Der Club, in den ich nicht gehe
„Ich
mag keinem Club angehören, der mich als Mitglied aufnimmt.“
(Groucho
Marx, Austritts-Telegramm an den
„Friars Club“)
Nach
meinen Erfahrungen ist die Münchner Szene noch krasser beieinander als der Rest
der Tangowelt – und das will inzwischen ja etwas heißen! Rätselhafte Verhaltensweisen sind hier an der Tagesordnung:
Man
hält sich selber für nicht elitär,
beklagt das allerdings bei örtlichen Kollegen, vor allem Tangolehrern. Wenn andere
dies aus eigenen Erfahrungen bestätigen, lässt man Schimpfkanonaden dagegen
los:
Selber
haben die Protagonisten in der Isarstadt natürlich durchgehend sowas von recht
– nur zitieren darf man sie nicht,
sonst… siehe oben!
Selbstredend
führt der dort flächendeckend praktizierte „traditionelle“ Tango zu einem
Höchstmaß an Galanterie gegenüber
dem Damenflor – was einzelne Salonlöwen allerdings nicht davon abhält, einander
der Frauenverachtung respektive Humorlosigkeit zu zeihen:
Und
obwohl doch die Synergie von Cabeceo-Seminaren, einfältiger Musik und
Verwarnung von Abweichlern längst gefruchtet haben müsste, findet man den Verkehr auf dem Parkett einiger
Milongas dort immer noch „zum Kotzen“:
Im
Kern geht es dort um die Eröffnung eines Edel-Clubs
im Jahr 2008, mit welchem man dem legendären „P
1“ Konkurrenz machen wollte und zu diesem Zweck auch den langjährigen
dortigen Türsteher Damir Fister
engagierte: das „HeIIeaven“ in der
betuchten Maximilianstraße 11 (vormals „Neva
Bar“). Nachdem der wenige Meter weiter mit seinem „Crown’s Club“ Schiffbruch erlitt, stand er nun auf der Straße –
freilich in wichtiger Mission.
Wie
lockt man die Münchner Schickeria an? Zunächst durch eine Gästeliste (hier an die 600 Personen). Auf ihr stehen möglichst
viele Promis (und solche, welche
sich dafür halten oder zumindest das nötige Geld haben, damit man es ihnen
abnimmt…). Nicht weniger wichtig: Weiber!
Diese sind, soweit keine VIPs, in der Regel Models aus dem Stall diverser Modeschöpfer,
welche man mit kostenlosem Verzehr lockt. Auch die Mädels erhalten einige
Getränkebons mit der Arbeitsanweisung, fürs weitere Zuschütten jemand zu
finden, der einen ausgibt… Und die Getränkekarte gibt’s schon mal „live“ auf
den nackten Busen gemalt (Video schon gesehen?).
Wie
kommt man auf die Gästeliste bzw. am Türsteher vorbei – falls weder prominent
noch jung, schön sowie willig? Zunächst einmal als Begleitung einer Very Important Person und dann vorwiegend durch
exzessiven Konsum plus sonstiger
Stimmungsverbreitung: Die Barkeeper geben natürlich die Information weiter,
wenn jemand bei ihnen eine Zwei-Liter-Wodkaflasche für an die tausend Euro
ordert – oder entsprechende Mengen an französischer Edelbrause, damit möglichst
den ganzen Tisch frei haltend.
Die
wichtigste Funktion der Gästeliste ist daher, darauf zu stehen und somit –
anders als das gemeine Volk – am
Türsteher vorbeizukommen. Dies hat 1928 schon Altmeister Tucholsky erkannt:
„Die Behördenspitzen
haben Anspruch auf einen Ehrenplatz sowie auf polizeiliche Absperrung, damit
sie dieselbe ungehindert passieren können. Die Spitzen sind tunlichst zu
fotografieren und der bessern Unterscheidung halber mit einem weißen Kreuz auf
dem Bauch zu versehen.“
https://www.textlog.de/tucholsky-spitzen-behoerden.html
https://www.textlog.de/tucholsky-spitzen-behoerden.html
Vorbild
ist deutschlandweit der ehemalige amerikanische Offiziersclub P 1 (war früher am Prinzregentenplatz 1 –
für fremdländische Zungen unaussprechlich, daher „P one“ oder auf münchnerisch „Oansa“ genannt), wo der schon erwähnte Damir Fister angeblich „die härteste Tür Münchens gemacht“ hat.
Für das ebenfalls bundesweit berüchtigte Münchner Publikum gilt somit der
umgekehrte Groucho Marx: „Ich
will unbedingt in einen Club, der mich nicht reinlässt“. Auch wenn dort
inzwischen, glaubt man den Google-Rezensionen,
statt Promis eher blasierte Junglümmel und „Spatzl-Larven“
Papis Geld unter die Leute bringen.
Das
obige Video zeigt auch Innenaufnahmen solcher Clubs (inklusive der Gäste) – und
nach deren Betrachtung steht für mich fest: Ich weiß nicht, wieviel Geld man
mir geben müsste, um einen solchen Laden einmal zu besuchen. Auf jeden Fall
würde ich in der Münchner Partymeile einen reservierten Parkplatz verlangen, um
meinen Nissan Micra zwischen den
Angeber-Boliden zu parken.
Aber sonst? Meine Zeit verschwenden mit Musik, deren öde Langeweile mich schon nach einer Minute abtörnt, mit Menschen, die, am Platz stehend, das Wippen mit dem kleinen Finger für Tanzen halten, die sich nur selber für schön und wichtig halten, deren Geplauder einen Informationsgehalt von 5 bit pro Abend aufweist, von denen etliche lediglich zum Abschleppen heißer Bräute oder betuchter Schicki-Micki-Hansel da sind und für die Musik nur ein Hintergrundgeräusch bildet? Das unerträgliche Promi-Gedudel ertragen? O nein!!
Aber sonst? Meine Zeit verschwenden mit Musik, deren öde Langeweile mich schon nach einer Minute abtörnt, mit Menschen, die, am Platz stehend, das Wippen mit dem kleinen Finger für Tanzen halten, die sich nur selber für schön und wichtig halten, deren Geplauder einen Informationsgehalt von 5 bit pro Abend aufweist, von denen etliche lediglich zum Abschleppen heißer Bräute oder betuchter Schicki-Micki-Hansel da sind und für die Musik nur ein Hintergrundgeräusch bildet? Das unerträgliche Promi-Gedudel ertragen? O nein!!
Da fiel mir die Parallele
zum Münchner Tango auf:
Gästelisten, so erfuhr ich
einmal, scheinen zu existieren – auf dass Tangolehrer und Veranstalter umsonst
reinkommen und ihren Promi-Status ausspielen können. Und Menschen, welche sich
für den Nabel der Welt halten, anstatt das Problem anatomisch etwas tiefer zu
verorten, gibt es ja genug! Warum aber, so frage ich mich, ist dort noch
niemand auf die Idee eines Türstehers
gekommen? Vor allem wohl deshalb, weil sie sich keinen leisten können –
immerhin verdienen die Burschen um die 10 € pro Stunde. Und zumindest in
Metropolen macht man eine Milonga nicht deshalb auf, weil man Geld investieren
möchte, sondern eher, weil man keines hat…
Vielleicht
werden uns die „Doormen“ im Tango
noch blühen – ich könnte es nur empfehlen, da Verbote immer anziehend wirken. Das war ja genau das Erfolgskonzept für Encuentros und andere geschlossene Events! Immerhin gibt es angesagt sein wollende Tangoabende in
der bayerischen Tangometropole mehr als genug. Da tummelt man sich dann wohl gerne
auf der Milonga, welche „die härtesten
Códigos macht“. Und den höchsten Promi-Faktor besitzt beim Tango eine Gruppe,
die bei gewöhnlichen Türstehern eher schlechte Chancen hat: Ausländer, zumal
solche aus Südamerika. Das nenne ich ausgleichende Gerechtigkeit!
Übrigens
gibt es den im Video präsentierten Club schon lange nicht mehr. Er wurde nach
einem Jahr geschlossen, ebenso wie sein Nachfolger „Bash Club“. Dann hieß der Laden „Addicted II“ – auch hier verlieren sich die Spuren in den Weiten
des Internets. Damit wechselten in der Maximilianstraße 11 die Veranstalter
ungefähr in dem Tempo wie in der Sonnenstraße 12. Das Rezept ist einfach:
Leute, welche bestens Bescheid wissen und in der Szene vernetzt sind, probieren
ein Konzept, das nicht funktioniert. Ihre Nachfolger setzen dann genau wieder
auf dieses und wundern sich, wieso sie ebenfalls scheitern. Das kann man
beliebig oft wiederholen…
Käme
ich an den Muskelpaketen am Eingang der Milongas vorbei oder müsste ich wegen „ideologischer
Abweichung“ (wie bei Cassiels Veranstaltungen) draußen bleiben? Ich bin optimistisch: Vielleicht sähe man
in mir die Tango-Ausgabe eines Society- und Klatschreporters – wie im wirklichen
Partyleben der legendäre Michael Graeter.
Nur würden sich dann die Türsteher nicht „Baby
Schimmerlos“, sondern „der mit dem
Pulli“ zuraunen… Und Menschen, die beim Tango schimmerlos bleiben, gibt es ja genug.
Ich tät' mir dann sogar einen „Kir Royal" bestellen!
Ich tät' mir dann sogar einen „Kir Royal" bestellen!
P.S. Demnächst auch ein Türsteher für unsere Wohnzimmer-Milonga? Ach, den haben wir doch schon - die Gäste müssen ja alle an mir vorbei!
Kommentare
Kommentar veröffentlichen