„Als Frau ist mein Mann tot“

 Seit längerer Zeit erhalte ich Faxe, inzwischen eher E-Mails (die Branche rüstet auf) mit sehr verlockenden Angeboten. Absender ist meist ein Anwalt oder Erbensuchdienst. 

Der Plot: Irgendwo im Ausland ist ein steinreicher Mensch verschieden, der zufällig den gleichen Nachnamen trägt wie ich. Leider konnten bislang keine Erben ausfindig gemacht werden. Der Schreiber ist nun zuversichtlich, mich der Bank als rechtmäßigen Erben vorstellen zu können. Die Asche, um die es geht, liegt meistens in der Größenordnung von 10 Millionen US-Dollar. Geschmackvolle 30 Prozent würde allerdings der Vermittler einstecken, der Rest gehe dann auf mein Konto. Werde kein Erbe gefunden, falle der Zaster demnächst an den Staat – und das wollen wir doch alle nicht!

Antwortet man auf diesen Käse, fallen zunächst leider diverse Gebühren an – sei es zur Beschaffung von Zertifikaten, Begleichung von Steuerschulden oder Bestechung staatlicher Stellen. Scheibchenweise soll man immer neue Zahlungen leisten, meist über Transferdienste wie Western Union. Die Erbschaft erhält man natürlich nie. Und auch die schon überwiesenen Gebühren sind fast immer verloren.

Dahinter steckt häufig die „Nigeria Connection“ – ein loser Verbund von äußerst gewieften Betrügern in diesem afrikanischen Staat. Man gibt sich größte Mühe, authentisch zu wirken. Ausweise und behördliche Bescheinigungen werden gekonnt gefälscht oder Identitäten geklaut, und die Banken oder Anwaltskanzleien gibt es zwar wirklich, deren Kontaktdaten werden aber leicht verändert, so dass man gar nicht bei ihnen landet, sondern bei den Gaunern.

„Vorschussbetrug“ nennt man diese Methode, zu der auch das „Romance Scamming“ gehört:

http://milongafuehrer.blogspot.com/2020/03/zu-schon-um-wahr-zu-sein.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Vorschussbetrug 

Wer fällt denn auf solche bekloppten Täuschungsversuche herein? Bei Weitem nicht nur alzheimerige Senioren, sondern sogar Ärzte, Kommunalpolitiker und Unternehmer! Die Gier entscheidet. Das Magazin „Focus“ berichtete von mehreren solchen Fällen. Die Opfer wurden dabei um fünf- bis sechsstellige Summen erleichtert:

https://www.focus.de/politik/sicherheitsreport/weltweite-betrugswelle-startete-vor-30-jahren-millionen-erbe-fake-schecks-liebes-luegen-wie-die-nigeria-connection-abkassiert_id_10050801.html

https://www.focus.de/politik/ausland/betrug-nigeria-connection_aid_147505.html

Hier der Standard-Ablauf:

Dabei reagiert die Branche durchaus flexibel auf aktuelle Themen. Momentan erhalte ich pro Woche mindestens eine Schwindel-Mail. Zwei davon zeichneten sich besonders durch höchst unfreiwillige Komik aus:

Eine „Frau Jamila Rabiatu Brahimi“ berichtete mir jüngst vom Tod ihres Gatten im jemenitischen Bürgerkrieg. Interessant wird es ab da: 

„Er (mein verstorbener Ehemann) war ein sehr erfolgreicher Bauunternehmer in der Ölstadt Jemen und beschäftigte sich vor seinem frühen Tod privat mit Goldstaub und Goldbarren. Erwartungsgemäß hat er einen angemessenen Geldbetrag zurückgelassen, den ich in den Immobiliensektor, Reisen & Tourismus, Hotelmanagement und andere interessante Sektoren in Deutschland investieren möchte.“ 

Frau Brahimi möchte das Geld nun in Deutschland anlegen. Da momentan Finanztransfers aus dem Jemen sehr schwierig seien, bittet sie mich um Mithilfe. Derzeit habe sie die Knete zwischengebunkert:
 
„Das gesamte mir zur Verfügung stehende Kapital beträgt neun Millionen Euro. Ich habe das Geld heimlich in einem Kofferraum eingesperrt und beim Roten Kreuz hier in Sanaa deponiert. Ich möchte Sie aufrichtig schriftlich bitten, die Sparbüchse freundlich anzunehmen. (…) Ich werde Ihnen 20% des Gesamtgeldes als Vorteil für Ihre Hilfe geben.“

Warum sie sich ausgerechnet an mich wendet, wird nicht verraten. Aber wahrscheinlich sind meine finanzielle Seriosität sowie mein Geschick in Gelddingen bereits im Jemen bekannt… Am Schluss wird es etwas dubios:
 
„Als Frau ist mein Mann tot. Ich verdiene ein anständiges Leben in einer friedlichen Umgebung. Ich werde nach Deutschland ziehen und das Geld in Übereinstimmung mit dem Gesetz, Ihrem Rat und Ihrer Unterstützung investieren. wir können zusammenarbeiten und erreichen.“
 

Eine wunderbare Mixtur aus Covid-Angst und religiösem Gesummsel bietet eine „Frau Clara Cowell aus den Vereinigten Staaten von Amerika“. Sie besitze Firmen in Großbritannien sowie in Dakar / Senegal. 

Ihr Problem umschreibt sie kabarettreif:

„Mit heftigem Wimmern im Herzen nenne ich es Vanity upon Vanity. Ich bin von der bösen Pandemie Covid-19 getroffen worden und der Arzt sagte, ich habe 8 Tage zu leben, und jetzt habe ich alle meine Familien durch diese böse Pandemie Covid-19 verloren, als mein einziger Sohn sie bekam und sich auf alle Familienmitglieder ausbreitete. Ich war so schockiert, als der Arzt erklärte, ich hätte nur 8 Tage zu leben, weinte ich, als alles, wofür ich im Leben gearbeitet habe, weg ist, alle meine Häuser, Autos, Schiffe und mein Geld weg sind.“

Na, das klingt doch interessant, zumal sie sich sicherheitshalber vorher gleich selber das Leben nehmen will! Diese Nachricht habe sie über den PC ihres Arztes verfasst (ganz schön munter bei Covid im Endstadium). Schlappe 920000 US-Dollar ihrer Ölgesellschaft lägen auf der Bank in Dakar zur Überweisung bereit, ihr dortiger Manager benötige nur noch meine Kontaktdaten, um die Kohle zu mir rüberwachsen zu lassen.

Ich möge aber nur 300000 Dollar für mich und den Rest wie folgt verwenden: „für wohltätige Zwecke in der Weise, wie es die Menschheit bitte“. So meine „geliebte Schwester in Christus, Frau Clara Cowell“.

Warum gerade ich? „Sie fragen sich vielleicht, warum ich Sie ausgewählt habe. Aber jemand muss ausgewählt werden.“ 

Also ehrlich, da bin ich jetzt schon ein wenig sauer! Wenn man mich verarschen will, erwarte ich ein Mindestmaß an Bemühung. Das bin ich schließlich vom Tango gewöhnt. Da hat man mir die ganzen Märchen von den Códigos und der einzig tanzbaren Musik ja auch rauf und runter pseudobegründet – und nicht einfach behauptet, das sei halt so, weil es so wäre. Da gab sich die „Buenos Aires-Connection“ doch wirklich alle Mühe mit ihrem „Tango-Scamming“! Und dabei ging es nur darum, nutzlose Kurse und Workshops sowie überteuertes Zubehör zu verscherbeln.

Aber die Anforderungen an Rosstäuscher scheinen mir in der letzten Zeit gewaltig gesunken zu sein. Die Bereitschaft vieler Menschen, an jeden Tinnef zu glauben, ist seit Corona gigantisch: Ob Mikrochips, Chemtrails oder Reptiloide – nichts ist so bescheuert, dass es nicht Massen von „Followern“ anzöge. Da klingt doch eine Erbschaft aus Nigeria relativ glaubwürdig! 

Ich finde, solche Zeitgenossen sollten ruhig mal etwas nach Afrika überweisen. Ist ja im Sinne der Entwicklungshilfe nicht verkehrt. Nicht, dass sie das Geld noch den „Querdenkern“ spenden – das wäre weit schlimmer!        

Weitere Infos:

https://www.evz.de/einkaufen-internet/vorsicht-falle/vermeintliche-erbschaft.html

https://www.anwalt.de/rechtstipps/betrug-im-internet-hier-die-angebliche-millionenerbschaft_162375.html

Kommentare

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