Die vergessenen Musiker: Omar Valente



Seit dreieinhalb Jahren spielen wir – der EdO zum Trotz – auf unserer „Wohnzimmer-Milonga“ vor allem Tango-Aufnahmen ab den 1960-er Jahren. Was mich immer mehr verblüfft: Nicht nur entdecken wir ständig neue zeitgenössische Ensembles, sondern – fast noch häufiger – Künstler, die in der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts oft sehr bekannt waren, jedoch auf den heutigen Milongas völlig ignoriert werden.

Eine unermüdliche Ideengeberin ist für mich meine Tangofreundin Manuela Bößel, die eine schier unerschöpfliche Informationsquelle nutzt: Auf der Website „Todotango“ wird man gleich auf der Startseite zu einer „heutigen Auswahl“ geleitet:

Dort findet man eine täglich neue Playlist mit zirka 20 bis 40 Stücken, zu denen jeweils auch Angaben über Autoren, Erscheinungsjahr, Interpreten sowie der spanische Text erscheinen. Und obwohl es sich um eine argentinische Seite handelt, kommt sie völlig ohne Scheuklappen aus: Es finden sich Aufnahmen aus den verschiedensten Zeiträumen und mit teilweise hierzulande völlig unbekannten Künstlern.

So war mir (nach 19 Tangojahren) der Pianist, Bandoneónspieler, Arrangeur, Orchesterleiter und Komponist Omar Valente (eigentlich Antonio Felipe Valente, 1937-2008) überhaupt kein Begriff.
Der aus Buenos Aires stammende Künstler schrieb Arrangements für die Großen seiner Zunft: Enrique Mario Francini, Aníbal Troilo, Astor Piazzolla, Juan D'Arienzo, Roberto Caló und Leopoldo Federico. Ab seinem 12. Lebensjahr wurde er von Eduardo Rovira im Klavierspiel unterrichtet, später studierte er Harmonielehre bei Ernesto Rossi.
Bereits mit 13 Jahren war er Mitglied eines professionellen Tangoorchesters, mit 16 Jahren erschien er auch im Fernsehen. Nach der Militärzeit stellte er sein eigenes Ensemble („Quintango“) zusammen, mit dem er in den Medien sowie renommierten Spielstätten auftrat.
Häufig gastierte Omar Valente in Japan, wo er ein Musikkonservatorium gründete und über 400 Arrangements für dortige Musiker schrieb. Er arbeitete mit vielen berühmten Tangosängern zusammen, unter anderem Roberto Rufino, Virginia Luque, Alberto Podestá, Silvia Del Río, María Garay und Jorge Hidalgo.

Für die EdO war er mit seinem Geburtsjahr 1937 schlicht zu jung – und zumindest seine späteren Einspielungen klingen wohl nach dem, was man heute gerne als „untanzbar“ diffamiert. Daher: Keine Chance, es auf eine übliche Milonga-Playlist zu schaffen. Etwas über 20 Titel kann man bei „Amazon“ noch herunterladen, was wir gestern taten.

Warum ich heute darüber schreibe: Die Aufnahmen haben mich elektrisiert – ein solch fulminantes Klavierspiel, derartig kunstvolle Arrangements sind selbst bei der Tangomusik, die ich schätze, nicht unbedingt häufig. Als Beispiel hier die wohl bekannteste Komposition des Künstlers, „Alegría de un Teclado“ – „Freude an einer Tastatur“. Ja, die hört man wirklich:

Ich mache mir keine Illusionen: Der Zug ist abgefahren – zu solch „komplizierter Musik“ wollen die wenigsten in der heutigen Tangoszene tanzen: Warum schwierig, wenn’s auch einfach geht?

Dazu passt ein Wort von Omar Valente:
„Tango hat noch nie eine Krise durchgemacht. Es ist sehr gut bekannt, dass es tatsächlich ein Problem mit den Plattenfirmen gab, die Qualität beiseite legen, um größere Gewinne zu erzielen.“

Eines weiß ich aber auch: „Alegría de un Teclado“ wird auf unserer nächsten „Wohnzimmer-Milonga“ zu hören sein – und wie ich unsere Gäste kenne, stürzen die sich bei solchen Klängen auf das Parkett.

Jedenfalls werde ich sie weiter auflegen, die „vergessenen Musiker“ – und immer wieder neue finden. Wenn ich mir die bisherige Liste unserer „musikalischen Specials“ ansehe, ist da schon einiges zusammengekommen:
http://milongafuehrer.blogspot.com/2017/12/wohnzimmer-milongas-musikalische.html

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