Eine Million!
Bei all dem derzeitigen Corona-Irrsinn doch ein Lichtblick: Mein Tangoblog hat nun die Grenze von einer Million Zugriffen überschritten!
(Um gleich technisches Genörgel zu beantworten: Ja, das ist nur eine ungefähre Zahl – ich weiß auch, dass es automatische Bots gibt, die plötzlich eine Masse Zugriffe generieren. Ich kann das aber erkennen – und erfahrungsgemäß passiert es nicht oft.)
Vor ziemlich genau acht Jahren, am 26.10.2013, ging „Gerhards Tango Report“ an den Start. Ich weiß noch, dass meine Illustratorin Manuela Bößel damals anmerkte: „Ganz schön altmodischer Titel“ (wobei das aus ihrem Munde eher ein Kompliment ist). Meine Antwort war: „Ja, ist mir bewusst.“ Ich dachte dabei an kritische Fernsehmagazine, die Politikern mit ihrem investigativen Journalismus öfters auf den Geist gingen. Ähnliches schwebte mir beim Tango vor.
Ich muss schmunzeln, wenn ich an die damaligen Zeiten denke – es hatte was von der legendären Einleitung der Asterix-Geschichten: „Der ganze Tango ist von den Traditionalisten besetzt. Der ganze Tango? Nein! Ein von unbeugsamen modernen Tangoleuten bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Widerstand zu leisten.“
Danke an Alessandra und Peter Seitz, die diese Idee später per Video umsetzten!
Man muss es wirklich durchbuchstabieren: Ein Großteil der deutschsprachigen Tangowelt orientierte sich damals an den Weisheiten, welche ein pseudonymer Cassiel verkündete – nebst einer Reihe assistierender Geister von Tobler bis Sedó. Tango nach strengen Regeln. Unser Tanz befand sich auf dem Rücksturz ins historische Ghetto. Was ich vor allem in den ersten Jahren für meine gegenteiligen Ansichten an Häme und Verachtung einstecken musste, war eindrucksvoll.
Ein Erfolgserlebnis war meinem Blog aber schon in den ersten Tagen beschieden, als ich ein Buch von Nicole Nau besprach und daran nicht alles toll fand. Der Tango-Weltstar selber meldete sich per Kommentar und zettelte eine längere Debatte an. Gleichzeitig wurde meine Amazon-Rezension von einem deutschen Fanclub der Tänzerin heftig attackiert. Na immerhin!
http://milongafuehrer.blogspot.com/2013/10/nicole-nau-tanze-tango-mit-dem-leben.html
Ich hatte anfangs überhaupt keine Idee, wie viele Artikel ich schreiben würde – und bis heute ist es so, dass nicht ich nach Themen suche, sondern die Themen mir so lange zusetzen, bis daraus ein Text wird. 2014 waren es im ganzen Jahr noch 45 Beiträge – und das steigerte sich dann bis 2020, als ich die Rekordzahl von 208 Artikeln veröffentlichte. Insgesamt sind es nun 1298 Posts sowie 3218 Kommentare.
Unter der Überschrift „Labels“ kann man nachschauen, um welche Themen es ging: Mit 146 Beiträgen ist natürlich die „Tango Satire“ Spitzenreiter – es folgen Bereiche wie „Rückblicke“ (89 Posts) sowie „Frauen und Männer“ (84).
Die Zahl der Zugriffe steigerte sich kontinuierlich bis Anfang 2020, wo ich mit über 20000 Klicks pro Monat (also gut 650 pro Tag) einen Spitzenwert erreichte. Die Corona-Krise hat dann bis heute für einen Rückgang gesorgt: Gut 400 sind es aber immer noch täglich.
Spätestens diese Pandemie
hat bewirkt, dass alle anderen deutschsprachigen Tangoblogs stagnierten
oder aufgaben. Ich sah die neuen Umstände dagegen als Herausforderung: 123 Artikel entstanden bislang im Zusammenhang mit
Covid-19. Nicht alle davon beziehen
den Tango mit ein, aber ich finde das umso spannender – zumal ich durchaus
Parallelen zwischen den „Verschwörungstheorien“
sehe, mit denen man früher unseren Tanz traktierte, und dem galoppierenden Irrsinn, mit dem man
inzwischen wissenschaftliche Tatsachen ignoriert. Ich fürchte, die zugrunde
liegenden Denkstrukturen lassen sich
durchaus vergleichen – und auch die Penetranz,
mit der man seine Ziele verfolgt.
Die Behauptung, dass man auf Piazzollas Musik nicht tanzen kann, ist halt ähnlich verrückt wie die Flurschäden, welche man derzeit den Covid-Impfungen andichtet.
Rückblickend glaube ich, dass für mein Blog die folgenden Grundsätze wichtig und erfolgreich waren:
· Für mich lautet die entscheidende journalistische Frage: „Ist das wirklich so?“ Daher habe ich stets versucht, Ideologien zu vermeiden und mich an Tatsachen zu halten – was man ja heute „Faktencheck“ nennt. So habe ich in einer Vielzahl von Artikeln immer wieder in Frage gestellt, was uns von konservativer Seite als „Tango-Traditionen“ angedient wurde – und dabei Erstaunliches herausgefunden.
· Obwohl mir oft genug das Gegenteil vorgeworfen wird, galt für mich stets das Primat der Sache – und nicht der Person. Wo immer es möglich war, habe ich versucht, unnötige persönliche Verletzungen zu vermeiden. Klar, schon wegen des Zitierrechts ging das nicht in jedem Fall – und wenn es jemand gar zu arg trieb, landete er schon auch mal mit namentlichen Beiträgen auf meiner Seite. Aber da gilt halt: Wer etwas publiziert, muss auch öffentlich dazu stehen.
· Auf meinem Blog findet man nicht „die Wahrheit“, sondern Fakten und Meinungen – letztere oft von mir, aber auch in 65 Beiträgen von Gastautoren, denen ich an dieser Stelle herzlich dafür danken möchte, dass sie damit für eine Erweiterung der Perspektiven sorgten. Ich glaube, gerade diese persönlichen Sichtweisen haben entscheidend zum Erfolg meines Blogs beigetragen.
· Weiterhin wird es die Mischung von Tatsachen, Ansichten und satirischen Überspitzungen geben. Gerade mit letzteren haben manche Zeitgenossen extreme Probleme, da ich dadurch öfters Standpunkte ins Lächerliche ziehe, welche sie selber vertreten. Das ist aber kein Grund, sich sozusagen stellvertretend beleidigt zu fühlen. Sorry, aber gerade diese Kombination – das „Infotainment“ – macht halt mein Blog für viele interessant und lesenswert, die sich reine Sachtexte eher nicht antun würden. Aber dafür gibt es genug andere Quellen.
Zudem steht es ja jedem und jeder frei, selber ein Blog aufzumachen – und etliche haben es ja, meist erfolgsarm, probiert. Wie ich schon öfters betonte: Ich fühle mich mit der momentanen „Monopolstellung“ nicht sehr wohl. Aber offenbar machen halt viele die Erfahrung, dass es schon echte Arbeit ist, pro Woche ein oder zwei 1000 Wörter-Texte in der erforderlichen Qualität hinzubekommen. Und gutes Deutsch ist dabei nur eine Grundbedingung. Da ist es nicht mit ein paar Stammtischsprüchen getan, die man auf Facebook in Kommentarspalten drückt...
In dem Zusammenhang ist eine Person zu nennen, ohne die meine Texte nicht halb so gut wären: meine Frau und Lektorin Karin.
Ich schaue gelegentlich auf meinen ersten Artikel vom 26.10.2013: „Zunächst die Antworten auf die entscheidenden Fragen: Warum und wie?“
http://milongafuehrer.blogspot.com/2013/10/zunachst-die-antworten-auf-die.html
Inwieweit bin ich meinen damaligen Vorsätzen treu geblieben? Urteilen Sie selbst! Diese beiden Absätze jedenfalls gefallen mir noch immer:
Auch dem Leser kommt die Verantwortung zu, sich die beliebte Frage „Wer ist da gemeint?“ zu verkneifen, denn sie läuft ins Leere. Bei allem Verständnis für den allfälligen „Milongatratsch“: Es bringt den Tango kein bisschen weiter, reale Personen abzukanzeln. Die Zustände werden sich dadurch nicht verbessern – es wird lediglich eine weitere subtile Feindschaft unter dem Deckmantel der „Tango-Bussi-Gesellschaft“ hinzukommen. Verhältnisse dagegen kann man verändern, und das muss nicht einmal wehtun…
Dies soll sich auch im sprachlichen Stil dieses Blogs widerspiegeln: Wenn es der Sache dient, darf Kritik durchaus hart sein, kann eine zugespitzte Satire genau den Punkt treffen, um den es geht. Wo dagegen eine heftige Wortwahl nur dazu dient, Gegner herunterzumachen, ist eine Grenze überschritten, auf deren Einhaltung ich achte.
In diesem Sinne, so finde ich, kann es weitergehen.
Meinen herzlichen Dank an alle Leser, ob sie nun meine Texte gut oder furchtbar fanden – beides kann weiterhelfen!
Es grüßt aus dem „kleinen gallischen Tangodorf“
Gerhard Riedl
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