Rosen und Restmüll
Das Glück
des Mannes heißt: Ich will.
Das Glück
des Weibes heißt: Er will.
(Friedrich Nietzsche)Mir war klar: Die Bereitschaft, sich auf meinen vorhergehenden Artikel wirklich inhaltlich einzulassen, würde gering sein. Der Grund: Ich hatte die geschilderte Lobpreisung des traditionellen Frauenbilds in der Tangoszene Argentiniens der Tatsache gegenübergestellt, dass die weibliche Bevölkerung Lateinamerikas real eher wenig zu sagen hat – selbst wenn die Damen den vorherrschenden Machismo überleben.
Höflichkeitsrituale
wie das Aufhalten der Tür oder den strengen Verhaltenskodex auf konservativen
Milongas sehe ich weiterhin nicht als Beweis an, dass man den Damen in
Südamerika wirklich Gleichberechtigung
zugesteht.
Soweit (auf FB) Kommentare kamen, arbeitete
man sich begeistert an Randaspekten
wie den Verdienstmöglichkeiten von Showtanzpaaren oder Tangolehrern vom Rio de
la Plata ab.
Der Inbegriff der Themaverfehlung kam von einer der Autorinnen des Blogs „Berlin Tango Vibes“, auf dem der Text
erschienen war, den ich kommentiert hatte:
„Und
doch sind wir dann schnell wieder bei der alten Frage, ob Sexismus wirklich
schon beim Tür Aufhalten beginnt.“
Nein, natürlich nicht! Dies ist schlicht eine freundliche Geste – ebenso wie das
Helfen in den Mantel oder das Anbieten eines Platzes – und es soll Frauen
geben, welche dies sogar selber unternehmen, wenn ein Mann dessen bedürftig
sein sollte.
Übrigens ist „Sexismus“ einer der schillerndsten und unbestimmtesten Begriffe
überhaupt. Wer‘s nicht glaubt, darf sich gerne einmal mit dem semantischen
Slalom auf „Wikipedia“ befassen:
Eine
noch halbwegs anwendbare Definition lieferte die Frauenrechtlerin Käthe Schirrmacher im Jahr 1907:
„Mit der dem Menschen
eigenen Subjektivität hat der Mann sich, seine Vorzüge, Fehler und Leistungen
als die Norm, das Normale, das ‚Sein Sollende‘, das Ideal gesetzt: Das
Männliche war, in der Sprache wie anderswo, das Maßgebende.“
Es
geht also um die männliche Weltsicht
und ihre Allgemeingültigkeit und
nicht darum, wer wem in den Mantel hilft!
Wer
die traditionelle Rollenverteilung
im Tango preist und sie auch heute noch als erstrebenswert propagiert, sollte
halt wissen, dass die Frauen im Tango seit jeher wenig zu melden haben:
„In der Geschichte
des Tangos war die Frau anfangs eindeutig das Opfer, die Fügsame, die Dienende,
die durch dominante Männer unterdrückt wurde, die ihnen gehörte. Der Tango
entstand ja in den Spelunken, Kneipen und Bordellen des Hafenviertels von
Buenos Aires zu Beginn des 20. Jahrhunderts. So war ‚die Tanguera ein
knappes Jahrhundert lang pures Produkt männlicher Projektionen: eine Hure mit
Herz auf der Zunge und Rhythmus im Blut. Eine Frau, die keine Zukunft, dafür
aber viel Vergangenheit hatte und dem Mann als Vorwand für sein Unglück diente.‘“
Tango
ist bis heute eine Männerwelt: Es
gab und gibt nur wenige weibliche Tangokomponisten, Texter und Musiker – und selbst
die Sängerinnen, die es gab und gibt
(siehe Susana Rinaldi, Adriana Varela, Lidia Borda und viele andere), werden
auf hiesigen Milongas kaum gespielt. Und wer legt überwiegend auf oder veranstaltet Tangoabende? Na eben...
Zur
Grundfrage, die ich im letzten
Artikel gestellt habe: Höchste Rücksichtnahme
auf die Tangueras und gesellschaftliche Unterdrückung
der Frauen – wie geht das, am Beispiel Argentiniens, zusammen?
Man
ist hierzu nicht auf die abenteuerliche Vermutung angewiesen, beim Tango träfen
sich die Gentlemen und außerhalb die
Flegel. Nein, höfische Sitten können durchaus andeuten, die Frau sei die Schwächere und daher der besonderen
Fürsorge bedürftig:
„Misogynie,
.... Kennzeichnung von Einstellungen, die die strukturelle Benachteiligung der
Frau in der Gesellschaft und im privaten Bereich widerspiegeln. Misogyne
Einstellungen und Verhaltensweisen äußern sich sowohl offen restriktiv
(Karrierehemmnisse, ungleiche Bezahlung, etc.) wie auch durch die in verdeckter
Weise erfolgende Beschränkung der Frau auf ihre traditionelle Geschlechtsrolle
(Verzerrung des Selbstbildes der Frau aufgrund spezifischer Sozialisation,
Betonung ihrer schwächeren Position durch überlieferte Höflichkeitsformen
etc.).“
(Lexikon
der Soziologie 2011)
Zudem
können strenge Códigos natürlich
auch andeuten, was los wäre, wenn es sie nicht gäbe: Je aggressiver das
Raubtier, desto höher die Gitter…
Übertrieben
galantes, ja anhimmelndes Verhalten
gehört übrigens zum klassischen Repertoire eines Persönlichkeitstypus, der im
Tango nicht selten sein dürfte: des Narzissten (geschätzt zu 75 Prozent männlich).
„Wenn am Anfang alles
zu schön ist, um wahr zu sein – ist es das auch meistens“, sagt die
Psychotherapeutin Dr. Bärbel Wardetzki.
Wer in eine Beziehung mit einem Narzissten gerät, glaube am Anfang meist, den
Traumprinzen oder die Traumfrau gefunden zu haben: Er trägt einen auf Händen,
lässt rote Rosen regnen und betont ständig, wie froh er ist, einen gefunden zu
haben. „Love Bombing“ nennt Christine Merzeder diese Strategie in
ihrem Buch. Sie war 12 Jahre mit einem Narzissten zusammen und danach
körperlich und seelisch ein Wrack.
Charakteristisch
ist freilich, dass „Mister Right“ eine Spur
der Verwüstung hinter sich herzieht: Firma pleite gegangen, x Mal getrennt,
Rosenkrieg mit der Ex… Nun aber solle alles anders werden. Wird es aber nicht.
Bald
merke man, dass der Verehrer nur einen Spiegel suche, der ihm seine eigene Großartigkeit vor Augen hält.
Zunehmend werde der Partner bei „Ungehorsam“ kritisiert und abgewertet.
Selber könnten Narzissten mit Kritik gar nicht gut umgehen – da sei der Machtkampf vorprogrammiert. (Kenne ich doch vom Tango irgendwie…)
Zudem
sei dieser Persönlichkeitstypus ein Meister darin, Schwachstellen beim Partner auszumachen und entsprechend zu nutzen.
„Gaslighting“ (nach dem berühmten
Filmtitel) nennt man die Strategie, das Gegenüber durch Manipulationen und Lügen
so zu verunsichern, dass es den eigenen
Wahrnehmungen nicht mehr traut. Weiterhin werden Außenkontakte immer mehr eingeschränkt und so der Partner
kontrolliert.
Trennungen können äußerst ungemütlich
werden, da man dem Narzissten ja den „Ego-Sauerstoff“
abdrehe. Man müsse mit heftigen Gegenreaktionen
rechnen wie „Aggression, Stalking und
Schmierkampagnen“. Tragischerweise gelingt es diesen Persönlichkeiten oft,
die weitere Umgebung (auch Mediatoren und Richter) von sich einzunehmen. Die
können es sich oft gar nicht vorstellen, wieso die Frau vor diesem „netten,
zuvorkommenden Mann“ flieht!
Typische
Sätze aus der Beratungspraxis von Narzissmus-Opfern:
• Er hat mir gesagt, er wolle mit mir angeben
können.
• Er hat mich beschimpft, wenn ich einen Fehler
gemacht habe.
• Er begründete alles damit, dass er ja nur das
Beste für mich wolle.
• Sagte ich einmal „nein“, sprach er eine Woche
lang nicht mehr mit mir.
• Am Ende wusste ich nicht mehr, ob nicht doch
ich der Narzisst war.
• Er drehte mir das Wort im Mund herum.
Fazit
Geht
man auf der Basis von Gleichberechtigung
und gegenseitiger Achtung
miteinander um, sind kleine Gefälligkeiten
und Komplimente wunderbar.
Wovor
ich allerdings nicht nur im Tango warne, sind schwülstige Sprüche, wenn die Realität
eine völlig andere Sprache spricht.
Daher
sollte man Metaphern wie diese
lieber botanisch betrachten:
„Lass die Frau, Deine Partnerin, sich wie
eine Königin fühlen und wie eine kostbare Blüte erblühen.“
Denn
wohin kommen schöne Blumen nach dem
Abblühen?
Richtig: auf den Müll!
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