Erotik hinterm Mond

 

Hat jetzt das große Schweigen auf den Tangoblogs ein Ende? Immerhin veröffentlicht nun ein Kollege, der es vor Jahren schon einmal versuchte, alle paar Tage einen längeren Artikel. Das ist doch schön!

Persönlich interessieren mich seine Texte allerdings wenig, da sie sich oft mehr mit Technik als mit Tango beschäftigen. Aber gut – auch für diese Sparte sollte es in unserem Tanz genügend Interessenten geben. Und mir muss ja nichts alles gefallen.

Mit Klarnamen jedenfalls hat Wolfgang Balzer alias Yokoito nach eigenem Bekenntnis keine Probleme mehr. Während er aber früher Kommentare für das Lebenselixier von Blogs hielt, muss man ihm inzwischen Anmerkungen per Mail zusenden, welche er dann – falls relevant genug – zu veröffentlichen verspricht. Nach meinen Beobachtungen kommt da aber nicht viel, was in des Meisters Augen Gnade findet. Nun gut, dass die Mehrzahl von Leser-Anmerkungen (falls sie denn überhaupt erfolgen) eine Veröffentlichung nicht wert sind, weiß ich seit vielen Jahren…

Ich habe mich zu den meisten der aktuellen Texte des Kollegen nicht geäußert, da sie mich persönlich nicht interessieren. Das muss jedoch kein Qualitätsurteil sein. Jeder (und jede), der (oder die) möchte, darf sie ja lesen und spannend finden.

Gestern nun hat der Kollege allerdings einen Artikel verfasst, der in meinen Aufmerksamkeits-Bereich (also satirisch Verwertbares) fällt: „Pugliese und der Tanz mit dem Mond“.

https://tangoblogblog.wordpress.com/2025/03/08/pugliese-und-der-tanz-mit-dem-mond/

Wenn er mit seiner Liebsten „die Melodie der Körper“ erklingen lasse, so der Autor, hörten die beiden gern „leise Hintergrundmusik“.

Huch, falle ich da meiner schlechten Fantasie zum Opfer, oder deutet der Autor hier kryptisch Beischlaf-Gedudel an?

Sein Tangolehrer, so der Kollege, habe ihm zur Vorbereitung eines Kursabends eine kleine Liste von Pugliese-Titeln geschickt, welche angeblich genau zu „besagten Aktivitäten“ gepasst habe. (Ob dies der Absicht der Lehrkraft entsprach, mag man bezweifeln.)

So fern liege das ja auch nicht: Für kaum Tangoaffine (der Schreiber verwendet hier den Harry Potter-Begriff „Muggels“) sei dieser Tanz ja eh „der vertikale Ausdruck eines horizontalen Verlangens“ – und auch wenn das nicht zuträfe, ließen wir Tangoleute das gemeine Volk lieber in dem Irrglauben, dass es bei unserem Tanz genau darum gehe. Schlimmstenfalls, indem wir „ein vielsagend-verschwiegenes Lächeln hinbekommen“. Ein Kavalier, der schweigt, hat also genossen…

Auch ohne wissenschaftliche Daten vermutet der Autor, dass gerade Puglieses Musik dieses Bremsigkeits-Moment transportiere. Und nicht den „Soundtrack für halb geistesabwesendes Streicheln“. Wohl aus empirischen Gründen.

Da solche Fragen den „Wissenschaftler“ im Autor weckten (hätte ich jetzt nicht erwartet), kriegen wir noch einige Vermutungen aufgetischt. Der Schreiber jedenfalls sieht da Parallelen:

„Wovon ich spreche, ist jedenfalls ein harmonischer Aufbau hin zu einem Zwischen-Hoch, dann vielleicht wieder ein Nachlassen, und eine neue Runde – und irgendwann dann ein finaler Anstieg, ein Plateau, und einem Ausklang hin zu völliger Entspannung.“ Schließlich könne das Thema „auf einer eher unterbewussten Ebene doch präsent“ sein. Na ja, vielleicht nicht nur dort…

„Auch die Pugliesephilie mancher Blogschaffender mag tiefenpsychologisch mit entsprechenden Sehnsüchten zu tun haben.“ Mei, bin ich froh, dass ich den Meister in meinen Artikeln weniger beachte, sondern eher Piazzolla herausstelle! Hat sicher auch einen tiefenpsychologischen Grund!

Wie zu erwarten kriegen nun auch die modernen Orchester noch ihr Fett ab: Sie betrieben zu viel „Zurschaustellung ihrer musikalischen Fähigkeiten“ und verstünden sich – anders als die Tradi-Orchester der EdO – zu wenig als „Dienstleister für Tänzer“. Man könne sie mit einem Liebhaber vergleichen, der eher autoerotisch unterwegs sei, statt sich um die Freude seiner Gespielin zu kümmern".

Okay, nun habe ich auf den Milongas schon Autoerotiker zu fast jeder Art von Musik umhertaumeln sehen – aber sei’s drum!

„Wenn du etwas aus dem Bereich des menschlichen Verhaltens verstehen willst, schau es Dir unter dem Blickwinkel der Fortpflanzung an“, so zitiert der Autor einen Evolutionsbiologen. Ich finde, das trifft perfekt auf den vorliegenden Artikel zu.

Eine schöne Erkenntnis des Autors ist auch diese:   

„Und es gibt ja Veranstalter, die es unter Pugliese gar nicht machen, auch wenn sie damit (in my humble opinion) 95% ihrer Kundschaft in die Überforderung treiben.“

Ich fürchte, dies gilt auch für Blogger, die uns unbedingt die Wirksamkeit ihrer Beischlafmusik dartun müssen. Persönlich hätte ich auf die Darstellung sinnlichen Geturnes älterer Herren verzichten können. Selbst auf dem Parkett oder hinterm Mond.

P.S. Aber da ich so selten Osvaldo Pugliese empfehle, hier wenigstens ein Beispiel. Glücklicherweise nur auf dem Parkett:

https://www.youtube.com/watch?v=ud0Q1_IrMCA

Kommentare

  1. Hallo Gerhard, eine Freundin von mir hat vor ein paar Jahren mal den Begriff "ironiefest" geprägt. Für einen Satiriker ist das, denke ich, aber eine eher nicht so positive Eigenschaft. Dennoch danke für Deine Einlassungen, freut mich, daß ich es geschafft habe, Deiner in letzter Zeit eher erschlaffenden Kreativität nochmal etwas Leben einzuhauchen.
    Yokoito aka Wolfgang Balzer

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    1. Lieber Yokoito,
      bei fast 2000 Artikeln auf meinem Blog nehme ich den Begriff „erschlaffende Kreativität“ gefasst entgegen.
      Aber du hast recht: „Ironiefest“ ist keine so günstige Beschreibung. Dass sie Deiner Freundin eingefallen ist, sollte dir zu denken geben.
      Viel Kreativität war für meinen Artikel bei solchen Vorlagen nicht vonnöten. Daher wünsche ich dir weiterhin gute Inspirationen für weitere Veröffentlichungen!
      Beste Grüße
      Gerhard

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    2. Hallo Gerhard, ich war etwas schockiert, als ich Deine letzte Replik gelesen habe. Ich hatte mehr erwartet. Das gibt maximal eine 4-. Du kannst das besser!
      Was das Kommentieren angeht - kann es sein, daß Du da einen leichten Fetisch hast? Erstmal - Deine Fantasien über Tausende von Mail-Kommentaren, die ich bekomme und böswilligerweise unterdrücke, fand ich super, offenbar erkennst Du mein Potential zum Berühmtwerden. Tatsache ist allerdings, daß ich bisher nur einen (sehr sachlichen) Kommentar bekommen habe und diesen auch wie angekündigt als Update an den Artikel drangehängt habe. Aber mit "wenig Kommentaren" kennst Du Dich ja aus. Abgesehen davon - was ist nochmal der Unterschied zwischen einem Kommentar im Blog-System, den der "Herrscher" dann nach Belieben löschen oder kürzen kann, und einem Mail-Kommentar?
      Guten Start in die Woche
      Yokoito aka Wolfgang Balzer (übrigens ist Yokoito das japanische Wort für "Wolle")

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    3. Lieber Wolfgang,
      ich vermeide es, Kommentatoren Noten zu erteilen. Sonst wird als Reaktion fast automatisch das Lehrer-Klischee bedient.
      Wie viele Kommentare du erhältst, ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal. Ich war stets der Meinung, dass dies mit der Qualität von Artikeln wenig zu tun hat. Die Vermutung, dass ausgerechnet ich da einen „leichten Fetisch“ habe, ist schon abenteuerlich. Auch, dass du Kommentare unterdrücken würdest.
      Dass ich mich mit wenig Kommentaren auskennen würde, kann ich bei über 5000 Zuschriften seit Bestehen meines Blogs ebenfalls nicht nachvollziehen.
      In meinem Blog kann ich entscheiden, ob ich Kommentare veröffentliche oder nicht. Kürzen oder sonst wie verändern kann ich sie nicht. Bei Mail-Zuschriften ist beides möglich.
      Ich weiß nicht, ob es etwas bringt, wenn du mit solchen Anwürfen reagierst. Ich fände es besser, wenn du auf den Inhalt deiner Veröffentlichungen eingehen würdest. Aber letztlich ist es deine Entscheidung.
      Beste Grüße
      Gerhard

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  2. Abenteuer Textinterpretation: "Nach meinen Beobachtungen kommt da aber nicht viel, was in des Meisters Augen Gnade findet. Nun gut, dass die Mehrzahl von Leser-Anmerkungen (falls sie denn überhaupt erfolgen) eine Veröffentlichung nicht wert sind, weiß ich seit vielen Jahren…". Klar, das hat gar nichts mit Vermutungen zu "Kommentare unterdrücken" zu tun. Ansonsten läßt mich Deine Replik etwas ratlos zurück. Ich soll auf den Inhalt meiner Veröffentlichungen eingehen? Ich hatte Dir ja mal vorgeschlagen, eine KI mit Deinen Blogartikeln zu trainieren und dann einen Riedl-Text erzeugen zu lassen, was Du, wenn ich mich richtig erinnere, mit einem doch eher satiretechnisch unentspannten Satz mit dem Wort "Urheberrecht" kommentiert hast. Schlägst Du jetzt vor, ich soll KI-generierte Riedl-Kommentare zu meinen eigenen Blogartikeln erzeugen?
    Yokoito aka Wolfgang Balzer

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    1. Lieber Wolfgang,
      wenn ich der Meinung wäre, du würdest Kommentare unterdrücken, würde ich das genau so schreiben. Hab ich aber nicht.
      Ansonsten wäre für mich der normale Ablauf, dass ein Autor, der kritisiert wird, halt seine Texte verteidigt, statt sich auf persönliche Kontroversen einzulassen. Aber gut, wenn du meinst, dass man sich lieber mit dem Verfasser anlegen sollte… okay.
      Ich sag nur: Publikum kriegt man, indem man interessante Texte veröffentlicht. Aber mach, was du willst!
      Beste Grüße
      Gerhard
      P.S KI-generierte Texte halte ich für eine intellektuelle Kapitulation. Sowas kommt mit nicht ins Haus.

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    2. Nein, herzallerliebster Riedl, vollkommen falsch. Publikum bekommt man, indem man mit Leuten streitet. Ihr Blog ist der beste Beweis dafür.
      Es grüßt Sie ganz herzlich, Thomas Schön

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    3. Ich fürchte, da haben Sie recht. Irgendwelche Pöbler versuchen das immer wieder.

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  3. Das mit dem "Texte verteidigen" klingt super. Allerdings müßten sie dazu erstmal auf seriöse Weise angegriffen worden sein. Eine mehr oder weniger beliebige Reihung von Zitatschnipseln und ein paar giftige Bemerkungen des "satirischen" Effekts wegen zähle ich nicht dazu. Außerdem - ich weiß nicht, welchen Teil von "subjektiv" ich Dir nochmal erklären muß - mir geht es nicht darum, meine Sichtweise als irgendwie normativ zu verkaufen, sondern ein paar Anregungen fürs Selberdenken anzubieten. Wenn wir beide in allen Dingen gleiche Ansichten hätten, wäre einer von uns beiden überflüssig (ich glaube, das stammt von Churchill).

    Zum Thema KI: Leider habe ich weder die Zeit noch die hedonistische Motivation, Dich zu "wie integriert man KI in seinen Werkzeugkoffer" fortzubilden. Dein Text zeigt mir jedoch, daß Du Dich wohl nur sehr oberflächlich mit dem Thema befaßt hast.

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    1. Lieber Wolfgang,
      ob und wie du deine Texte verteidigst, liegt natürlich an dir. Wenn du meinst, dass es nicht nötig oder möglich ist - okay.
      "Subjektiv" musst du mir nicht erklären. Der Begriff steht im Zentrum meiner Blogs.
      Was die KI anbetrifft: Auf meinem Blog werden weiterhin nur Texte stehen, die ausscchließlich von einem lebenden Autor stammen. Und sorry, mit Abwegigem muss ich mich nicht mal oberflächlich beschäftigen
      Beste Grüße
      Gerhard

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