Liebes Tagebuch… 38
Dialog
in der FB-Gruppe „Tango München“:
„Zum Kotzen:Diese
Milongas, wo du nach jeder Drehung neue Nachbarn hast.“
„un beso Oli.“
Na
– wenn der grade gekotzt hat?
Ein guter Lehrer geht ja besonders streng mit Schülern um, die
er für sehr begabt hält – auf dass sie ihr Talent nicht vergeuden, sondern das
Optimale daraus machen!
Nun besteht in diesem Fall kein Lehrer-Schüler-Verhältnis (und
wenn, dann eher umgekehrt); dennoch muss ich auch mal die tadeln, welche ich
sonst (und zwar aus Überzeugung) hemmungslos lobe.
Ich spreche von einer meiner Lieblings-Milongas, in der sonst
wirklich alles stimmt: Musik, Platz, Gäste, Stimmung… Neulich war’s ein wenig
anders, und das hatte wohl einen konkreten Grund:
Einmal jährlich ist der Ort Schauplatz einer Tangoreise, bei der
man Unterricht nebst Vollpension buchen kann. Als Protagonist wirkt ein aus
Berlin angereister Tangolehrer, der im Hauptberuf als Heilpraktiker arbeitet –
assistiert von der örtlichen Veranstalterin, die ebenfalls Tango unterrichtet.
Die Abschlussmilonga ist öffentlich, auf dass die Kursteilnehmer auch mal mit
der „freien Wildbahn“ in Kontakt kommen.
Bereits in seinem Flyer lässt der Reiseleiter Vokabeln fallen,
welche dem Insider verraten: Der Mann vertritt den heute grassierenden,
kalorienreduzierten Tango – „das
Unterrichten von Führen und Folgen, wie es typisch für den sozialen Tango
Argentino ist“, „salongerechte Mini-Colgadas und Volcadas“. Aha.
Nun muss man wissen, dass an diesem Ort sonst der Bär steppt: Die
geniale, vielgestaltige Musikmischung des Gastgebers verführt zu
energiereichem, dynamischem Tanzen, was natürlich auch das entsprechende
Publikum anlockt und so eine wunderbare Stimmung erzeugt. Und Platz zur
kreativen Bewegung ist in dem großen Saal jede Menge – eigentlich…
Nun war jedoch neulich der Berliner Bär da – und mit ihm plötzlich nur
noch der halbe Platz! Der Grund: In bester Traditionalisten-Übung hatte man
kurzerhand die Fläche durch eine Reihe von Tischen in der Mitte auf die Hälfte
reduziert. Und die Musik, die der Hausherr an diesem Abend auflegte, war nicht
schlecht (bringt der wohl gar nicht fertig), aber schon mit deutlichem Kotau vor dem
Chef aus der Bundeshauptstadt – der erste moderne Tango kam dann erst nach zwei
Stunden… Zeitweise wirkte es so, als ob der Chef auch mal auflegte, oder
schrieb er auf seinem Laptop doch nur eine Mail?
Den reisenden Schülern sah man an, dass sie von ihm aufs brave
Ronda-Hinterherdackeln dressiert waren. Da ich die Veranstaltung in meinem
Umfeld empfohlen hatte, brachte das knappe Dutzend Vertreter der „Pörnbacher Wohnzimmer-Guerilla“
die schöne Ordnung zwar (trotz der strengen Blicke von oben) nach Kräften ins
Wanken – soweit dies halt die halbierte Fläche zuließ.
Mir wurde an diesem Abend wieder einmal klar, wie leicht es doch
ist, aus einer blühenden, fantasievollen Milonga ein braves Kastrationsprodukt
zu fabrizieren: weniger Platz, nicht überbordende Musik, entsprechend
eingenordete Schüler – um es mit dem Gymnasium zu vergleichen: T 8 statt T 9.
Nun weiß ich natürlich nicht, welche vertraglichen Festlegungen
die Hausherren verpflichteten, sich den Direktiven des Reiseleiters zu beugen.
Ich fürchte jedoch: gar keine. Sowas läuft in der Regel viel sublimer: „Stellen wir doch die Tische etwas enger,
dann wird es viel gemütlicher.“ „Meine Schüler haben klassischen Tango gelernt
und bräuchten daher schon vorwiegend diese Musik.“ Ja, ja…
Nun, immerhin haben wir gestern vielleicht den einen oder
anderen Adepten des „reinrassigen Tango“ ein wenig Stoff zum Nachdenken geliefert:
Wie man „gegen alle Regeln“ tanzen kann und es doch passt, ja sogar das macht,
was ja in der konservativen Tangoszene äußerst verpönt ist: Spaß.
Dem Reiseleiter aus dem fernen Berlin machte es wohl keinen –
jedenfalls sah er sich nicht in der Lage, auch nur eine der „wild" tanzenden
Gast-Tangueras aufzufordern. Da sind die eigenen Schülerinnen schon angenehmer:
Die wissen ja, was kommt (und was nicht)…
Sogar ein ketzerischer politischer Gedanke kam mir an diesem
Abend: Vielleicht hätte man in der heutigen Hauptstadt die Mauer doch stehen
lassen sollen… manche dort wollen es offenbar so!
Tische in der Mitte, oh je, wer saß denn dort?
AntwortenLöschenDann begebe ich mich mal in die Verlegenheit und bitte das "dreckige" Dutzend mal hierher:
http://www.staatstheater-wiesbaden.de/programm/spielplan/salon-tango/
Letzte Veranstaltung in der aktuellen Saison am 10. Juni.
2018 mit 2 Doppelveranstaltungen, eine sogar während der Wiesbadener Maifestspiele.
Zuerst Konzert und dann anschließend mit Live Orchester im Foyer Saal, meistens mit 3 Sets.
Und "Pausenmusik" von der CD ;-)
Wie wärs?
Grundsätzlich gerne, auch wenn es in unseren Breiten schon noch etliche Milongas mit guter Musik (und auch Platz) gibt.
LöschenApropos: Wie wird in Wiesbaden aufgelegt? Davon lese ich nichts in der obigen Ankündigung.
Und nur zur Sicherheit: Die Tische trennten den Raum in zwei Hälften, von denen eine ungenützt blieb!
"(..)Und nur zur Sicherheit: Die Tische trennten den Raum in zwei Hälften, von denen eine ungenützt blieb!"
AntwortenLöschenDas war ja dann eine komplette weitere Tanzfläche, du meine Güte, warum wurde diese nicht für Klaustrophobiker ;-P geöffnet!?
(..)Apropos: Wie wird in Wiesbaden aufgelegt? Davon lese ich nichts in der obigen Ankündigung.(..)
Die nächste Veranstaltung ist erst am 10. Juni und die Tickets werden frühestens 8 Wochen vorher zum Verkauf frei geschaltet.
Folgendes ist geplant :-)
"Faux Pas" mit den Sängern Mario Pinnola und Michael Fanger
In dieser Saison hatte ich unter anderem die Ehre mit folgenden zu Tanzen ;-) ... du meine Güte, ich habe tatsächlich alle erleben dürfen :-)
Der Veranstalter Gabriel Sala, und auch einer meiner Tanzlehrer - welch ein Privileg, bezeichnet diese Veranstaltung nicht als Milonga sondern als Event/Ereignis!
Hier eine kleine Kostprobe, wohlgemerkt mit ca. 74 Jahren letztes Jahr, laut ihm 105 ;-) , zusammen mit Carla Pulvermacher, ich fand es schön !
https://youtu.be/nlv1vIvk9-w
23.09.2016 Event mit Sets zum Tanzen
"Pasion Tango" mit "Gabriel Merlino Quartett"
Gabriel Merlino Bandoneon
Vanina Tagini Gesang
Amadeo Espina Geige
Pablo Woizinsky Klavier
Was für eine Stimme und was für ein tolles Bandoneon Spiel :-)
27.10.2016 Event mit Sets zum Tanzen
Las Ranas
Pablo Schiaffino und Leandro Schnaider
03.12.2016
Zuerst Konzert
und anschließend Event mit Sets zum Tanzen
Roger Helou mit Silencio
https://youtu.be/dnLML_7suOc
War toll!
24.02.2017 Event mit Sets zum Tanzen
La Hoguera Tango
(Die Scheiterhaufen)
25.03.2017 Event mit Sets zum Tanzen
Es war SCIAMMARELLA TANGO geplant, ein Damen Orchester mit Debüt in Europa, mussten aber aus organisatorischen Gründen absagen.
Es spielte dann Pianissimo
Alles Live und somit über die gesamte Bandbreite der Tango Geschichte!
Es war bisher einfach nur großartig.
Wie bereits erwähnt, in der nächsten Spielzeit mit zwei Doppelveranstaltungen durch die Maifestspiele.
Meine Lebensgefährtin und ich freuen uns schon riesig darauf...
Danke für die interessanten Beispiele!
LöschenLas Ranas und das Gabriel Merlino Quartett habe ich schon live gehört - insbesondere letzteres ist großartig!