit großem
Parkett, geschmackvoller Ausstattung und gemütliche Wirtsstube.
Wir
waren dort schon einmal zu Gast – die damalige Milonga war schlecht besucht,
was ich angesichts des unterirdisch langweilig auflegenden argentinischen DJs
auch durchaus verdient fand.
Nun
also Manuel Frantz zur „Prime Time“
am Samstagabend!
Um
es gleich zusammenzufassen: Der Mann versteht sein Geschäft. Zwar durchweg Mainstream-Musik aus den „goldenen Zeiten“, aber unter sehr
guter Vermeidung allzu abgenudelter Titel, die man auf fast jeder
Tradi-Veranstaltung hört. Bei den Tangos
war seine Vorliebe für romantische Tenor-Schnulzen unüberhörbar (die ich teile,
für andere war’s vielleicht ein bissel viel). Die geschickt arrangierten Tandas
(natürlich allen Vorgaben der Tradition entsprechend) machten immer wieder neue
Lust aufs Tanzen (hervorzuheben die wunderbare Pugliese-Folge, welche natürlich
erst ab 23 Uhr erklang).
Ein
noch dickeres Lob verdienen die schwungvollen, sehr dynamischen Walzer (die mir teilweise noch unbekannt
waren) sowie die quirligen Milongas.
Statt des üblichen „Geschrammels“ die Konzentration auf ein unglaubliche Energielevel,
welches nie abflaute. Auch die Cortinas waren erfreulich leise und kurz – es sei
denn, jemand tanzte dazu (auch ein netter Zug, auf so etwas einzugehen).
Und
noch ein oft übersehender Aspekt: Der DJ beherrscht auch die Klaviatur der
Wiedergabetechnik perfekt – man hörte den Aufnahmen ihr wahres Alter nicht an.
Das
Einzige, was mich gewaltig störte: Wer hat eigentlich die Auflage erfunden, DJs müssten sich den ganzen Abend (abgesehen von
weiblichen Besuchen auf dem schon bereitgestellten Zweit-Stühlchen) wie ein Hackstock
hinter ihrer Anlage verschanzen und kein einziges Mal tanzen? Man muss dem jungen Mann allerdings nachsehen,
dass es sich hierbei offenbar um eine im Reich der Historienverwaltung übliche
Generaltugend handelt.
Aber
im Ernst: Wie kann man zu einer Musik, die einem doch (zu Recht) persönlich
gefällt, den ganzen Abend sitzen?
Ich brächte das nie fertig!
Daher
kann ich leider nichts über die Tanzqualitäten
des DJ sagen, welche er mir doch im Vorfeld angepriesen hatte:
„Naja, ich wette, ich
kann (natürlich immer auch abhängig vom Partner, aber nehmen wir uns mal selbst
als limitierende Faktoren an) auf der Stelle dynamischer und schneller tanzen
als du mit viel Platz, wobei der Vergleich aber natürlich nicht ganz fair ist,
weil ich vermutlich 20-30 Jahre hinterher bin.“
Nun,
ich vermute, es sind deutlich mehr als 30 Jahre! Und wie hatte mir Manuel
Frantz im Vorfeld geschrieben? „Ich hoffe, beim Tango laufen deine tänzerischen Dialoge anders ab.“
Na, und ich erst! Oder war ihm die Ronda nicht eng genug? Fragen über Fragen…
Derzeit
wird im Internet ein Text des Münchner DJs Jochen
Lüders herumgereicht, in dem es unter anderem heißt:
„Aus den genannten
Gründen habe ich natürlich auch kein Problem damit, wenn der DJ selber Spaß hat
und zu ‚seiner‘ Musik tanzt. Ich bin aus einem einzigen Grund DJ geworden,
nämlich um selber zu schöner Musik tanzen zu können. Das traditionelle DJ-Gebot
‚Du musst den ganzen Abend lang zumindest so tun, als ob du wahnsinnig
beschäftigt wärest, ständig auf dein Display starren und an deinen Knöpfen und
Schiebereglern rumfummeln, auf keinen Fall darfst du Spaß haben und selber tanzen‘
fand ich schon immer absurd.“
Wohl
wahr, aber Jochen Lüders legt eben moderner
auf, da gelten offenbar andere Spielregeln. Und es ist ja auch nicht so schlimm,
wenn sich auf dem Parkett hundert und mehr Leute tummeln. Gestern jedoch
bewegte sich die Besucherzahl in der Größenordnung des
SPD-Bundestags-Wahlergebnisses. Wenn dann alle bis auf den DJ und eine einzelne
rumsitzende Frau tanzen, ist dies für mich an der Peinlichkeitsgrenze.
Und
noch eins: Was sollen eigentlich die Kopfhörer?
Ich gehe eigentlich davon aus, dass ein Musikdarbieter die in Aussicht
genommenen Stücke kennt. Und dass für mich Surfen per Smartphone am Pult nichts verloren hat, behaupte ich ebenfalls
schon längere Zeit folgenlos…
Wie
wichtig Styling in diesem Segment
ist, bewies das Requisit neben dem Rechner: eine Kalebasse nebst Bombilla! Ob
die daneben stehende Thermoskanne das nötige Heißwasser für den Mate enthielt, konnte ich leider
nicht eruieren. Für den Satiriker natürlich ein wunderbarer Anlass, die
berühmte „Authentizität“ zu beschwören, welche für den Tango ja essenziell ist!
Aber
da ich davon nicht trinken musste, war es ein durchaus schöner Abend – auch dank der Gäste. Wieder einmal bewies
sich meine Erfahrung: Wer viele Kilometer über winterliche Straßen ins letzte
Kuhdorf fährt, dem geht es wahrlich ums Tanzen! Die Zahl guter Tänzer/innen
übertraf wohl so manche Großstadtmilonga mit der mehrfachen Gästezahl.
Apropos:
Ich hoffe, dem Veranstalter ist klar, dass er den rauschenden Erfolg der
sommerlichen Königsplatz-Milongas
nicht aufs Dorf verpflanzen kann. Die meisten Münchner fahren nicht mal nach
Gröbenzell, geschweige denn nach Thalhausen. Verdient hätte es die Milonga jedoch
allemal.
Bei
der Professionalität ist allerdings noch Luft nach oben: Wenn man einen
Veranstaltungsbeginn wochenlang für 20 Uhr ansetzt und dann im letzten Moment
noch die Zeit um eine Stunde verschiebt, wirkt das nicht vertrauenserweckend.
Anzuerkennen
ist, dass Levent und Kerstin zumindest alle Besucher sehr freundlich
begrüßen und verabschieden. Zwischendurch wäre auch da noch Spielraum: Ich finde,
sie müssten zumindest zur „Kernzeit“ noch präsenter
sein und auch mal mit neuen Gästen tanzen – die Vorliebe für Alpha-Frauen und
die Orientierung am „Schneckerle-Koeffizienten“ muss man deshalb ja nicht
völlig aufgeben… Und ich würde bei der Auswahl meiner Angestellten mehr auf soziale Kompetenzen achten.
Dennoch
ist die Veranstaltung es wert, empfohlen
und durch Besuch unterstützt zu
werden. Wer also in München schön und unbelästigt von Códigos tanzen möchte,
sollte nach Thalhausen fahren!
Quellen:
So, mein erster Kommentar ist anscheinend leider irgendwie verloren gegangen, ich versuch's nochmal!
AntwortenLöschenErstmal vielen Dank, Gerhard, für den größtenteils überaus positiven Bericht. Besonders gefreut hat mich, dass ich es offenbar geschafft habe, immer wieder Lust aufs Tanzen zu machen und dass sich meine Mühen bzgl des Klangs auszahlen. Beides liegt mir als DJ sehr am Herzen und ich widme diesen Themen viel Aufmerksamkeit. Jedes Mal ein Genuss ist es, für Tänzer aufzulegen, die wirklich auf die Musik hören. Dass du zu dieser Spezies gehörst ist mir schon an jenem Samstag Abend aufgefallen.
Mich wundert es nur, dass dich mein zähes Sitzfleisch "gewaltig störte. Und es wundert mich gleich in mehrfacher Hinsicht. Zunächst einmal fällt ein guter Klang ja nicht vom Himmel. Natürlich hab ich als DJ meine Hausaufgaben erledigt und mich um die klanglich besten erhältlichen Dateien bemüht. Dennoch bedarf es nicht selten kleiner Anpassungen der Lautstärke bzw einzelner Frequenzbänder mithilfe des EQ. Der zweite, für mich persönlich eigentlich viel entscheidendere Punkt ist, dass ich mich als DJ einfach nur schwer gleichzeitig aufs Tanzen konzentrieren kann. Es macht mir einfach mehr Freude mich einer Sache ganz zu widmen statt mehrerer mit nur halber Aufmerksamkeit.
Zu guter letzt wundert mich, dass es dich überhaupt kümmert, ob ich beim Auflegen tanze oder nicht. Vielleicht war ich ja auch einfach müde oder hatte mir den Fuß verknackst. Was weißt du denn von meinen Motiven?
Dieser Punkt betrifft natürlich genauso die Frage, ob ich nun Kopfhörer nutze, um sicherzugehen, dass die Übergänge so passen, wie ich es mir im Kopf vorstelle oder welches Getränk ich zu mir nehme. Im Allgemeinen ist mir Mate übrigens meist zu stark und ich reagiere oft sogar mit Unwohlsein. In dem Fall schmeckte er mir aber sehr gut und ich war Kerstin sehr dankbar für diese Aufmerksamkeit, da ich nach zu wenig Schlaf in der Nacht zuvor doch etwas müde war.
Zum Smartphone muss ich dir wiederum recht geben. Das war eigentlich ein Neujahrsvorsatz, dieser Sucht weniger zu fröhnen. Leider hakt es noch etwas an der Umsetzung, daher bin ich über solche Erinnerungen ganz und gar nicht böse.
Nochmal vielen Dank für den Besuch und die Besprechung. Für mich ja eine Premiere :D
Ich hoffe man sieht sich bald mal wieder!
Mit besten Grüßen
Manuel Frantz
Lieber Manuel,
Löschenmich hat deine Musikauswahl wirklich zum Tanzen animiert. Das Schöne ist, dass ich nicht für eine „Fraktion“ schreiben muss, sondern mir ein unabhängiges Urteil erlauben kann. Und wirklich – ich kann mich nicht erinnern, dass ich schon einmal ein 100 Prozent-EdO-Programm gehört habe, das derartig gut zusammengestellt war.
Dass du die anderen Dinge, die mir nicht so überzeugend erschienen, nun streng rational begründest, überrascht mich nicht. Ich verstünde es ja, dass ein DJ gelegentlich weniger tanzt, weil er sich um die Musik kümmern muss – geht mir manchmal auch so.
Aber gerade von konservativer Seite wird doch ständig die „soziale Komponente“ einer Milonga beschworen. Und wenn dann wenig los ist und einzelne Frauen herumsitzen… Natürlich kenne ich deine wahren Motive nicht. Ich kann nur den Eindruck schildern, den dieses verbreitete Verhalten gerade traditioneller DJs nicht nur auf mich macht – und es werden doch nicht alle müde sein oder sich den Fuß verstaucht haben!
Und ich nehm dir auch gerne ab, dass dir Mate schmeckt. Es muss dir nur klar sein, dass du einem Satiriker damit eine Steilvorlage lieferst, die zu verwandeln er fast schon verpflichtet ist…
Daher werde ich gerne einmal wieder eine Milonga besuchen, bei der du auflegst – falls mich nicht irgendwelche Tanzspur-Verordnungen des Veranstalters abhalten. Natürlich bist du auch herzlich eingeladen, einmal in Pörnbach zu tanzen. Die rationalen Begründungen, wieso dir das nicht möglich sein wird, schenke ich dir aber.
Mit besten Grüßen
Gerhard
Naja gut, ob nun Steilvorlage oder nicht, davon werd ich meine Konsum Entscheidung auch zukünftig nicht abhängig machen. Das Tor gönn ich dir.
AntwortenLöschenWo erfährt man denn von den Pörnbacher Milongas. Bis Mai wird es zwar tatsächlich nicht klappen, da ich bis dahin jedes Wochenende und im April auch längere Zeit unterwegs sein werde, aber irgendwann würde ich schon mal gerne vorbeischauen.
Manuel