We kick Kimmich

 

Nach dem Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, hat nun auch der Profi-Fußballer Joshua Kimmich erklärt, sich derzeit nicht gegen Covid-19 impfen lassen zu wollen. Impfgegner oder gar Querdenker seien sie jedoch nicht – so beider Versicherung. Auch ihre Begründungen klingen durchaus ähnlich: Derzeit seien sie von der Unschädlichkeit des Vakzins noch nicht genügend überzeugt.

Über den unwissenschaftlichen Schwachsinn solcher Äußerungen muss man nicht lange diskutieren: Wer bis heute nicht kapiert hat, dass die Impfstoffe zwar keine ideale Waffe gegen Corona sind, aber die bei weitem wirksamste und weit weniger gefährlich als eine Infektion, dem ist nicht zu helfen. Da geht es nicht ums Verstehen, sondern um emotional gesteuerte Realitätsverweigerung.

Dass es nicht am Intellekt liegen kann, zeigt ja auch die Tatsache, dass sowohl Aiwanger als auch Kimmich Abitur haben. Der bayerische Wirtschaftsminister kann sogar einen Studienabschluss als Diplom-Agraringenieur vorweisen, während der 26-jährige Sportler wohl nach der Reifeprüfung direkt Berufsspieler wurde. Aiwanger bezieht also seine Erfahrungen auch aus wirklichen Sauställen.

Vielleicht hilft eine andere Parallele weiter: Beide haben zwar zwei Kinder, bis heute aber deren Mutter nicht geehelicht. Mit emotional getönten Entscheidungen haben sie offenbar Probleme.      

https://de.wikipedia.org/wiki/Joshua_Kimmich

https://de.wikipedia.org/wiki/Hubert_Aiwanger

Vom Gehalt her weichen die beiden jedoch stark voneinander ab: Während der stellvertretende bayerische Ministerpräsident es (inklusive Abgeordnetenbezüge) mit monatlich knapp 20000 Euro auf jährlich zirka eine Viertelmillion bringen dürfte, löhnt der FC Bayern seinem Profi Kimmich ab heuer pro Jahr geschätzte 20 Millionen, also das Achtzigfache. Sein „Marktwert“ wird mit 90 Millionen Euro beziffert. Legt man eine 40 Stunden-Woche zugrunde, ergibt das einen Stundenlohn von knapp 10000 Euro.  

https://www.transfermarkt.de/kimmich-rat-bdquo-bei-vertragsgesprachen-dabei-zu-sein-ldquo-ndash-gehalt-fast-auf-kroos-niveau/view/news/391887

Unter dem Aspekt muss man auch die Stiftung „We Kick Corona“ sehen, die Kimmich letztes Jahr mit seinem Kollegen Leon Goretzka gegründet hat, um während der Corona-Krise soziale und karitative Projekte zu fördern. Beide zahlten je eine halbe Million Euro ein – ein Betrag, den Kimmich derzeit in gut 50 Stunden abgearbeitet hat.

https://de.wikipedia.org/wiki/We_Kick_Corona

Dennoch war die öffentliche Kritik an der Impfverweigerung nach meinem Eindruck bei Aiwanger größer als bei Kimmich. Klar: Es wollen deutlich mehr Bundesbürger ein Bayern-Spiel sehen als eine Aiwanger-Rede hören. Und ob der nächstes Jahr noch Wirtschaftsminister ist, dürfte deutlich weniger Fans interessieren als das Abschneiden der deutschen Mannschaft bei der Fußball-WM in Katar.

Wer kann schon von sich sagen, dass seine persönliche Impfentscheidung sogar vom Pressesprecher der Bundesregierung und der Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats kommentert wird? Tenor: Er sei schlecht beraten und solle es sich nochmal überlegen. Thomas Mertens, der Chef der Ständigen Impfkommission (STIKO) meint sogar: „Es ist die persönliche Entscheidung von Kimmich, und die soll es auch bleiben. Die Debatte um Kimmich ist ein grenzenloser Unfug." Von der Seuchenexpertin Alice Weidel (AfD) kommt die Botschaft: „Dass Herr Kimmich nun laufend genötigt wird, sich für seine persönliche Entscheidung zu rechtfertigen, ist übergriffig und offenbart eine bedenkliche Ausbreitung von konformistischem Bevormundungs-Denken."

https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-kimmich-impfung-reaktionen-100.html

https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/kimmich-impfweigerung-101.html

Buchstabieren wir es nochmal durch: Natürlich bewegt sich die Entscheidung von Joshua Kimmich völlig im Rahmen der Legalität. Schon daran sieht man übrigens, wie weit wir von einer Diktatur entfernt sind!

Der Spieler hatte drei Möglichkeiten der öffentlichen Kommunikation:

·         Er hätte mit dem Hinweis, das sei seine Privatsache, eine Auskunft verweigern können.

·         Er hätte erklären können, nicht geimpft zu sei, dies aber nicht begründen zu wollen.

·         Er hätte zur Erläuterung seines Impfstatus dummes Zeug verzapfen können.

Er hat sich freiwillig für die dritte Version entschieden. Aiwanger auch.

Dies würde schon im Privatleben zu gegensätzlichen Reaktionen führen. Der Fußball-Star ist aber prominent und zieht daraus – nicht nur finanziell – gewaltige Vorteile. Ob er sich nun zu einer Elfmeter-Entscheidung, zu seinem Lieblings-Shampoo (siehe Video unten) oder der Covid-19-Impfung äußert: Seine Meinung wird gehört und von vielen wohl auch zum Vorbild genommen.  

Daher verstehe ich das ganze Getue nicht: Klar, Kimmich oder andere Promis können ihr Leben frei gestalten – freier übrigens als die meisten anderen. Doch dafür müssen sie sich eben auch mehr Kritik gefallen lassen als ein unbekannter Niemand. Und selbst bei dem ist die Impfentscheidung keine „reine Privatsache“: Sie beeinflusst durchaus die Infektions- und Erkrankungszahlen in unserer Gesellschaft.

Vielleicht sollte man trotzdem die momentanen verbissenen Debatten mit einem Lächeln entschärfen, wie es neulich das Satire-Magazin „Der Postillon“ geschafft hat: Wie üblich unzutreffend verbreitete es die Nachricht, Joshua Kimmich wolle künftig auf Kopfbälle verzichten. Der Grund: Die befürchteten Langzeitfolgen, die man in Studien über Demenz gefunden hat.

https://www.der-postillon.com/2021/10/kimmich.html

Das Positive zum Schluss: Kimmich benutzt ja anscheinend, wie seine Mitspieler Gnabry und Goretzka, ein Shampoo, das vor einem Jahr vom US-Konzern Procter & Gamble mit einem Brutto-Werbevolumen von 1,7 Millionen Euro für eine Woche beworben wurde. Wenn der Effekt „Mach dir den Kopf frei“ zutreffen sollte, bleibt ja die Hoffnung auf neue Erkenntnisse der Beteiligten.

Es wäre aber noch zu prüfen, ob es bei Fußballern zum Freihalten des Kopfes eines äußeren Mittels bedarf...


https://www.youtube.com/watch?v=cX33_vbOJow

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