Fachliches zum Ronda-Tod
„Der Ronda-Tod kommt schneller, als man denkt“ – diese Expertise eines führenden Tanzfluss-Experten wurde uns kürzlich in einem längerem Fachartikel nahegebracht.
Eine „geordnete und respektvolle“ Ronda bleibe oft nur eine Illusion.
Liegt es am „Mann als Führenden?“ Das sei sicherlich zu kurz gegriffen – wie wir uns schon dachten.
„Ein ausladender Boleo mitten im Getümmel kann zur Stolperfalle werden – und eine liebevoll gemeinte Planeo zur Blockade des Tanzflusses.“
Wenn wir uns das abschließend verlinkte Video einer vorschriftsmäßigen Tangoveranstaltung betrachten, dürfen wir aber beruhigt feststellen: Solche extravaganten Turnübungen werden da gar nicht gezeigt. Stattdessen sehen wir bescheidene, minimale Fußgymnastik ohne jegliches Gefährdungspotenzial. Berührungen gibt es nur innerhalb der Paare, dafür jedoch umso innigere.
Tanzt man „an der Musik vorbei“? Nun ja, wohl zwangsläufig, da sich die Schallquelle außerhalb des Parketts befinden dürfte.
Auch „Spurwechsel oder das Überholen auf der Außenseite“ konnte ich nicht beobachten. Eigentlich überhaupt kein Überholen. Raserei ist ebenfalls nicht zu befürchten. Beispielsweise habe ich für das Paar ab 0:16 (rotes Kleid mit weißen Tupfen, er mit Brille) ein Fortkommen im Raum von geschätzten 4 Metern in etwa 60 Sekunden festgestellt, was 0,24 km/h entspricht (bitte nachrechnen, Mathe war nie meine Stärke). Die durchschnittliche Schrittgeschwindigkeit des Homo sapiens liegt bei etwa 5 km/h, also etwa beim Zwanzigfachen! Von Hektik kann also keine Rede sein.
Aber wir wissen ja bereits vom Tangolehrer Wendel, dass dieser Tanz nicht der Fortbewegung dient. Gefordert sind Fortgeschrittene, nicht Fortschreitende. Folglich Personen, welche die Mobilität schon weitgehend hinter sich haben. Also alles richtig gemacht!
Verantwortlich für das Dilemma, auch da dürfte der Autor recht haben, scheinen insbesondere Tango-Lehrkräfte zu sein, welche die Lernenden nicht auf den Fluss der Ronda konditionierten. Gute Erfahrungen bei der Pferdedressur hat man hier mit dem Longieren gemacht, also dem kreisförmigen Führen des Zossens an einer langen Leine (Longe). Mir ist es unverständlich, dass man dieses Training noch nicht im Tango eingeführt hat!
https://de.wikipedia.org/wiki/Longieren
https://www.youtube.com/watch?v=YDdOKUTnnKU
Das im Video zu beobachtende Tempo ist natürlich den Pferden vorbehalten, nicht den vierbeinigen menschlichen Paaren!
Mit der Musik sei verantwortungsvoll umzugehen. Daher, so nehme ich an, keine modernen Interpreten – und Piazzolla schon gar nicht. So hat man bereits gewichtige Störfaktoren beseitigt. Die Tonspur des Videos beweist, dass man mit öligem Gedudel weiterkommt – beziehungsweise eben gerade nicht! Solche Musik brauche „Stehvermögen“ – klar, jede Bewegung könnte eine zu viel sein!
Aber die Ausbildung im Ronda-Fluss werde halt vernachlässigt. Na ja, die Tangolehrkräfte werden es nicht gerne hören. Vielleicht sehen sie es gar als „Geschäftsschädigung“?
Den Frauen wird geraten, beim Tanzen nicht die Augen zu schließen und stattdessen den Raum hinter dem Tänzer zu überwachen. Gut, das klappt halt eher bei Männern im Bonsai-Format – aber jeder teilt halt seine eigene Perspektive.
Das Kapitel mit den führenden Damen lassen wir lieber aus – es hat böses Blut genug verursacht. Auf dem Video sehen wir jedenfalls keine Tänzerinnen mit flachen Schuhen – genauer gesagt: überhaupt keine führenden Frauen. Selbst Hosen trägt nur eine. Klar, sicher ist sicher!
Die Musikauswahl, so erfahren wir, sollte auch dem Niveau der Gäste angepasst sein – bei Encuentros sicherlich eine herbe Einschränkung, die manches erklärt.
Vielleicht liegt die Misere auch am quadratischen statt rechteckigen Parkett? Klar, für eine korrekte Ronda, das sagt ja schon der Name, wären runde Tanzflächen ideal!
Wenn wir uns das folgende Bilddokument betrachten, wird klar: So ganz rund läuft es dort nicht. Obwohl es doch so viele „klare Absprachen“ gibt und sicherlich alle besten Willens sind. Aber es ist halt eine Herkulesaufgabe, dem Tango das letzte Bisschen Kreativität und Individualismus zu nehmen.
Ein kleiner, störender Rest wird stets bleiben! Leider.
Warnung: Im obigen Text werden Aussagen gekürzt, verdreht und mit Unterstellungen aufgeladen. Er ist aus der Perspektive der Deppenspur in der Mitte der Tanzfläche geschrieben. Ein Studium des Original-Artikels wird daher dringend empfohlen:
https://www.tangocompas.co/eine-gut-funktionierende-ronda-auf-einer-milonga/
P.S. Ich rate, das Video schnell anzusehen, bevor es auf „privat“ umgestellt wird:
https://www.youtube.com/watch?v=WaR5FpKKZ8Y
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