Dasselbe nochmal?

 

In einem DJ-Forum auf Facebook wurde jüngst eine Frage gestellt, mit der ich mich schon lange beschäftige:  

„Habt ihr als DJ schon einmal absichtlich einen Song zweimal in derselben Tanda gespielt?

Falls ja: Warum?

Ist es jemandem aufgefallen?“

Aus einer Reihe von Antworten geht hervor, dass dies zwar öfters vorkommt, aber selten Folgen hat:

„Ich habe versehentlich verschiedene Versionen desselben Liedes gespielt (ein paar Mal!) – ich glaube, es ist nur einmal einem DJ-Kollegen aufgefallen.

Einmal habe ich am Anfang und am Ende derselben Milonga genau dasselbe Lied gespielt, und niemand hat es bemerkt.“

„Ich habe einmal dieselbe oder fast dieselbe Tanda (ich bin mir sicher, dass es sich um zwei gleiche Lieder in derselben Reihenfolge handelte), innerhalb von etwa 1,5 Stunden wiederholt gehört, und keinem der Nicht-DJs, die ich gefragt habe, ist es aufgefallen.“

„Durch Zufall … und niemand hat es bemerkt!“

„Einmal beschwerte sich jedoch eine Tänzerin bei mir, weil ich ‚dasselbe Lied schon dreimal hintereinander gespielt‘ hätte. Ich spielte eine Tanda Canaro/Famá mit vier verschiedenen Liedern. Anscheinend klingen Canaro-Lieder für manche Leute sehr ähnlich.“

Tja, den Eindruck hatte ich auch schon... 

„Die größte Frage ist, ob es niemandem aufgefallen ist oder sich niemand beschwert hat. Ich fände es für den DJ so peinlich, dass ich nie ein Wort darüber verlieren würde. Ich meine, nur um nicht gemein zu sein.“

„Ein erfahrener DJ wird es bemerken, aber wenn es am Anfang und am Ende gespielt wird, ist die Wahrscheinlichkeit gering, da viele Leute nicht die ganze Veranstaltung besuchen.“

„Als ich auf meiner Stamm-Milonga mein erstes DJ-Set spielte, sagte mir ein Veranstalter, ihm gefiele die Musikauswahl nicht. Er gab mir eine zweite Chance. Eine Woche später wiederholte ich die exakt gleiche Playlist am selben Veranstaltungsort. Anschließend kam derselbe Veranstalter auf mich zu und machte mir ein Kompliment für die schöne Musik.“

Quelle: https://www.facebook.com/groups/TangoDJForum/permalink/3081691505331363

Manchmal stößt man in der Tango-Realität auf Gags, die man sich kaum auszudenken traut!

Sicher, damit ist nicht bewiesen, dass solche Aussetzer niemandem auffallen, sondern nur, dass sich kaum jemand beschwert. Aber gerade im Bereich des „traditionellen“ Tango ist die Hürde, sich wegen einer „falschen“ Musikauswahl zu beklagen, eher niedrig. Daher halte ich es für wahrscheinlicher, dass es kaum jemand mitkriegt. Auch selber habe ich solche Wiederholungen schon öfters erlebt. Persönlicher Spitzenreiter ist bei mir Troilos „Percal“.

Daher halte ich es mit dem Kollegen Lüders:

„Herrje, was werden da ständig die ‚feinen Phrasierungen‘ und die ‚unnachahmliche Intonation‘ der alten Original-Aufnahmen gerühmt (‚Moderne Orchester können diese Feinheiten ja gar nicht mehr spielen‘). Oft wird dann auch noch ein erheblicher technischer Aufwand betrieben, damit alles nur ja optimal klingt. Man möchte meinen, die TänzerInnen und alle anderen Anwesenden würden der Musik andächtig lauschen – stattdessen hört man oft kaum etwas, weil die Leute so laut reden (der DJ quasselt oft noch lauter als die Tänzer). Vielleicht imitieren sie aber auch nur die Sitten in Buenos Aires, wo es ja offenbar üblich ist, am Anfang eines neuen Stückes erstmal eine gehörige Zahl von Takten zu verquasseln.“

https://jochenlueders.de/?p=13650

Ist es dann ein Wunder, wenn kaum jemand merkt, dass der DJ eine bestimmte Aufnahme (oder eine ganze Tanda) schon mal gespielt hat? Hauptsache, es klingt uralt-depressiv!

Kein Zweifel: Gerade auf den „traditionellen“ Milongas laufen einfach Rituale ab: Wenn das vertraute Geschepper erklingt, wird cabeciert und dann auf dem Parkett umhergetrabt. Spielt der DJ dann eine meist modernere Musik ein, hört man wieder auf.

Als ich vor vielen Jahren noch optimistischer drauf war, habe ich in den Pausen zwischen den Tänzen der jeweiligen Partnerin gelegentlich den Titel oder das gerade gespielte Orchester genannt, manchmal sogar erklärt, was der Sänger uns soeben erzählen wollte. Ich glaube, ich hätte mir weniger feindselige Reaktionen eingefangen, wenn ich die Damen zwischendurch mal begrabscht hätte: Mit der Musik kenne man sich nicht so aus, so die leicht pikierte Standard-Antwort – und meistens seien die Texte ja eh Kitsch. Ich frage mich nur, wieso man dann so scharf darauf ist, dazu in (zumindest leichte) Bewegung zu verfallen!

Inzwischen lasse ich solche Erklärungen zugunsten von leichter Ironie: Wenn ich eine Tänzerin erst gegen Ende des ersten Stücks auffordere und sie dann bedauert, dass dieses schon vorbei sei, antworte ich oft: Kein Problem, die spielen es gleich nochmal". Verstanden wird auch der Satz nur selten. 

Ich habe meine Frau einmal gefragt, ob es nicht eine gute Idee sei, zum Tanzen gar keine Musik aufzulegen. Sie meinte, das sei durchaus sinnvoll – nur: „Es wird ihnen doch irgendwie komisch vorkommen…“

Vielleicht spielt die Musik im Tango ja die Rolle eines Placebos: Sie ist hinsichtlich des Tanzes völlig wirkungslos, steigert aber das Wohlbefinden.

So dürften auch die Worte des 2015 verstorbenen Tango-Weltmeister Osvaldo Cartery ungehört verhallen:

„Es geht darum, die Musik zu hören, oder? Der Typ, der die Texte geschrieben hat, dem lief dabei das Gehirn heiß, und den Musikern fielen die Augen raus, bis sie so spielen konnten. Und um ein böses Wort zu gebrauchen: Wenn du tanzt, kannst du darauf nicht sch…“

https://milongafuehrer.blogspot.com/2019/07/legenden-des-tangotanzes.html

Illustration: www.tangofish.de

Kommentare

  1. Verschieden Versionen desselben Liedes hintereinander zu tanzen finde ich sehr schön und interessant. Auf der anderen Seite musste ich auch schon lernen, dass zwei mit größerem Abstand in einer Milonga gespielten Titel doch zwei verschiedene Lieder waren, die nur beide eine ähnliche Textpassage hatten. Zum Glück kann man nach Textstellen leicht suchen.
    Ob man eine Dopplung erkennt, dürfte stark davon abhängen, um welche Musik es sich handelt. Die Versionen des Liedes "Fruta Amarga" von Troilo, Caló und Fiorentino kann ich bis heute nicht auseinander halten, obwohl ich mich für Tango-Musik interessiere und es sich um einen meiner Lieblings-Tangos handelt. Ich kann mich allerdings auch nicht erinnern, eine davon auf Milongas gehört zu haben. Bei Roberto Goyenche mit dem Orchester Atilio Stampone dürften Dopplungen hingegen kaum unbemerkt durchgehen. Und zum Beispiel mit Aufnahmen der Sängerin Inés Cuello wurden einige gleich beim ersten Mal hellhörig!

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