Zertifiziertes Diplom-Jodeln


„Das Jodeln, also das Diplomjodeln, das Jodeln mit Jodeldiplom, also mit Jodelabschluss, mit Jodeldiplomabschluss, unterscheidet sich vom Jodeln ohne Jodeldiplom. Das Diplomjodeln ist also nicht zu vergleichen mit dem Normaljodeln ohne Diplom, also ohne Jodelabschluss, ohne Jodeldiplomabschluss!“

(Loriot: Die vollständige Fernseh-Edition, Warner Home Video 2007)

Es gibt einfach Dinge, an die Tänzer glauben wollen – auch wenn sie nicht stimmen: Erst neulich stieß ich wieder auf die Äußerung einer Tanguera auf Facebook (wo Tangolehrer einander derzeit leidtun, da sie von inkompetenten Weibern aufgefordert werden):

„…ist es auch unglaublich, zu sehen, wie viele sich selbst als Tango oder generell als Tanzlehrer ernennen, schade, dass es hierfür keinen offiziellen Abschluss oder Diplom gibt, so wie es bei anderen Tanzrichtungen der Fall ist

Hm, ja, schon… nur: bei welchen anderen Tanzrichtungen?

Die Wahrheit ist nüchtern und simpel:

„In Deutschland zählt der Tanzlehrer zu den freien Berufen, die jedoch nicht an eine Ausbildung oder Konzession gebunden ist. Es darf sich jeder ohne Ausbildung Tanzlehrer nennen und eine Tanzschule eröffnen.“

Gibt es also überhaupt keine staatlich geregelten oder anerkannten Ausbildungsgänge in diesem Bereich? Die klare Antwort: jein, fallweise und irgendwie schon…

Auf der relativ sicheren Seite ist man mit einem Studium der Tanzpädagogik (derzeit wohl 8 Studiengänge an 6 Hochschulen), das man nach 8 Semestern mit dem Bachelor of Arts (BA) und nach weiteren 4 Halbjahren mit dem Master of Arts (MA) abschließen kann. Neben der Vorlage einer wissenschaftlichen Arbeit wird auch eine praktische Tanzprüfung verlangt.

Nebenbei: Nach meiner intensiven Internet-Recherche wirbt keine einzige deutsche Tangolehrkraft mit dieser Qualifikation!

Bei uns gibt es allerdings Vereine, die eine Tanzlehrer-Ausbildung anbieten (Dauer in der Regel 3 Jahre): Dies sind insbesondere der Allgemeine Deutsche Tanzlehrerverband (ADTV, zirka 2600 Tanzlehrende in 800 Schulen) und der Berufsverband Deutscher Tanzlehrer (BDT, etwa 220 Tanzlehrer, auch aus dem Ausland, in 150 Schulen). Letztlich sind auch diese Abschlüsse nicht staatlich konzessioniert (entsprechen aber den Anforderungen des Berufsbildungsgesetzes). Der ADTV hat es jedoch seit 2016 geschafft, dass man über ihn das Zertifikat ADTV-Tanzlehrer/in (IHK)“ erwerben kann, also offenbar eine von der Industrie- und Handelskammer anerkannte Qualifikation. Bei Vollzeitlehre erhält man eine Ausbildungsvergütung von 300-400 €.
Weiterhin kann man über den ADTV das aber eher wirtschaftlich geprägte Zertifikat „Gepr. Fachwirt bzw. Fachwirtin für Tanzschulen (IHK) erwerben.
http://ich-werde-tanzlehrer.de/ADTV-TanzlehrerIn

Irgendwelche anderen „Tanz- oder Tangolehrerausbildungen“ in Deutschland sind stets rein private Schulungen ohne jeglichen staatlich anerkannten Abschluss. Einen Überblick liefert mein schon veröffentlichter Text:

Außer einem Studium bietet also am ehesten noch ein Tanzlehrerverbands-Abschluss eine halbwegs verlässliche Qualifikation zum Unterrichten von Bewegung zur Musik. Amüsanterweise gelten jedoch gerade ADTV-Tanzlehrer (mit schätzungsweise über 5000 Ausbildungsstunden) in der Tango argentino-Szene überhaupt nichts – im Gegensatz zu einer südamerikanischen Abstammung.

Gerade aus dieser Ecke kommen oft possierliche Belege zur tänzerischen Ausbildung:

„erwarb das Diplom als Bailarín de Danza Folclórica des Consejo Nacional de las Artes Escénicas del Ministerio de Cultura, Cuba“

„bekommt 10 Jahre später ihr erstes Diplom als staatlich geprüfte Tanzlehrerin von der ‚Escuela Nacional de Danza‘“

Gleich drei total argentinisch wirkende Diplome nennt dieser „zertifizierte Tangolehrer“ sein Eigen:

Andere deutsche Kollegen wollen da ausbildungsmäßig nicht nachstehen:

„Tänzer, Lehrer, Choreograph (Fachtanzlehrer Tango Argentino, Diplom-Pädagoge mit rehabilitationspädagogischer Zusatzausbildung, NLP-Master (DVNLP))“

„Ich bin Diplom-Ökotrophologin, Tango-Lehrerin und zertifizierte Trainerin der Tango-Therapie. 2009 ‚infizierte‘ ich mich auf einer Reise nach Argentinien mit dem Tango, schloss 2012 eine Tango-Lehrer-Ausbildung in Bremen, Frankfurt und München ab und bildete mich in Tango-Therapie weiter. Seit 2016 bin ich ausgebildete Trainerin der Tango-Therapie mit Schwerpunkt Morbus Parkinson und Demenz.“

„Ausbildung zur zertifizierten Tangolehrerin bei Detlef Engel & Melina Sedo in Saarbrücken“

Juhu, da drauf hab ich noch gewartet!

Übrigens kann man sich bei solcher Werbung darauf verlassen: Selten gibt es eine Erläuterung zu einer solchen „Qualifikation“, der man nähere Einzelheiten zu Ausbildungsart, Dauer oder gar staatlicher Anerkennung entnehmen könnte!

Liebe Tangoschüler,

ja, ich weiß, euer Tangolehrer ist wirklich toll, auch wenn er ein Diplom hat! Macht ja nichts. Ich sehe mein Blog halt ein bisserl als „Stiftung Tangotest“ und möchte daher darauf aufmerksam machen, dass man nicht auf falsche Etikette(n) hereinfallen sollte.
Die meisten sagen genau nichts darüber aus, ob der Betreffende wirklich Tango unterrichten kann.

Selber gucken, probieren und sich ein Bild machen bleibt einem also nie erspart!
Selbstbewusstsein ist gerade für Tangoanfänger absolut erforderlich – und wenn es dem dient: Drucken Sie sich doch schon mal persönlich ein Diplom aus:

Und nochmal zum Nachsprechen:


Kommentare

  1. Eine Tanzpädagogik-Ausbildung sagt absolut nichts darüber aus, ob jemand tanzen kann. Man lernt dabei "nur", wie man jemandem Tanzbewegungen beibringt. D.h. auf dem Lehrplan stehen unter anderem: Anatomie, Warm-Up und Cool-Down, Fehlhaltungen erkennen und korrigieren,, richtig zählen, Kommunikation, Lerntypen und wie man sie "bedient", Feedback geben...u.v.m.
    Ich habe z.B. dabei auch gelernt, was das typische in unterschiedlichen Tanzstilen ist und wie man eine x-beliebige Schrittkombi entsprechend anpassen kann.
    Für mich ist das eine notwendige Grundlage für jeden Tanzlehrer. Alles andere ist nur "ich mach vor und ihr versucht es nachzumachen...sofern ihr überhaupt seht und/oder kapiert, was ich mache".
    Zum Tango Argentino gehört aber mehr: Musikalität, Improvisation, die Verbindung und die Kommunikation zwischen den Tanzpartnern, um nur Einiges zu nennen. Dafür KANN es helfen, in BA geboren oder gewesen zu sein, oder argentinische Lehrer gehabt zu haben...muss aber nicht! Und das allein macht es sicher nicht aus. (Ich war schon ein paar mal in Irland und ich kann auch ein wenig steppen, trotzdem kann ich kein Irish Tap).
    Ich wähle jedenfalls meine Lehrer nicht nach ihren Diplomen oder wie toll sie tanzen können aus, sondern ich gönne mir eine Probestunde und schaue, wie gut sie es mir beibringen können.
    LG
    Carmen

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    1. Ich habe damals recherchiert, dass auch eine praktische Tanzprüfung verlangt wird.
      Na gut - wie auch immer! Für bemerkenswert halte ich es aber, dass ich keine Tangolehrkraft kenne, die auf eine solche Ausbildung verweist.
      Danke und liebe Grüße!

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