Ein Tanguero im Himmel
Alois
Hingerl, altgedienter Münchner Tangotänzer, sauste bei einer
Milonga in Gröbenzell so schnell über das Parkett, dass er vom Schlag getroffen zu Boden sank
und starb. Zwei blonde Tanguera-Engerln schleppten ihn mit viel Mühe in den
Tangohimmel, wo er von Maestro Don Pedro empfangen wurde. Der eröffnete ihm zunächst,
dass er von nun an auf den Namen „Tanguero Alonso“ zu hören habe, überreichte
ihm ein Bandoneón und machte ihn mit den himmlischen Códigos bekannt: „Von abends 8 Uhr bis 10 Uhr: auf D’Arienzo tanzen; von 10 Uhr bis Mitternacht:
‚Soñar y nada mas‘ singen."
„Wos is?"
„Von abends 8 Uhr bis
10 Uhr: auf D’Arienzo tanzen;
von 10 Uhr bis Mitternacht: ‚Soñar
y nada mas‘ singen.
„So - mhm - ja, wann
krieg ma na amoi an Piazzolla?"
„Sie werden Ihre EdO
schon bekommen",
sagte Don Pedro leicht indigniert und ließ ihn stehen.
„Auweh! Des werd
schee fad. Mei Liaba, da moan i oiwei, bin i neitret'n! EdO? ! A-a-a-a - eam
schaug o: Des oide Zeig singa müassad i da hero'm ... i hab gmoant, i kumm in
Himmi..."
Und
während er noch so vor sich hinbrummelte, sah er plötzlich einen Traditionstänzer
auf sich zukommen, und sofort erwachte in ihm die alte Wut auf diese Erdenkonkurrenz,
und er schrie den gestreiftbehost-pferdeschwänzigen Engel an: „Ja, seid's es aa do hero'm, es Hundsbuam, es miserabligen! Mei Lieber,
lass di do bloß net bei mia blicka, gell? Sonst fangst a paar!" Und
für alle Fälle versetzte er dem Langweiler-Tanguero ein paar kräftige Hiebe mit
der Sehnsuchtsharmonika. Daraufhin war ihm bedeutend wohler; er setzte sich,
wie ihm befohlen, auf eine Wolke und begann zu frohlocken:
„Soñar y nada mas
con mundos de ilusión,
soñar y nada mas
con un querer arrobador"
con mundos de ilusión,
soñar y nada mas
con un querer arrobador"
Ein
völlig vergeistigter Engel namens Cassiel schwebte an ihm vorüber. „Hallo, Sie! Hallo! Sst! Hallo! Ham' Sie, ham's koan Piazzolla? Oda an
Otros Aires? Ham's nix? An moderna Tango? Geh weida, fahr oan her!"
Der Durchgeistigte sah ihn nur völlig entgeistert an, lispelte „Cabeceo“ und flog von hinnen.
„Ja, ja, was is jetz
des für a Depp, für a damischer? Ja - na, na, na, na host hoid koan g’scheid’n Tango
ned! Wenn ma scho anständig fragt, werd ma do anständige Antwort kriag'n kenna
und ned nua so a bled’s G‘schau! Gscherde Ruam'n, gscherde! Engel ... boaniger!
Mei Liaba, da werd a so a Zeigl hero'm sei! A-a-a-a-a, do steh i aus!"
Er
setzte sich wieder auf seine Wolke und begann erneut, Tango zu singen,
allerdings bedeutend zorniger:
„Soñar du blede Matz,
mit’m Mundo de Illusion,
du mid der bled’n Fratz,
geh her, na fangst a boar…“
mit’m Mundo de Illusion,
du mid der bled’n Fratz,
geh her, na fangst a boar…“
Er
schrie so, dass der liebe Gott nebenan von seinem Mittagsschlaf erwachte
und ganz erstaunt fragte: „Ja, was ist
denn da für ein Lümmel heroben?"
Er schickte sofort zu Don Pedro, der kam angerast, und sie hörten zusammen den Tanguero Alonso frohlocken:
Er schickte sofort zu Don Pedro, der kam angerast, und sie hörten zusammen den Tanguero Alonso frohlocken:
„Soñar-Sacklzementhalleluja!
Luja, sog i! Mei liaba Lugo!"
Don
Pedro raste los und schleppte den Engel Alonso vor den lieben Gott. Der sah ihn
sich lange an; drauf sprach er: „Aha. Ein
Münchner Neo-Tänzer. Ja, sagen Sie mal, warum plärren Sie denn da heroben so
unanständig?"
Da
kam er beim Aloisius aber grad an den Richtigen. Der war mitten drin in der Wut
und legte nun los: "Ja, - ja was
gla'm denn Sie! Weil mir da hero'm im Himmel san, da - da müassad i den oidn
Schmarrn singa, wos? Wos? Und an Piazzolla kriagad i überhapts koan! Mei
Liaba, an D’Arienzo, hot er g'sagt, an D‘Arienzo kriegad i! Mei Liaba, da
wennst ma net gehst mit dei'm D‘ Arienzo, gell, ah den kennt‘s selber saufa, des
sog i eich, aber i tanz ned zu dem Zeig, dass di auskennst! Und singa dua i des überhaupts
ned, hob i no nia g'sunga, da sing i erscht recht ned do herob‘n..."
„Don Pedro", sagte der liebe
Gott, „mit dem können wir hier nichts
anfangen. Nun, für den habe ich eine andere Aufgabe: Der soll meine göttlichen
Ratschläge der Münchner Tangoszene überbringen. Auf diese Weise kommt er jede
Woche ein- oder zweimal nach München, und dann hat die liebe Seele ihre
Ruhe."
Als
Aloisius das hörte, war er sichtlich froh. Er bekam auch gleich den ersten
Auftrag, einen Brief, und flog damit los. Und als er plötzlich Münchner Boden
unter den Füßen fühlte, da war es ihm, als sei er im Himmel. Und einer alten
Gewohnheit gemäß führte ihn der Weg nach Gröbenzell, und er fand seinen
Stammplatz auf der Milonga wieder, fand den Stammplatz leer und seine
Lieblingstänzerin, die Kathi, kam auf ihn zu, und er tanzte gleich eine Runde,
und gleich noch eine Runde, und er vergaß seinen Brief und seinen Auftrag, und tanzte
no a Tanda und no oane, und glei‘ die Cortina mit, und da tanzt er heit no.
Und
so wartet der Münchner Tango bis heute vergeblich auf die göttlichen
Eingebungen.
Hier ein aktuelles Video mit diesem Text:
P.S.
Für Bayern ist eine Quellenangabe eigentlich unnötig. Basis ist der Text „Ein
Münchner im Himmel“ von Ludwig Thoma, hier in der Vortrags-Fassung von
Adolf Gondrell. Die Hauptperson spricht landestypisches Lunfardo. Verwendet
wurde eine Transkription von W. Näser:
Und
hier das Original:
hihi, landestypisches Lunfardo...
AntwortenLöschenKönne das mal jemand auf Hessisch und Pfälzisch übersetzen ;-)
Köstlich...
Dankeschön!
LöschenEntsprechende Übersetzungen per Kommentar sind sehr willkommen!
> und begann zu frohlocken:
AntwortenLöschen„Soñar y nada mas
Jetzt hätt i gern a Maß
soñar y nada mas
A Wurscht und a an Kas"
So könnte man es auch formulieren... eine schöne Mischung aus Bayerisch und der Tango-Modesprache!
AntwortenLöschenVielen Dank!