Gerhard Riedls garantiert unanonymes Blog zum Tango argentino
September in the rain
Was
täte ich nur ohne den Blogger-Kollegen Thomas
Kröter aus Berlin? Ich muss ihm für zwei Dinge sehr dankbar sein: Das
Finden neuer Themen und seine öfters mangelnde Bereitschaft, diese wirklich
konsequent abzuhandeln. Da bleibt für mich vieles übrig:
In
diesem Fall zunächst ein von ihm geteiltes Video,
welches das Standardtanzpaar John Wood
und Anne Lewis zeigt. Die beiden traten
von 1987 bis 1993 als Professionals bei großen Turnieren an und gewannen unter
anderem die Profi-Weltmeisterschaft
1989 in Blackpool. Auf einer Liste der 10 besten Standardtänzer aller Zeiten steht John Wood auf Platz 5.
In
bester Smartphone-Poesie charakterisiert Kollege Kröter den Tanz der beiden mit
„was für 1 eleganz...“ In meiner gewohnten „Longread-Version“
darf ich vielleicht ergänzen: Der Slowfox, den die beiden da zelebrieren,
bildet für mich den Inbegriff des
Paartanzes: Mehr Musikalität, Paarbeziehung, Eleganz, Ausdruck, Tanztechnik und
sportliche Leistung sind kaum vorstellbar:
Dazu
kommt: Der Titel von Harry Warren
und Al Dubin, auf den die beiden da
tanzen, gehört für mich zu den schönsten Jazz-Standards aller Zeiten: „September in the rain“ stammt aus dem
Jahr 1937 (also beste „EdO“) und wurde von den meisten Größen dieses Genres
(und sogar den Beatles) interpretiert.
The leaves of brown came tumbling down
Remember in September in the rain.
The Sun went out just like a dying amber,
That September in the rain.
To every word of love I heard you whisper.
The raindrops seemed to play our sweet refrain.
Though spring is here to me it's still September,
That September in the rain.
That September that brought the pain,
That September in the rain.
Die
braunen Blätter fielen herab
Erinnere
dich, im September im Regen.
Die
Sonne erlosch wie ein sterbender Bernstein,
in
jenem September im Regen.
Zu
jedem Wort der Liebe hörte ich dich flüstern.
Die
Regentropfen schienen unseren süßen Refrain zu spielen.
Obwohl
der Frühling da ist, ist es für mich immer noch September,
Dieser
September im Regen.
Dieser
September, der den Schmerz brachte,
Dieser September im Regen.
In
seinem jüngsten Blogtext berichtet Kollege Kröter nun über seinen Tangourlaub auf Mallorca und verlinkt
Videos mit seinem Lehrerpaar Christiane
Rohn und Constantin Rüger:
Unter
anderem sieht man da einen Showtanz der beiden zu Piazzollas “Oblivion”:
Was
mir da im Vergleich zu John Wood und
Anne Lewis einfällt, verschweige ich
tapfer. Und es geht mir auch gar nicht darum, nun ein konkretes Lehrpersonal
herunterzumachen – das Problem ist allumfassend.
Ich bin allerdings dafür, im Tango von der
gnadenlosen Arroganz überhaupt und vor
allem gegenüber den Standardtänzern
wegzukommen. Es besteht dazu nicht die Spur einer Rechtfertigung. Und es hilft
auch nichts, ständig auf den „völlig
unterschiedlichen Tanzstilen“ herumzureiten. Was im Profi-Tanzsport
geleistet wird, mag uns Tangoleuten manchmal geschmacklich widerstreben – aber das
Können bewegt sich in Sphären, welche der Tango, gerade hierzulande, nur
anbellen kann wie der Hund den Mond.
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