„Encuentro“ ist ein anderes Wort für „Himmel“
„Wenn einer mit
Vergnügen zu einer Musik in Reih und Glied marschieren kann, dann hat er sein
großes Gehirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark schon völlig
genügen würde.“
(Albert Einstein)
Unter dem obigen Titel hat der populäre, jedoch impressumslose Blogger „Tango Therapist“ jüngst einen Text veröffentlicht,
den ich für stilbildend halte. Um ihn einem größeren Leserkreis zu erschließen,
hier meine Übersetzung des Originals:
In Europa, und nun mehr und mehr auch in Amerika,
haben Organisatoren kleine Tangofestivals (Festivalitos) entwickelt, die in
allen Fällen Wochenenden der engen Umarmung darstellen. Der Begriff für diese
kleinen Veranstaltungen stammt vom spanischen Wort für „Begegnung“ („Encuentro“).
Encuentros sind wundervoll wegen der Dinge, die dort
geschehen, und wegen derer, die dort nicht vorkommen.
Was es nicht gibt:
Pflichttänze: Niemand fragt dich
nach einem Tanz. Die Tango-Etikette hat seit Langem die cabeceo / mirada
(nonverbale) Methode etabliert, nach einem Tanz zu fragen – als Epizentrum
dieser Etikette. Wenn du nicht an nonverbale Anfragen glaubst oder nicht weißt,
wie man einen Tanz ohne zu fragen bekommt, ist ein Encuentro kein Ort, wo du
viel tanzen wirst.
Zusammenstöße: Niemand tanzt in
dich hinein. „Tangostars" kommen nicht und sind auch nicht eingeladen.
Floorcraft bei einem Encuentro geht davon aus, dass man auf sehr kleinem Raum
gut tanzen kann. Niemand wird dich mit außer Kontrolle geratenen Bewegungen wie
Ganchos und Boleos kicken. Ein ausgezeichneter Tänzer mit schlechtem Navigationsvermögen
wird rausgeschmissen oder zumindest nie wieder zu einem Encuentro eingeladen
und auf eine schwarze Liste gesetzt.
Persönlich
erlaubt mir das Gefühl der Sicherheit, auf einem höheren Level zu tanzen.
Manchmal muss ich all meine Überlebensfähigkeiten einsetzen, um meinen Partner
bei Festivals und lokalen Milongas zu beschützen. Wenn ich gezwungen bin,
während des Tanzens in einen Überlebensmodus zu gehen, wird meine Konzentration
auf Tanzfähigkeiten leiden. Das Encuentro ermöglicht es mir, mich auf das zu
beschränken, was wirklich zählt: die Musik, die Umarmung und den einzigartigen
Tanzausdruck meines Partners.
Es folgt das Foto einer Tango-Marschordnung, welches ich aus Urheberrechts-Gründen hier nicht zeige – bei Bedarf siehe Original. Bildunterschrift:
Tango-„Stars“ können nicht in die Encuentro-Ronda
passen! Milonguero-Stars werden in der sternenbesetzten himmlischen Umarmung
ihrer Partner erschaffen. (Encuentro in Newport News, Virginia)
Tango-Shows: Bist du gekommen, um
jemanden zu sehen, der alleine tanzt, oder um mit all deinen Freunden zu tanzen?
In der Regel keine Shows oder Demos.
Was es gibt:
Ausgezeichnete
Tanzmusik:
Ein Encuentro lädt fast mit Sicherheit bekannte DJs ein, welche die Regeln von
Tandas und Cortinas aus Buenos Aires verstehen. (Tango-Tandas mit vier Liedern
x 2, eine Drei-Vals-Tanda, wiederum zwei Tango-Tandas und schließlich eine
Drei-Milonga-Tanda.). Der DJ weiß auch, dass er in der Regel keine Orchester
mischen darf.
Die
DJs nehmen sich Zeit, um Reproduktionen in bester Qualität zu finden und
spielen meist traditionellen Golden Age Tango. Aber was nützt es, exzellente
Tanzmusik ohne gute Klangqualität zu haben? Encuentro-DJs verfügen in der Regel
über das höchste technische Wissen zur Tonwiedergabe und die besten Kopien von
Songs. Genießen Sie ihre sorgfältig ausgeglichene, verzerrungsfreie Musik, die gewissenhaft auf Lautstärke-Levels gehalten wird, die Ihr Gehör nicht schädigen!
Exzellente Tänzer mit warmer Umarmung
Geschlechtergleichgewicht: Dieses entspannt
alle ziemlich. Einige Männer und Frauen sitzen vielleicht mehr, als sie wollen,
aber ein Ungleichgewicht der Geschlechter ist normalerweise kein Grund dafür.
Soziale Tänzer: Viele Tänzer
versuchen bei dem kleinen Event oft mit allen zu tanzen – nicht aus Pflicht,
sondern aus Freude.
Anmerkung: Das Encuentro, das
ich beschreibe, stammt aus meiner Erfahrung. Und ja, ich idealisiere das
Encuentro hier ein bisschen. Aber in allen Fällen hatte ich eine großartige
Zeit – den Himmel auf Erden. Außerdem schreibe ich von meinen Gesprächen mit Organisatoren,
die einige kleinere Elemente hinzufügen oder weglassen können. Ein Veranstalter
kann eine „Demo"-Show des Milonguero-Tanzes hinzufügen. Die meisten, aber
nicht alle Organisatoren werden die Milongas nicht so lange machen, damit alle
gleichzeitig auftauchen. Dies stellt sicher, dass das Gleichgewicht stimmt.
Die
meisten Veranstaltungen beinhalten ein gemeinsames Essen. Die meisten haben
viele Speisen und Getränke im Preis inbegriffen. Jeder Veranstalter und jedes
Land bringt dem Encuentro ein bisschen Würze, und das Konzept wird sich im
Laufe der Zeit verändern – zum Guten oder zum Schlechten. Ich bin offen, diesen
Beitrag zu bearbeiten und zu ändern. Schreibe mir unter mark.word1@gmail.com
oder melde dich auf meiner Facebook Tango-Therapeutenseite (https://www.facebook.com/MovementMusicEmbrace/)
mit deinen Ideen.
Erstaunlicherweise
finden sich zu dem Text zwei kritische Kommentare – einer davon, wen wundert’s,
vom Blogger-Kollegen Yokoito, der „etwas
Wasser in den Wein gießt“. Er spricht von „Gesichtskontrolle“, „Gender-Diskriminierung“
und „verstecktem Druck“.
Der routinierte
Therapeut lächelt all das weg und endet in seiner Antwort sogar mit etwas, das
er für Deutsch hält: „Irgendwann vielleicht wäre mein
Posts geschätzt als nicht mehr so ‚banale‘ von Dir beschrieben? Du kannst mich
besser helfen, wenn Du mir bei mark.word1@gmail.com persönlich schreibst. Tschüß, Mark."
Na eben, dann ist es auch nicht so öffentlich.
Wer nun darauf wartet, dass ich hier wieder mal meine besten
Encuentro-Witze dranhänge – nö. Vom
hauptberuflichen Journalisten EdgarFranzmann habe ich neulich die Maxime schreiberischen Schaffens gelernt: „Show, don’t tell“.
Daher möchte ich zum folgenden Werbevideo
nur noch einmal an die obigen Vorzüge erinnern:
·
keine verbale Aufforderung
·
keine Zusammenstöße
·
keine Starallüren
·
keine Shows oder Demos
·
gleichmäßige, ausgeglichene Beschallung
·
viele Sozialkontakte
·
Nestwärme
·
Geschlechtergleichgewicht
·
jede Menge Essen und Getränke, gemeinsame Mahlzeiten
... und keine schwarzen Schafe
P.S. Wahrscheinlich
komme ich durch solche Artikel niemals in den Tango-Himmel; es sei denn, es
ergeht mir so wie in einem meiner Lieblingswitze:
Ein Christ kommt nach seinem Tod ins Jenseits und bemerkt zu seiner
Verblüffung, dass 72 Jungfrauen auf ihn warten. Entgeistert ruft er: „Hallo,
was soll das, ich bin doch für euch ein Ungläubiger! Ich dachte, das gibt es
nur für Moslems?“ Da antwortet die Oberjungfrau: „Im Prinzip schon – aber hast
du mal gesehen, in welchem Zustand die hier ankommen?“
äh, man kann doch gerade auch Fragen negativ beantworten. Seh da nur ich den Widerspruch? "keine Pflichttänze, weil nicht um einen Tanz gefragt wird, sondern nonverbal aufgefordert" ???
AntwortenLöschenAnsonsten: ja mei, ihm gefällts halt auf nem Encuentro. Wenn das so einförmige ne "Friedhofsveranstaltung" ist, wie er beschreibt, würds mir da nicht gefallen.
Klar kann man Fragen negativ beantworten. Könnten wir auch mal machen, z.B.
Löschenkeine schwarzen Listen
keine Geschlechter-Diskriminierung
keine Tanz-Verbote
keine Aufforderungs-Einschränkungen
keine dreistelligen Preise