Ruhs-Schädigung
Der Zeitungsschreiber selbst ist wirklich zu beklagen. Gar öfters weiß er nichts, und oft darf er nichts sagen. (Johann Wolfgang von Goethe)
Bis vor zwei, drei Wochen hätte mir der Name Julia Ruhs nichts gesagt. Meiner Erinnerung nach war es ein Interview mit ihr auf YouTube, das meine Aufmerksamkeit erregte.
Ihr Äußeres – eine eher zarte, mädchenhafte Erscheinung – passt nicht direkt zu ihrer ziemlich dezidierten Haltung: eine eher konservative Sicht auf Politik und Leben. Aufgewachsen in einem bürgerlichen, aber nicht akademischen Elternhaus, absolvierte sie nach dem Abitur ein freiwilliges soziales Jahr in einem Krankenhaus (die Mutter ist Krankenschwester), ging dann für ein halbes Jahr nach Costa Rica und studierte danach Demokratie- und Kommunikationswissenschaft. Sie war Stipendiatin der Konrad Adenauer-Stiftung. Ihre Masterarbeit schrieb sie über Russlands Desinformationspolitik gegen den Westen. Sie erhielt dafür den Sonderpreis der bayerischen Staatsregierung und den ersten Nachwuchspreis des Dialogforums Sicherheitspolitik.
Ab 2020 absolvierte Ruhs ein Volontariat beim Bayerischen Rundfunk, für den sie derzeit als freie Journalistin arbeitet. Sie schreibt Kolumnen für Focus Online.
Heuer erschien ihr Buch „Links-grüne Meinungsmacht – die Spaltung unseres Landes“, das einiges Aufsehen erregte.
https://de.wikipedia.org/wiki/Julia_Ruhs
Zu heftigen Differenzen kam es nach ihrer Moderation des Magazins „Klar – Was Deutschland bewegt“, für das sie bislang drei Folgen publizierte. Kontrovers diskutiert wurde vor allem der Beitrag „Migration: Was falsch läuft“, in dem unter anderem Michael Kyrath zu Wort kam, dessen Tochter und deren Freund von einem Asylbewerber ermordet wurden. Der Fall offenbarte zahlreiche Versäumnisse der deutschen Behörden. Ohne diverse Pannen wäre es wohl nicht zu der Gewalttat gekommen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Messerattacke_in_Brokstedt_am_25._Januar_2023
Im NDR, der zusammen mit dem BR die Sendereihe produziert, gab es daraufhin eine groß angelegte Kampagne, welche in einem Brief mündete, in dem zirka 250 Mitarbeitende die Arbeitsweise des Teams um Julia Ruhs kritisierten. Der genaue Inhalt des Schreibens ist bis heute unbekannt.
Angeblich heißt es in dem Brief: „Wir distanzieren uns von dieser Produktion und wünschen uns eine Aufarbeitung der Entscheidungen, die dazu geführt haben, dass dieser Film so über den Sender gegangen ist."
Die NGO „Neue deutsche Medienmacher:innen" beschrieb das Format als „Tiefpunkt in der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (…) Wenn migrationsfeindliche Narrative plötzlich als ‚Meinungsvielfalt' verkauft werden, ist das kein Beitrag zur Debatte – sondern Teil des Problems."
Von Anja Reschke, ebenfalls NDR-Moderatorin, kam die Formulierung, die Sendung sei „ein bisschen rechtsextrem“, was hinterher als Satire verkauft wurde. Vor längerer Zeit habe ich mir eine Folge von „Reschke Fernsehen“ angeschaut und musste Zweifel verscheuchen, ob Margot Honecker wirklich schon tot ist…
Auch Jan Böhmermann, bekannt für sein Erdogan-Ziegenficker-Poem, ließ wissen: „Wenn Sie sich unsicher sind, wie Sie den ganzen rechtspopulistischen Quatsch in Ihrer Birne als seriösen Journalismus verkaufen können, dann habe ich einen kleinen Tipp für Sie. Es gibt einen Satz, mit dem Sie jede noch so große Schweinerei, jede Dummheit, jede Unmenschlichkeit, jeden Irrsinn als ernsthaft debattierbares Thema in den Medien verkaufen können." Er zitiert dann den Satz, mit dem Julia Ruhs ihren ersten Beitrag anmoderierte: „Was jetzt kommt, wird vielleicht nicht jedem gefallen."
https://www.t-online.de/unterhaltung/tv/id_100678402/ard-format-klar-loest-kontroverse-aus.html
Könnte ich vielleicht als Titelzeile meines Blogs verwenden…
Gestern kam nun die Nachricht: Julia Ruhs wurde vom NDR die Präsentation der Sendung entzogen. Lediglich die vom BR produzierten Folgen darf sie weiterhin moderieren.
Verschiedene Politiker der Union kritisierten dieses Vorgehen. So stellte sich der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, dezidiert an sie Seite von Ruhs und besuchte statt einer Veranstaltung des NDR eine Buchlesung der geschassten Autorin. Günther sprach von einem „extrem schlechten Signal“:
https://www.youtube.com/watch?v=JHbnfDtMABM
CDU-Generalsekretär Linnemann sprach das Einfrieren der Rundfunkbeiträge an, falls man an einem solch einseitigen Kurs festhalte:
https://www.youtube.com/shorts/_gmSheME-So
SPD und Grüne beeindrucken durch lautes Schweigen...
Aktuell kam die Nachricht, die NDR-Beiträge würden ab 2026 von der eher konservativen Tanit Koch moderiert. Mal sehen, wie lange das gutgeht…
https://de.wikipedia.org/wiki/Tanit_Koch
Die geschasste Journalistin gab zu Protokoll, sie sei „zutiefst enttäuscht, ja fassungslos“ über ihren Rauswurf.
Mit ihrer Sendung habe man Zuschauerinnen und Zuschauer zurückgeholt, die sich bereits von den Öffentlich-Rechtlichen wegen der politischen Einseitigkeit verabschiedet hätten. Das werde nun wieder zunichte gemacht.
Selbst Heidi Reichinnek, Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, kritisierte den Ruhs-Rauswurf: Sie habe die Sendung zwar „sehr schlecht“ gefunden, es sei aber falsch, politische oder wirtschaftliche Einflussnahme auf die Medien zuzulassen. Ihre Überzeugung: „Medien haben nicht die Aufgabe, Meinung zu machen. Sie sollen Austausch und Information ermöglichen, möglichst neutral, damit die Leute auch was davon mitnehmen.“
Dass man mit solchen Affären ein Konjunkturprogramm für die AfD auflegt, muss ich nicht näher erklären: „Man darf ja nichts mehr sagen..."
Es scheint ein Zug der Zeit zu sein, sich nicht mehr inhaltlich mit abweichenden Ansichten auseinanderzusetzen, sondern deren Vertreter aus dem Weg zu räumen.
Dazu passt die Absetzung der Late-Night-Show des prominenten US-Fernsehmoderators Jimmy Kimmel, der sich angeblich unpassend über die Ermordung des rechten Aktivisten Charlie Kirk geäußert hatte. Was genau gestört hat, wird nicht verraten. Hauptsache raus mit ihm!
https://www.zdfheute.de/politik/ausland/usa-charlie-kirk-show-jimmy-kimmel-abgesetzt-100.html
Über den Shitstorm gegen Dunja Hayali, der ähnliches vorgeworfen wurde, habe ich berichtet:
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/09/willkommen-im-belehrungs-fernsehen.html
Nachdem man kürzlich eine Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht weggemobbt hat, ist nun eine Journalistin dran, die vergessen hat, dass man in den öffentlich-rechtlichen Medien links zu sein hat.
Auch wenn meinen werten Gegnern nun die Galle hochkommen sollte: Meine Erfahrungen als „bestgehasster deutscher Tangoautor“ sind durchaus ähnlich. Nur selten setzt man sich mit meinen Argumenten auseinander. Und wenn, dann oberflächlich und schlecht recherchiert. Stattdessen geht es erbittert ad personam:
„Ganz mies, Gerhard!“, so das Sensen-Urteil über meinen Hayali-Artikel.
https://www.tangocompas.co/zwischen-shitstorm-und-selbstmitleid-eine-antwort-auf-gerhard-riedl/
Und ein anderer Tango-Aktivist kommt zum Schluss:
„Am Ende bleibt nur das Bild eines alten, verbitterten Dummschwätzers – ein Nichtskönner, der sich mit fremden Texten wichtigmachen muss.“
https://www.tangocompas.co/eine-gut-funktionierende-ronda-auf-einer-milonga/#comments
Ich bestreite nicht, dass zur Satire auch mal persönliche Spitzen gehören können. Aber wenn das geistige Format nur dazu reicht, auf Andersdenkende selber einzudreschen, sagt das mehr über die Autoren als über den Gemeinten aus.
Um auf Julia Ruhs zurückzukommen: Ihren Beitrag zur Migration kann ich sehr empfehlen! Noch ist er in der Mediathek zu finden:
Und das Buch der Journalistin habe ich mir heute bestellt:
https://www.amazon.de/Links-gr%C3%BCne-Meinungsmacht-Spaltung-unseres-Landes/dp/3784437494
Weitere Quellen:
https://taz.de/Konflikt-um-NDR-Format-Klar/!6114127/
https://www.cicero.de/kultur/julia-ruhs-uber-die-intrige-beim-ndr-man-wollte-mich-loswerden
Gut, dass es beim NDR gerade einen Intendantenwechsel gibt! Der alte muss sich zu dem Fall nicht mehr äußern, und der neue darf sich unvoreingenommen geben. Der möchte nun nach vorne schauen – wie immer, wenn hinter einem die Trümmer rauchen. Immerhin gibt er zu, es wäre nicht ganz geschickt gelaufen.
AntwortenLöschenSein Trost: Alles nicht so schlimm, Ruhs dürfe ja beim BR weiter moderieren. Dass ihr dies nur möglich ist, weil der NDR dort nichts zu sagen hat, verschweigt er lieber.
Der Norddeutsche Rundfunk hat den Rechtsextremen nun ein Paradebeispiel dafür geliefert, in Deutschland dürfe man bestimmte politische Haltungen nicht mehr öffentlich äußern. Ich gratuliere!
Klaus Wendel hat nun zu meinem Artikel eine kleine Anmerkung veröffentlicht. Erwartungsgemäß gefällt ihm der Text nicht. Was mich noch mehr bestürzte: Er schreibt von "Julia Ruh".
AntwortenLöschenWarum tut sich der Mann so schwer, Frauennamen richtig abzuschreiben? Aber ich bin kein Psychologe...
Wer auf die von Julia Ruh als „investigativ“ inszenierten Reportagen hereinfällt – ohne jede ernsthafte Analyse oder Recherche zu Themen wie Ausländerkriminalität oder Agrarpolitik – geht letztlich hemmungslos einer Kampagne von NIUS und Springer-Presse auf den Leim. Dass nun sogar behauptet wird, die Pressefreiheit sei hierzulande „wie in den USA“ in Gefahr, überrascht da kaum.
AntwortenLöschenWenn selbst Menschen, die sich traditionell der SPD verbunden fühlen, derart den Kompass verlieren, erklärt das einiges: den Erfolg der AfD ebenso wie den Niedergang der SPD – verursacht durch weiße alte Männer, wie Sie einer sind.
Klaus Wendel
Lieber Herr Wendel,
Löschendann haben wir ja altersmäßig was gemeinsam, wobei ich mir über den Verkalkungsgrad unsicher bin.
Apropos: Wieso schreiben Sie eigentlich chronisch Frauennamen falsch? Können wir uns wenigstens darauf einigen, dass die Journalistin Julia Ruhs heißt?
Ihre Denke ist von eindrucksvoller Sturheit: Lobe ich Sozialdemokraten oder Grüne, schreibe ich tolle Artikel. Kritisiere ich auch bei denen mal was oder lobe ich Konservative, kann es nur falsch sein.
Ich erlaube mir, je nach konkretem Fall zu urteilen. Dazu habe ich ein gutes Dutzend seriöser Quellen recherchiert und verlinkt. Könnte ich Ihnen auch mal empfehlen!
Beste Grüße
Gerhard Riedl
Aus einem (weiter nicht veröffentlichten) Kommentar: „ruhs ist übrigens kein frauenname, aber das ist auch schon egal.“
AntwortenLöschenNein: „Ruhs“ ist der Familienname. Vorname: „Julia“. JULIA RUHS!
Wieso wird meine Seite immer mehr zur Anlaufstelle von Analphabeten?
Klaus Wendel nennt die Dame nun "Julia Ruh". O Gott! Hat der schon mal (außer "Nicole") einen Frauennamen richtig geschrieben? Verzweiflung!
AntwortenLöschenhttps://www.tangocompas.co/zwischen-shitstorm-und-selbstmitleid-eine-antwort-auf-gerhard-riedl/#comments