Aníbal Triole
„Sprache ist eine Waffe. Haltet sie scharf. Wer schludert,
der sei verlacht, für und für. Wer aus Zeitungswörtern und Versammlungssätzen seines
dahinlabert, der sei ausgewischt, immerdar.“
(Kurt Tucholsky: „Mir
fehlt ein Wort“, 1929)
Ich habe schon darüber berichtet: Vor über
drei Monaten versuchte ein Leser meines neuen Tangobuches, mir (unter dem
Pseudonym „Englischfan“) per Verriss bei „Amazon“ ein wenig zu schaden:
Dass ein Autor
auf eine negative Rezension dann persönlich
antwortet, ja gar einen Artikel in seinem Blog darüber schreibt, empfand der
Kritikus als dreiste Zumutung. Besonders sauer war er allerdings, als ich eine
weitere Besprechung von ihm entdeckte, nämlich zu einem Tangobuch von Michael Lavocah, in der ich folgende
Zeilen fand:
„We need more (Triole und Pugliese gibt es ja schon ;-)
als Einzelbuch...). DANKE für dieses tolle Buch.“
Den
ziemlich happigen Schreibfehler
kommentierte ich wie folgt: „Unter einer
Triole versteht man musikalisch einen Notenwert, welcher in drei Drittel
unterteilt wird. Der berühmte Tangomusiker und -komponist heißt Aníbal Troilo.“
Auf
solche Anmerkungen kriege ich stets zweierlei zu hören: Erstens die übliche „Oberlehrer-Schelte“ und zweitens eine
Rechtfertigung des Inhalts, dass der
Schreiber für solche orthografischen Griffe ins Klo nichts kann. So auch
hier:
„Das
war echt lustig (keine gute Deutsch, ich weiß, aber Sie sind doch eigentlich
auch Bio - und Chemielehrer. Okay ich probiere es noch mal: Triole Mist die
Autokorrektur macht aus dem korrekten Troilo immer die Triole, die man jetzt in
Anführungszeichen hätte setzen müssen.“
Ein bisschen peinlich war dem Sprachkünstler
sein Missgriff dann wohl doch: Sowohl diese als auch die Rezension meines
Buches wurden gelöscht, und das Pseudonym „Englischfan“ gibt’s nicht
mehr. Ersatzweise hat nun ein „Thomas“
ähnlichen Besprechungs-Müll produziert…
Ein noch weiter ins Pathologische gehender
Fall: Ein Tangolehrer verlangte das
Geld für mein Buch zurück, da ich ihn mit dem Kaufanreiz „betrogen“ hätte. Im
weiteren Wortwechsel zog er einen Vergleich zwischen dem „Milonga-Führer“ und Hitlers
„Mein Kampf“. Zudem attestierte er mir eine „pseudointerlektuelle Fassade“.
Das brachte selbst meine Frau so sehr in Rage, dass sie dem Tanzpädagogen unter
anderem schrieb: „Ich denke, man sollte vorsichtig sein, über die intellektuellen Fähigkeiten
anderer zu urteilen, wenn man das Wort ‚intellektuell' selbst nicht
einmal richtig zu schreiben vermag!“
Auch hier
das gleiche Reaktionsschema: „Im Übrigen zeigen Sie sich wieder mal im
Oberlehrertalar, wenn sie in einem von mir in einem klapperigen Bus mit
Smartphone-Tastatur eiligst geschriebene Rechtschreibfehler kritisieren. Unterste
Schiene!“ (Abgesehen davon eher eine schlichte Ausrede: Man hatte wohl die
lateinische Präposition „inter“ in
einen falschen Zusammenhang gebracht…)
Und das sind ja wahrhaftig keine Einzelfälle:
Im Internet wird flächendeckend ein Schluderdeutsch
geschrieben, welches es nicht in sich hat – aber natürlich beanspruchen all
diese Schreibtischtäter, für voll und sogar ernst genommen zu werden…
Daher will ich euch – ganz im Sinne des
großen Lehrmeisters Tucholsky – mal
was sagen:
Mir ist es sowas von wurst, ob ihr das, was ihr für Deutsch haltet, mit dem
Griffel in Marmor ritzt, auf wackligem Untergrund in euer Smartphone zittert
oder zu dämlich seid, mit der Autokorrektur-Funktion zurechtzukommen. Es steht
euch nämlich frei, eine Veröffentlichungsweise zu wählen, mit der ihr halbwegs
leserliche Sätze hinbekommt, oder euch halt als Dummdödel zu profilieren.
Und natürlich besteht da ein Zusammenhang zwischen Form, Inhalt und
auch persönlichem Charakter – und da verfalle ich jetzt auf ein Zauberwort,
welches ja gerade konservative Tangovertreter so gerne im Munde führen: Respekt. Nämlich vor dem Leser, indem
man es ihm möglichst leicht macht, statt ihm Minuten wertvoller
Lebenszeit zu rauben, bis er das Smartphone-Gedüdel endlich entziffert hat.
Schon mal darüber nachgedacht?
Um die nun sicherlich beabsichtigten Missverständnisse ein wenig zu
erschweren: Natürlich würde ich nie einen Hauptschulabsolventen mit Ironie
überschütten, wenn er in einfacher Sprache etwas veröffentlicht. Aber das ist
im Tango ja nicht das Problem: Bei den Herrschaften, welche hierzu etwas
publizieren, handelt es sich überwiegend (und auch leider) um „G’studierte“,
die im gescheit Daherreden einsame Spitze sind. Wenn so einer „Piazzolla“ dann mit einem „z“ schreibt,
ist die die satirische Fallhöhe groß genug, um sie nicht zu übergehen zu wollen.
Und klar unterlaufen mir auch selber Fehler. Daher lese ich jede Mail,
welche ich verschicke, mindestens dreimal vor dem Absenden – und die Blogtexte
werden von mir noch öfter per Aktualisierung korrigiert. Außerdem besitzt so ziemlich jedes Internet-Forum eine „Edit“-Funktion, mittels welcher man
auch nachträglich noch korrigieren darf. Und man könnte längere Texte ja auch
per „Word“ verfassen (inklusive Rechtschreibprüfung) und dann in den
Kommentarkasten hineinkopieren!
Zudem habe ich noch eine studierte Germanistin
fürs Lektorat – aber das sollte man
natürlich nicht von jedem erwarten…. Und die Tatsachen-Recherche ist ja heute
per Internet einfacher denn je. Mein Prinzip ist also, mir selber mehr Arbeit zu machen, auf dass der Leser weniger hat.
Dennoch bleiben auch in meinen Texten
sicherlich Fehler unentdeckt – aber ob man „der
eine und der andere“ groß oder klein schreibt (Letzteres trifft zu),
beeinflusst ja nicht die Verständlichkeit. Ums Schulmeistern geht es mir wahrlich nicht!
Und apropos, weil ich sonst dran ersticke:
Das dämliche Geschwätz vom „Oberlehrer“
geht mir nicht erst heute auf den Zeiger. In meinem Berufsleben habe ich
erfahren, dass wir es gar nicht richtig machen können: Wir sollen die Schüler
möglichst effektiv qualifizieren,
dürfen allerdings möglichst keine Standards
setzen, die dann halt logischerweise manchmal unterschritten werden. Sonst
versündigen wir uns an der armen Kinderseele, die ja bekanntlich stets auf
Leistung orientiert ist. Wahrlich, wer Elternsprechstunden abhalten durfte,
weiß, dass es nicht nur bei gewissen Staatspräsidenten eine „Kultur des
Beleidigtseins“ gibt.
Und weil sich mein anfangs zitierter Kritiker
gar so wunderte, was mich als Lehrer für Biologie und Chemie die Sprachkultur
anginge: Als ich 1977 mit dem Schuldienst begann, gab es in der Schulordnung
einen bemerkenswerten Satz: Im Mittelpunkt jedes Unterrichts steht die
Pflege der deutschen Sprache. Bei
irgendeiner späteren Gesetzesreform hat man diese Feststellung dann
wohl untergepflügt – ich habe mich dennoch daran gehalten.
Einmal hat sich einen ganze Klassenelternversammlung gegen mich
zusammengerottet, weil ich es wagte, in einer Prüfung die „Geiseltierchen“ als falsch zu bewerten: Von selbigen Einzellern
ist mir nämlich nicht bekannt, dass sie andere gefangen nehmen – eher sorgen
sie mit einer Art Propeller (mit scharfem „S“) für den nötigen Antrieb. Und
auch der Begriff „Rückenrad“ fand bei
mir keine Gnade, da man das Organ, welches Beamten angeblich fehlt, etwas
anders schreibt. „Bewerten Sie auch
Rechtschreibfehler?“ Ja, wenn sie sinnentstellend sind!
Klar kann man über all das „gnädig“
hinwegsehen. In einem Bewerbungsschreiben würden solche sprachlichen Kreationen dann eventuell den in Aussicht stehenden
Job kosten. Tut man damit seinen Schülern einen Gefallen?
„Bewerbungssünden
Das
Ergebnis: Rechtschreibung spielt für die Personaler eine herausragende Rolle.
Bei einem Drittel der Personalverantwortlichen erhält der Bewerber schon bei
mehr als einem Fehler in der Bewerbung eine Absage. Enthält das
Bewerbungsschreiben mehr als drei Fehler, hat es nur noch bei 30% der
Personaler eine Chance. Auch in der Rubrik ‚schlimmste Bewerbungssünden‘ liegen
Rechtschreibfehler und eine unangemessene Sprache ganz weit vorne. Insbesondere
eine falsche Schreibung ihres Namens oder der Firmen-Adresse stoßen bei
Personalern auf Ablehnung.“
Dennoch muss niemand befürchten, dass er
für einen Kommentar oder eine Mail an mich schlechte Noten bekommt. Wer
allerdings seine Fallhöhe freiwillig erhöht, indem er ein hohes Ross besteigt
und anschließend einen faulen Apfel fallen lässt, könnte statt im
tangopolitischen Elysium als Gag auf meinem Blog landen. Für das zugehörige
Wiehern sorge ich gerne.
Und hier noch Kostproben eines wahren Experten:
Gut gebrüllt, Gerhard. Der Absatz, der mit "Mir ist es sowas von wurst" beginnt - besser kann man es nicht ausdrücken.
AntwortenLöschenUnd, sorry, couldn't resist, das ist für mich einer der Gründe - aber bei weitem nicht der einzige - der mich gewisse angeblich soziale Medien meiden läßt. Das ist mir übrigens neulich bei einem Spaziergang mit meinem kleinen Leih-Hund aufgefallen - es gibt dort Stellen, die wahrscheinlich in Hundekreisen das Äquivalent von Gesichtsbuch sind - jeder will dort seine Duftmarke hinterlassen.
Vielen Dank!
LöschenUnd netter Vergleich - trifft sicherlich für etliche Nutzer zu.
Aber wo sonst kriegt man so köstlichen Trash wie Fotos von der Lieblingskatze und völlig verunglückte Selbstportraits, die auch noch alle 14 Tage ausgetauscht werden?
Man muss natürlich eine gewisse Freude am Schrecklichen haben können...