Milonga-Trump versus Tango-Biden

 Wie bereits in meinem vorigen Artikel erwähnt, hat der Mediziner Arthur Dent vor zwei Tagen in der Facebook-Gruppe „KoKo Tango“ einen bemerkenswerten Link gesetzt: Mit der Anmerkung Wichtige Worte geschrieben von Jörg Buntenbach“ wies er auf dessen Artikel „Tanz mit dem Coronavirus“ hin.

Mir war sofort klar: Das würde nicht gutgehen. Beim Frühstück sagte ich zu meiner Frau in seligem Gedenken an die Action-Komödie „Hatari“: „Ich spanne gleich mal ein Netz auf und warte, bis die Affen reinfallen.“

Ich sollte Recht behalten.

Anfangs gab es in der Gruppe ein paar relativ sachliche Reaktionen, beispielsweise von Harry Wohlfart: Sehr guter Artikel, enthält alles, was ich Corona-Leugnern immer wieder zu sagen/schreiben versuche. Problem dabei: es ist meist umsonst.“

Dann aber ging es – im Wortsinn – Schlag auf Schlag. Zur Einordnung hier die Personen des Dramas:

Arthur Dent: Unter diesem Pseudonym ist der Mediziner seit vielen Wochen im Netz unterwegs, um im Tango für absoluten Infektionsschutz zu trommeln. Gegenargumente und deren Inhaber werden ziemlich brüsk abgebürstet. Inzwischen entwickelt er Züge eines Recycling-Cassiel.

Manfred Schreiber: Er ist zutiefst frustriert vom Tango-Shutdown und sieht sich – auch gesundheitlich – als Opfer der Hardcore-Isolierer. Nach mehreren FB-Konfrontationen mit Arthur Dent ist er bereits erheblich angefressen.

Andrey Yakov Osipov gehört ebenso zur „Lockerungs-Fraktion“ und beklagt die Auswirkungen der Corona-Beschränkungen auf Kultur und Kunst – und speziell den Tango.

Michael Paul dagegen zählt zu den Hardcore-Corona-Beschränkern. Im Gegensatz zum eher klotzig daherkommenden Kollegen Dent liebt er es, seine Gegner mit feingeistigen Gemeinheiten zu sekieren.

Hier einige Auszüge der Debatte. Ich habe sie, so gut es ging, chronologisch aneinanderzureihen versucht. Dennoch sind sie teilweise aus dem Zusammenhang gerissen, der freilich nicht existiert: Im Kern geht es vielmehr darum, dem Opponenten eins auf die Mütze zu geben.      

Manfred Schreiber: „Wir brauchen einen Tango Corona Beauftragten, der JETZT den Tango Corona Lockdown landesweit verkündet. Angela Merkel sagte bzw. flehte gestern: Bleibt alle zu Hause. Es droht Unheil. Arthur Dent und Harry Wohlfart helfen ihm dabei. (…) Wir müssen den Tango Lockdown - so schwer es fällt zu sagen - auf unbestimmte und sehr lange Zeit einhalten. Denn grössere Nähe zu anderen als im Tango gibt es nicht.“

Arthur Dent: „Manfred, Du schreibst: ‚Denn grössere Nähe zu anderen als im Tango gibt es nicht.‘ Mit dieser Aussage hast Du nun doch mein tiefes Mitleid herausgelockt: es tut mir für Dich sehr sehr leid, daß Du eine größere Nähe als 'Nähe im Tango' wohl nie in Deinem Leben erleben durftest. Das ist wahrlich traurig!“

Michael Paul an Arthur Dent: „Übrigens scheint der Herr Schreiber noch nie einen eng getanzen Bachata getanzt zu haben - der ist auch ‚unten‘ eng dran...

Er verbreitet leider seine Vorurteile wieder und wieder in Form von Abwertungen, Etikettierungen etc. Ach, was soll's - vielleicht braucht er das für seine Selbstwahrnehmung: ‚Ich nerve, also bin ich.‘ Der Schreibersche Imperativ?“ 

Manfred Schreiber: Ja, hier fehlte es mir einige Male an Contenance bei den Besserwisserposts, die ich lesen musste. (…)

Na sowas, auf einmal dürfen wir dank des gnädigen Hohenpriesters Arthur Dent, der schon seitenlang im Koki gegen das Tanzen an sich gewettert hat und die Leute, die es dennoch tun, als egoistisch und verantwortungslos und noch mehr bezeichnet hat, ‚durch die Krise tanzen‘. Und auch ich habe Kübel seiner Schmähungen abgekriegt.“

Andrey Yakov Osipov an Arthur Dent: „Das ist ‚Tramp‘ Meinungsfreiheit und Demokratie. ‚Ich weiß alles besser, ich sage euch was Ihr machen muss‘“

Manfred Schreiber: Und genau das macht unser Arthur Dent massiv, und nicht nur er, hier der Tangoszene seine Sicht der Dinge aufzudrängen.“ 

Michael Paul an Manfred Schreiber: Lese ich ETIKETTIERUNG, Herr Schreiber? Oder müsste sich jemand auf Ihr Niveau begeben und ‚Schreiberling‘ etikettieren? (…)

Ein kleiner Sinnspruch meines Handwerksmeisters zum ‚Grübeln‘ den ich Ihnen an ihr u.U. kleines Herzchen lege: ‚Erst grübeln (sic), dann dübeln.‘ Oder ‚Erst knobeln, dann hobeln.‘“

Arthur Dent an Manfred Schreiber: „Beindruckend, Manfred: Du bist diffamierend unterwegs ... und rufst gleichzeitig nach Zensur! Deutlich, daß Du den top Artikel von Jörg Buntenbach vielleicht gelesen, aber sicherlich nicht begriffen hast!“

Michael Paul an Manfred Schreiber:Bemerken Sie eigentlich garnicht, dass Sie ‚wähnen‘, (fußballerisch formuliert), nach dem Ball zu treten und immer nur das Schienbein treffen, falls Sie nicht gerade mit gespreiztem Kiefer nach der Wade hinterher hechten und nicht recht nachkommen?“ 

Manfred Schreiber an Michael Paul: „Wenn Ihr endlich mit dieser Arroganz und Selbstgerechtigkeit der Allesbescheidwisser und des ‚die Ansage machend‘ aufhören würdet, dann könnte man hier eine echte Diskussion anfangen, was die Rettung des Tango betrifft. Aber wenn Arthur Dent jedesmal hineingrätscht, geht das eben nicht, jedenfalls nicht für mich, hier noch mitzumachen.“ 

Jüngst hat sich nun Manfred Schreiber aus der Gruppe verabschiedet:

„Aber die Sache dieses KoKo ist für mich gegenstandslos geworden. (…) Warum also Spiegelfechtereinen mit Leuten, die mal das Tanzen als des Teufels bezeichnen, mal mit Masken tanzen wollen und jeden, der nicht ihrer Meinung ist, niedermachen. Ich habe mich anfangs dagegen gewehrt, dummerweise wegen meines Temperaments. Das bereue ich. Der Klügere gibt in solch einer Situation nach, lautet die goldene Regel.“   

Von Arthur Dent ereilte ihn noch der Nachruf: „Geil, Manfred Schreiber, das nennst Du also demokratischen Diskurs! Wenn's Dir nicht auskommt, dann werden halt die anderen mundtot gemacht!“

Beigefügt als Bildschirmshot: Artikel 5 des Grundgesetzes.

Wohl gemerkt, das alles darf in einer FB-Gruppe stehen bleiben, die sich laut Eigenbeschreibung so sieht:

„Wir wertschätzen die Verschiedenheit unserer Sichtweisen auf den Tango und der Standpunkte, die wir hier vortragen. (…) Nochmal zur Erinnerung: Koko steht dafür, dass wir versuchen, mehr zuzuhören und nachzufragen statt anzugreifen und zu provozieren (…). Wenn du etwas liest, dass du erstmal ‚bescheuert‘ findest, lass dich von der Ansicht bereichern und versuche, zu verstehen, was gemeint ist.“ 

Gestern früh hat nun die Administratorin reagiert: Verwarnt wurden Andrey Yakov Osipov und Manfred Schreiber. Eine Ermahnung bekam Michael Paul. Kein Einschreiten für geboten hielt sie gegenüber Arthur Dent.   

Quelle: https://www.facebook.com/groups/tangoforum 

Um es klar zu sagen: Ich hätte – sowohl auf meinem Blog als auch in unserer FB-Tangogruppe – jeden dieser Kommentare gelöscht. Ganz einfach, weil weder ein Bezug zum Artikel von Jörg Buntenbach zu erkennen ist noch sachlich argumentiert wurde.

Stattdessen gingen einige halsstarrige ältere Herren persönlich aufeinander los. Frauen waren übrigens an der Debatte kaum beteiligt – und wenn, waren ihre Anmerkungen relativ sachlich.

Vielleicht zum Verständnis des Art. 5 GG: Natürlich darf man zu allem eine Meinung haben und sie auch verkünden – soweit man das auf eigenem Terrain oder mit Erlaubnis des „Hausherrn“ betreibt. Wenn der aber keine persönlichen Herabsetzungen duldet, hat dies mit Zensur nichts zu tun – eher mit gutem Geschmack. Und es hilft auch nichts, seine Ansichten gebetsmühlenartig zu wiederholen. Wenn sich jemand nicht überzeugen lässt, sollte man dies akzeptieren. 

Selber habe ich ja eine Besprechung des Textes von Jörg Buntenbach versucht – und ich finde, sie ist pointiert, aber auch differenziert ausgefallen. Gerne merke ich hier die Information eines Lesers an, dass dieser Autor modernem Tango positiv gegenübersteht. Ich wusste das nicht und finde es fair, es noch zu erwähnen. 

Es gab nur wenige Kommentare zu meinem Text. Dazu war er wohl zu sachlich und komplex. Aber viele haben ihn gelesen. Dafür meinen herzlichen Dank! 

Es dürfte kein Zufall sein, dass sich Frauen an solchem Geholze im Internet eher nicht beteiligen – ebenso wenig scheinen sie zu Wahlkampf-Schlammschlachten im Stil von Donald Trump versus Joe Biden fähig zu sein. Dazu eine hübsche Parallele:

Vor einigen Tagen siegte in Neuseeland bei den Parlamentswahlen die Sozialdemokratin Jacinda Ardern haushoch über die konservative Herausforderin Judith Collins. Das folgende Video stellt die Debattenstile schön gegenüber. Motto: „Politik ist kein blutiger Kampf“. Tango sollte es auch nicht sein.


Kommentare

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