Einfach troll!
Neulich
geriet ich wegen eines interessanten Kriminalfalls (auch ein gelegentliches
Hobby von mir) auf die Seite des Nachrichten-Dienstes
T-Online. Kommentare zu der Meldung, so stand dort geschrieben, seien
leider nicht möglich. Dazu wurde auf ein Statement der Chefredaktion verwiesen:
„Wie alle anderen Nachrichtenseiten
haben auch wir massive Probleme mit den sogenannten Trollen oder ‚Hatern‘. Sie
kennen weder Anstand noch Regeln, beleidigen auf das Schlimmste und verbreiten
unter dem Schutz der Anonymität des Internets extremistische,
menschenverachtende und gewaltverherrlichende Kommentare. Das können wir nicht
dulden, aber bei über sechs Millionen Kommentaren pro Jahr auch nicht ganz
verhindern. Deshalb sind wir leider gezwungen, die Kommentarfunktion
einzuschränken und nur für eine begrenzte Zahl an Themen zuzulassen. Vor allem
bei hochaktuellen politischen Diskussionen wie dem Umgang mit Flüchtlingen oder
Pegida hat es sich leider gezeigt, dass ein sinnvoller Austausch von Argumenten
unmöglich ist.“
Wie
ich bei weiteren Recherchen erfuhr, würden es gerade bei solchen „Reizthemen“
einzelne Zeitgenossen mit ganztägigem Schaum vor dem Mund mühelos schaffen,
mittels einiger knackiger Sprüche (so in Richtung „Kopf ab“ und „Ausländer
raus“) die ganze Debatte zum
Entgleisen zu bringen: Auch Schreiber, welche eigentlich am sachlichen
Thema interessiert waren, griffen dann gegen diese Attacken wiederum selber zur
verbalen Keule – es bliebe letztlich nichts anderes übrig, als dann ganze Kommentarstränge zu löschen.
Dies
wiederum brächte nun aber wieder Nutzer auf, welche in dem ganzen Hauen und
Stechen zur Vernunft aufgerufen hätten, dennoch aber in solchen Fällen von der
Löschung mitbetroffen seien. Schließlich richte sich nicht selten der gesammelte Zorn gegen die armen
Online-Redakteure. Einige Kostproben:
„Wenn Nazis eins richtig machen, dann ist es
Typen wie ihnen was auf das Maul zu hauen, hoffentlich bald!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!“
„Wenn ihr weiter Kommentare löscht uns weiter Bevormundet erlebt ihr das
zweite Paris!!!“
„Geht dir jetzt einer ab du hinteranatolischer Eselvicker?“
„Dann verpiss Dich aus meinem Land Du Stück Scheisse!“
(Quelle: http://www.t-online.de/nachrichten/id_73113032/leserkommentare-statement-der-chefredaktion.html)
Die Mitarbeiter von T-Online kamen zu der
Feststellung:
„…wir
teilen ihren Wunsch nach eine friedlicheren und zivilisierteren Netzwelt - allerdings zeigt uns die Realität täglich, dass sich
viele gerne hinter der Anonymität des Netzes verstecken. Nur dort können sie
‚die Sau rauslassen‘, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.“
Die Redakteure regten eine Diskussion der Leser an, wie es denn
weitergehen solle. Neben vielen vernünftigen Beiträgen zeigte sich auch dabei,
wie hierzulande bestimmte Individuen mental
gestrickt sind:
„Wenn
ich einen Artikel kommentiere dann ist dies meine persönliche Meinung, die ich
nicht in Zweifel gestellt haben möchte bzw. gelöscht werden
sollte liebe Redaktion.“
„Interessant:
Unbequeme Kommentatoren werden ‚verwarnt‘ oder gleich ‚Gesperrt‘: Und so was
nennt Ihr Meinungsfreiheit? Lächerlich.“
„Ich finde es eine
Frechheit, dass hier Kommentare einfach gelöscht oder gar nicht erst
veröffentlicht werden, nur weil Sie nicht der Meinung der T-Online Redaktion
entsprechen.“
„?? Ihr seit keine
müde Mark wert und wollt uns Vorschreiben wie wir uns zu verhalten haben? Sehr
bedenklich in welche Richtung Eure Demokratie geht, wenn ich lesen, wie ihr
eure Kunden Beliedigt und ihnen die Demokratische Einstellung absprechen wollt. Denn schließt den
Mist und geht nach Odsten, dort könnt ihr Aufbauhilfe im Gaswerk leisten. Gasputin und Gasgerd
wartet schon!“
Auch auf der Facebook-Seite des kritischen BR-Magazins
„quer“ ging es neulich um diese Fragen, und auch hier waren manche Ansichten
ähnlich:
„Wer
bestimmt was gelöscht wird? Wo zieht ihr die Grenze? Ich bin mündiger Bürger
und bestimme selbst was ich wohin schiebe. Aber immer jammern wegen staatlicher
Gängelung und sie hier aufrufen.“
Gewisse Zeitgenossen sind offenbar der Ansicht, sie
dürften in allen sozialen Medien
beliebigen Humbug verzapfen, weil bei uns ja „Meinungsfreiheit“ herrsche – widrigenfalls wird sofort „Zensur!“ geplärrt.
Irrtum, liebe Meinungshaber: Es gibt schon mal kein Recht,
auf jeder Plattform (z.B. Nachbars
Balkon) Reden nach Gut-(oder Schlecht-)dünken zu schwingen. Die Betreiber
gedruckter oder digitaler Medien haben dort das „Hausrecht“, können Kommentar-Regeln
(„Netiquette“) aufstellen oder Beiträge moderieren. Und strafbare Texte (z.B. Beleidigungen, Verleumdungen, Volksverhetzung
oder gar Aufrufe zur Gewalt) dürfen sie gar nicht stehen lassen, da sie sonst
als Betreiber zur Verantwortung gezogen werden können.
Gemessen an solchen Entgleisungen geht es ja im Tango noch ziemlich friedlich zu.
Neulich durfte ich mir auf Facebook wieder mal attestieren lassen, „was Blöderes“ könne ich ja wohl nicht
schreiben… Na ja, geschenkt!
Dass es auch bei unserem schönen Tanz heftiger zugehen
kann, zeigen beispielsweise die gesammelten Kommentar-Zitate eines Menschen
namens „antwort“, welcher in dem bekannten Forum www.tanzmitmir.net immer wieder den Käse aus den
Löchern fliegen lässt. Mich hat es auch schon öfters erwischt – hier aber
einmal eine Zitatensammlung, bei der es um andere geht:
„finde ich diese
Bemerkung äußerst geschmacklos“
„Oder sind Ihre
Tanzkünste etwa so miserabel, dass es noch kein Youtube-Video von Ihnen gibt?“
„Dafür brauche ich
ein Buch???? - Sorry, aber das ist KRANK!“
„Ihr Text erinnert mich in Stil und Inhalt an
einige Profile, die hier manchmal ihr Unwesen treiben“.
„Unser lieber Herr
Dr. Erschuttert1 ist also
entweder ein Genie oder leidet an einer scheinbar unheilbaren
Gehirnerschütterung.....“
„So ein Verhalten
ekelt mich an.“
„Das löst keinen
Wirbel aus - lediglich eine Urheberrechtsverletzung und damit eine strafbare
Handlung.“
„Der Hinweis auf die
Quelle wurde nicht gegeben. Eine glatte Lüge. Aber was soll man von jemanden
erwarten, der pietätlos Zitate von Verstorbenen bringt und diese frei
interpretiert.“
„Möglicherweise ist
dieser Experte selbst nicht in der Lage, eigene Beiträge zu verfassen,
oder er ist vielleicht zu feig dazu und lässt lieber andere für sich
sprechen“
„Möge die saure
Gurkenzeit mit seinen neurotischen Selbstgesprächen bald überwunden sein.“
„ich erinnere an
seine Karriere als Hobbydichter, wobei es bei jämmerlichen Versuchen
geblieben ist.“
Zurück zu T-Online! In ihrer Verzweiflung
veranstalteten die armen Redakteure sogar eine Leser-Umfrage, wie man denn weiter verfahren solle:
„Was sagen
Sie: Wie sollen wir mit den Leserkommentaren umgehen?“
Das Ergebnis hat mich sehr amüsiert:
„Die Kommentarfunktion ganz
schließen: 14%
Wie momentan nur einige Artikel zur
Kommentierung öffnen: 5%
Wieder alle Artikel öffnen – auch
wenn manche Diskussionen aus dem Ruder laufen: 33%
Nur von der Redaktion moderierte
Debatten: 4%
Anmeldung mit Klarnamen, das
schreckt Trolle ab: 44%“
Die letzten beiden Alternativen entsprechen genau meinen eigenen
„Blog-Regeln“: Ich schalte Beiträge erst nach Prüfung hoch – und es müssen
Klarnamen angegeben werden. Insgesamt hätte ich dafür ein Votum von 48 Prozent!
T-Online ist nach meiner Kenntnis bislang bei der 5 Prozent-Lösung
geblieben. Tja, wenn man Werbung schaltet, ist man wohl auf Millionen von
Kommentaren pro Jahr angewiesen…
Inhaltlich gehen die Sprüche der tollen Trolle dabei oft Lichtjahre an
der Realität vorbei – wie die zu den beiden Morden an jungen Frauen im Raum
Freiburg, über die ich mich anfangs informierte. Bei web.de waren Kommentare zugelassen. Ich erspare meinen Lesern
etliche Vorschlage zur Amputation von Haupt und Glied(ern) – nur soviel:
„Mir fehlen die Worte - Ich leide mit
der Familie. Wenn das meine Frau wäre .... ich würde den Teufel jagen bis ich ihn
in die Hölle schicken kann - Unser Staat versagt völlig - die Sicherheit ist
weg - so gehts nicht weiter - Alle Nichtstuer WEG !“
Das Krisenszenario, welches routinemäßig
aufgemacht wird, ist stets das Gleiche: Früher war alles besser, heute dagegen
leben wir dank der Laxheit von Regierung und Justiz sowie wegen der
ausländischen Missetäter in einem Land, in dem gerade Frauen und Kinder um ihr Leben
fürchten müssen!
Laut
Kriminalstatistik trifft das genaue Gegenteil zu:
Die Mordtaten
sind in Deutschland seit 2010 (497) um 40
Prozent auf 296 (im Jahr 2015) zurückgegangen; bei den Kindern (unter 14
Jahren) in dieser Zeit von 52 auf 15, also um 69 Prozent! Mit 0,8 Tötungsdelikten pro 100 000 Einwohner liegt unser
Land (wie die meisten Staaten in Europa) international auf äußerst niedrigem
Stand (und das bei einer Aufklärungsquote von zirka 95 Prozent).
Ich
wäre also vorsichtig mit dem folgenden Vorschlag:
„Ich finde die
deutsche Rechtsprechung für solche Fälle einfach nur erbärmlich. In China, USA,
Russland etc. würden diese Täter die richtige Strafe bekommen!!!“
Tatsächlich ist die Rate der Tötungsdelikte in all diesen Ländern
höher:
VR China: 1,0 / USA: 4,7 / Russland: 9,2
Und in Argentinien (trotz der Códigos) 5,5…
Aber mit Tatsachen kann man Trolle nicht überzeugen,
da sie meist Verschwörungstheorien anhängen: Sicherlich sind diese Statistiken
von den Regierenden gefälscht, um das Volk in Dummheit zu wiegen (was ja offenbar
fallweise klappt…).
Vielleicht sollte man es ja mit Freundlichkeit
versuchen – wie die Initiative „No HateSpeech Movement“, welche bemerkenswerte Videos ins Internet gestellt hat:
Daher: Hass ist keine Meinung – nicht mal im
Tango!
> und es müssen Klarnamen angegeben werden.
AntwortenLöschenDieser Glaube an die Wirkung von Klarnamen ist einfach niedlich.
Hans Schwarz
Wenn Sie sich die Kommentare auf meinem Blog ansehen, lieber Herr Schwarz, werden Sie feststellen, dass es meistens hilft. Gepöbel wie ansonsten oft im Internet werden Sie nicht finden.
LöschenIch muss auch sehr selten Beiträge deshalb löschen.
Das alles ist für Trolle offenbar ziemlich unattraktiv.
Vielleicht kommt es auch auf das persönliche Umfeld an: In meinem Fall sind das recht anständige Menschen.
Gruß
Gerhard Riedl