Dreizehn oder vierzehn?

Auf die folgende Geschichte kam ich durch Zufall. Sie ging damals nicht durch die großen Medien:

Schauplatz ist die 30000 Einwohner-Stadt Haan. Sie liegt auf halber Strecke zwischen Düsseldorf und Wuppertal – kein sozialer Brennpunkt, eher gutbürgerlich. Im Stadtrat dominiert die CDU, AfD-Anteil 2020 (letzte Kommunalwahl) bei 4,2 Prozent, die Bürgermeisterin ist parteilos.

https://de.wikipedia.org/wiki/Haan

Im Januar dieses Jahres ereignete sich folgendes: Zwei junge Männer (17 und 18 Jahre alt) gerieten bei einem Spaziergang mit einem 13-jährigen syrischen Asylbewerber aneinander. Wohl aus nichtigem Anlass kam es zu einem Wortgefecht inklusive Schubserei. Ein Passant ging zunächst dazwischen, die beiden Deutschen flüchteten in einen Supermarkt. Der Syrer griff sie kurz darauf mit einer abgebrochenen Bierflasche an und verletzte sie schwer: Der 17-Jährige musste wegen einer potenziell lebensgefährlichen Halswunde knapp neben der Schlagader notoperiert werden. Auch sein Begleiter wurde zunächst stationär behandelt.

Dank einer Überwachungskamera konnte der Angreifer schnell identifiziert und festgenommen werden.

https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/haan-jugendliche-streit-schwer-verletzt-100.html

Der junge Syrer, da erst 13 Jahre alt und somit strafunmündig, wurde nach den polizeilichen Feststellungen in die Obhut der Eltern übergeben. Festhalten hätte man ihn maximal bis zum Ablauf des folgenden Tages können (Artikel 104(2) Grundgesetz).

https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_104.html

Der Festgenommene war seit längerer Zeit „Stammkunde“ der Polizei, da er wohl zu den jugendlichen „Intensivtätern“ zählte und bereits Dutzende von Straftaten wie gefährliche Körperverletzung, Raub, Diebstahl, räuberische Erpressung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, räuberischer Diebstahl etc. auf dem Kerbholz hatte. Und das seit 2022! Auch weitere Familienmitglieder waren schon mit dem Gesetz in Konflikt geraten.

Es bestanden Zweifel, ob das angebliche Kind, welches nach Angaben bereits ein dichter Vollbart schmückte, wirklich erst Dreizehn war. Theoretisch hätte ein Altersbestimmungs-Verfahren gerichtlich angeordnet werden können, für das aber hohe rechtliche Hürden bestehen. Letztlich hatte dazu aber keine Behörde Lust.

https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/haan-jugendliche-streit-alter-100.html

Es ist wohl vor allem der Mama des schwerer verletzten jungen Mannes und einem Kommunalpolitiker der AfD zu verdanken, dass die Affäre dann doch Thema im Stadtrat wurde. Die Mutter hatte sich auch an diverse andere Parteien (SPD, FDP, Grüne) gewandt, von denen aber nur lauwarme Antworten kamen.

Auch das Jugendamt kümmerte sich um den Fall und steckte den jungen Kriminellen in ein Programm „Kurve kriegen“. So richtig funktioniert hat das wohl nicht.

Schließlich die Sensation: Eine Verwandte des Täters hatte ausgepackt – laut eines syrischen Personalpapiers war der kriminelle Knabe doch schon Vierzehn, worauf man ihn umgehend in U-Haft steckte.     

https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/haan-jugendlicher-doch-aelter-100.html

Das Jugendschöffengericht verurteilte den Täter dann zu einem Jahr und zehn Monaten Jugendarrest, der abzusitzen ist:

https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/haan-jugendliche-streit-prozess-mettmann-100.html

Auf den Fall kam ich durch ein Video eines AfD-Politikers, der sich mit der Mutter des schwerer verletzten jungen Mannes unterhielt. Auch ein Parteikollege, Mitglied im Polizeibeirat des Kreises, informiert über den Fall. 

https://www.youtube.com/watch?v=AHi0TKtrjRc

Was mich zudem seit vielen Jahren ärgert: Warum setzt man das Alter für die Strafmündigkeit nicht auf 12 Jahre herab? Heutzutage kann man einen Zwölfjährigen nicht mit Gleichaltrigen meiner Generation vergleichen.

Das hieße ja nicht, dass man dann die Gefängnisse mit Kindern füllen würde. Das Jugendstrafrecht leitet ja der Erziehungsgedanke, was auch sinnvoll ist. Aber in solchen Extremfällen hätte man ein Mittel in der Hand, Intensivtätern rechtzeitig Grenzen aufzuzeigen.

Warum man es nicht tut, ist klar: Die Politiker wollen es sich mit jungen Wählern nicht verscherzen.

Es geht noch weiter: In 9 Bundesländern darf man an Kommunalwahlen bereits ab 16 Jahren teilnehmen, in 5 Bundesländern gilt das auch für Landtagswahlen.

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1102383/umfrage/altersgrenzen-bei-wahlen-in-deutschland-nach-bundeslaendern/

Im Strafrecht geht es in die andere Richtung: Jugendstrafen kann man bis Ende Zwanzig verhängen, falls das Gericht eine „Reifeverzögerung“ attestiert. Und die wird großzügig verteilt.

Sollte die Wehrpflicht wieder in Kraft gesetzt werden, darf man allerdings ab Achtzehn fürs Vaterland den Kopf hinhalten. Zumindest, falls man nicht per Standesamt rechtzeitig dem männlichen Geschlecht entsagt… Ich bin gespannt, welche Regelung man sich dazu einfallen lässt!

Fassen wir also zusammen: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.

Nochmal zurück zum Video, in dem sich die Mutter des verletzen Achtzehnjährigen mit einem AfD-Politiker unterhält: Bereits am Anfang verkündet dieser stolz, die Dame sei inzwischen seiner Partei beigetreten.

Wundert das irgendwen?

Bei den gestrigen Kommunalwahlen in NRW konnte die AfD ihr letztes Ergebnis fast verdreifachen (14,5 statt 5,1 Prozent). Am stärksten verloren die Grünen, die 6,5 % einbüßten und nur noch auf 13,5 % kommen.

Noch Fragen?

Kommentare

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