Tango McCarthy Style
„McCarthy-Ära (auch: McCarthyismus), benannt nach dem US-amerikanischen
Senator Joseph McCarthy, bezeichnet
einen Zeitabschnitt der jüngeren Geschichte der Vereinigten Staaten in der
Anfangsphase des Kalten Krieges. Sie war durch einen lautstarken Antikommunismus
und Verschwörungstheorien geprägt. (…) Heute
wird der Begriff (…) zumeist mit negativer Konnotation für die demagogische
Kommunistenjagd der frühen 1950-er Jahre benutzt, bei der die hysterischen
Ängste der Bevölkerung ausgenutzt worden seien, um Unschuldige oder relativ
harmlose Andersdenkende zu verfolgen; er wird assoziiert mit
Verschwörungstheorien und einer „Herrschaft des Terrors“, in der auf schlüssige
Beweisführung kein Wert mehr gelegt worden sei.“
(Quelle:
Wikipedia)
Das amerikanische
Blog „Tango Therapist“ hat eine
weite Verbreitung und findet sich auf der Blogroll einiger Kollegen (z.B.
Cassiel). Nachdem sich Thomas Kröter kürzlich furchtbar über einen Beitrag dort
aufgeregt hat, befasste ich mich mit etlichen Texten und kann nun sagen: Es
geht noch schlimmer. Daher jetzt meine Übersetzung eines Posts aus dem Jahr
2011:
Tango-Psychopathen?
Wenn Psychopathen auf einer Milonga erscheinen, ist
Furcht eine gute Gabe.
In keinem Bereich Ihres Lebens können Sie Psychopathen
leicht erkennen. Sie tragen keine Namensschilder. Psychopathen ähneln sehr den
„Soziopathen“, allerdings kann die fast jeder als gefährlich oder zumindest
„gruselig“ ausmachen.
Ich wünschte, es gäbe ein Buch speziell über
„Tango-Geier“ (weniger gefährliche Individuen) oder Psychopathen (sehr
gefährliche Personen), aber ich hoffe, dass dieser offene Artikel die
Tangogemeinschaft dem Ziel einen Schritt näher bringen wird, die Flügel derer
zu stutzen, welche Tango dazu benutzen, andere zu verletzen.
Ein Tango-Geier ist eine Person, die ihre Tanzkünste
dazu benutzt, um sich Vorteile vor allem von neuen Mitgliedern der Tangoszene zu verschaffen. Diese Person
erscheint mehr als nur “unpassend”. Er oder sie ist ein Raubtier. Bitte
gebrauchen Sie dieses Wort nicht übermäßig. Ein Tango-Geier ist ein seltener
Vogel, aber in einer Tangogemeinschaft ist einer schon zu viel. Auch ist die
Hälfte der Geier am Himmel weiblich; ich werde aber trotzdem den Umfang dieser
Diskussion weitestgehend auf die männlichen Tango-Geier beschränken.
Männer können von Kindheit an von weiblichen
Psychopathen missbraucht werden und nie verstehen, dass die sexuellen
„Vorlieben“ der Lehrerin in der 4. Klasse ihr Leben ruinierten, weil sie später
ein Pädophiler wurden oder schreckliche Beziehungsprobleme bis zu ihrem Grab
hatten. Väter und Mütter scheinen es ebenso nicht mitzukriegen, obwohl es ihre
eigene Tochter ist, die sexuell missbraucht wird. (…)
Lasst uns nicht nur auf die Person zeigen, die in
einer Gemeinschaft Verwüstungen anrichtet. Wenn jemand den Tango ruiniert –
meist hinsichtlich eines ziemlich neuen Tänzers in der Szene – beginnt das
Ganze normalerweise als Versagen der ganzen Gemeinschaft. Clay Nelson, ein
Tangolehrer und Festival-Veranstalter in Portland (Oregon) beauftragt die ganze
Szene, vor allem neue Mitglieder zu schützen. Er fordert die älteren Kollegen
zum Einschreiten auf und schreibt:
„Akzeptiert das räuberische und schädliche Verhalten
Einzelner nicht. Das kann ein schwieriges Problem werden. Gelegentlich wird ein
Individuum mit sozial unpassendem Verhalten auftauchen. Nehmen Sie es dann
nicht allein auf sich, dies zu korrigieren. Besprechen Sie sich zuerst mit
einigen der vertrauenswürdigsten und geachtetsten Kameraden der Gemeinschaft,
und falls (und nur falls) die mit Ihnen übereinstimmen: Reagieren Sie
angemessen, indem Sie als Gruppe dieser Person sanft entgegentreten und die
Sache besprechen. Überwachen Sie danach sorgfältig das Verhalten dieser Person,
und wenn es sich nicht ändert, müssen Sie vielleicht hartnäckiger werden. Im
schlimmeren Fall grenzen sie den Betreffenden sozial aus – seien Sie aber
vorsichtig. Egal wie schrecklich jemand ist, er oder sie wird immer einige
Verbündete und Freunde haben. Jemanden aus der Gemeinschaft zu verbannen wird
fast stets Brüche und/oder Kontroversen in Ihrer Szene bewirken.“ (…)
Lassen Sie mich zu Clay’s Bemerkung, dass ein
Tango-Geier über wichtige Allianzen in der Gemeinschaft verfügt, etwas
ergänzen: Dies ist für eine solche Person ein guter Grund, eine Menge Freunde
zu haben. Er braucht den Schutz blinder Unterstützer, um sich vor denen abzuschirmen,
die ihn durchschauen. Zum ersten Mal kam ich auf diese Tatsache durch einen
Ausbildungs-Artikel in einer Zeitung („FBI Reports“) über Opferstudien speziell
bei Pädophilie. Wichtige Freunde zu haben, um antisoziales Verhalten zu
vertuschen, ist Teil der Maskierung von sehr gruseligen, Psychopathen genannten
Leuten. Psychopathen und Pädophile beispielsweise lassen vor Gericht eine lange
Reihe von „Charakter-Zeugen“ aufmarschieren, die ihnen attestieren, was für
großartige Menschen sie sind. Der öffentliche und ungeübte Beobachter ist
überzeugt von dieser Ruhmesparade. Eine nette und aktive Person der
Gesellschaft zu sein ist nicht schlecht, beeindruckt aber nicht den
forensischen Psychiater oder FBI-Ermittler, welcher weiß, dass dies eine der „roten
Flaggen“ darstellt, nach denen er Ausschau halten sollte. Unwissende Leute
denken, das nette Menschen und aktive (sogar Kirchen-)Gemeindemitglieder nicht
derartig schlecht sein können. Gegenwärtige weibliche Psychopathen / Pädophile
/ Tango-Geier können in der Welt großen Schaden anrichten, aber wir sind
kulturbedingt blind hierfür, speziell in einigen Ländern – dies ist jedoch ein
sehr unpopulärer Ansatz. Sollen sich einige Tangueras damit befassen. Ich wage es nicht.
Obwohl ein Tango-Geier nicht notwendigerweise ein
gefährlicher Psychopath ist, besitzt er viele seiner Eigenschaften. In jeder
Tango-Szene, die ich kenne, gibt es mindestens einen davon, der neue
Tänzerinnen stalkt, wenn sie dort auftauchen. Sie benützen dann die Magie des
Tango (die sozial akzeptierte Umarmung, die Freude, sich zur Musik zu bewegen
und Improvisationstalent zu beweisen), um zu kriegen, was sie wollen. Die
meisten ihrer „Verbrechen“ bestehen in der selbstsüchtigen Leidenschaft, aber
diese Verhaltensweisen können sich langsam zur Bösartigkeit auswachsen. Jede
Tangogemeinschaft, die eines Tango-Geiers gewahr wird, sollte neue Mitglieder
und den Ruf der Szene insgesamt schützen.
Das Wissen der Gemeinschaft stutzt die Flügel des
Tango-Geiers:
Nicht eine einzelne „rote Flagge“ macht eine Person
zum Geier, bitte überbeanspruchen oder zergrübeln Sie das nicht. Einige Leute sind einfach Trottel, aber keine
Raubtiere! Von diesem Gedanken ausgehend möchte ich Ihnen die
Vorgehensweise des Tango-Geiers, wie ich sie beobachtet habe, schildern:
·
Jünger ist besser: Der Tango-Geier ist fast stets auf
eine Person aus, die viel jünger ist als er.
·
Ein bestimmtes Beuteschema: Neben der Jugend lieben
sie gewöhnlich ein bestimmtes „Flavour“ ihrer Opfer. Es kann eine Orientalin,
Russin, Spanierin oder nur einfach eine Rothaarige sein. Oft sind sie immer
wieder auf einen bestimmten „Opfer-Geruch“ aus.
·
Die Rolle des freien Tangolehrers: Die Agenda des
Tango-Geiers besteht nahezu immer darin, bei jemand Neuem die Rolle des
Instruktors für die wundervolle Tangowelt zu spielen. Kostenlose Stunden oder
die Tätigkeit des „Übungspartners“ werden zum Vorspiel, um Sex mit dieser
Person zu haben. Die schlimmste Sorte des Raubtiers ist der Tango-Veranstalter
oder professionelle Tangolehrer, welcher sein Prestige und seine Position für
diese „Zusatzleistungen“ missbraucht. Der Tango-Geier kann locker von einem Opfer
zum nächsten gehen. Dieses Phänomen des Missbrauchs der Stellung ist sehr
bekannt bei den Pfadfindern und Lehrern öffentlicher Schulen. Daher werden die
Aktiven in diesen Bereichen darauf trainiert, nach räuberischen Kollegen
Ausschau zu halten.
Das übliche (weibliche) Opfer kann sich nicht bei der Gemeinschaft
beklagen. Es hat keine Stimme. Es verschwindet einfach aus Scham und sieht im Tango nicht länger
einen sicheren Ort. Die neue Person ist weg, nachdem die Affäre vorbei ist, und
die Tangogemeinschaft? Zu oft hatten die Damen die neue Tanguera nicht beiseite
genommen, um zu erwähnen, dass „Fulano“ ein toller Tänzer sein mag, er aber
mehr als ein paar Affären mit neuen Tänzerinnen hatte. Wenn das der neuen
Tanguera zusagt, dann ziehen Sie sich zurück und warten. Aber sie verdient eine
Art von „Rat der älteren Schwester“. Die Philosophie des „Leben und leben
lassens“ kann in der Tangoszene eine tödliche Entscheidung sein.
Kann der erfahrene Milonguero nicht dem Tango-Geier
sagen, dass es nicht angeht, die Zeit einer neuen Tänzerin zu monopolisieren,
und darauf hinweisen, dass die jungen Tänzerinnen, die er „betreut“, sonst das
Tanzen oft aufgeben? Anders gesagt, es muss jemand den Schneid haben zu sagen: „Wir
beobachten dich, Fulano.“ Es sollte eine Gruppe von Tangueros sein, welche sich
dieser Person nähert, nicht wegen der Gefahr, sondern weil die Tangoszene eine
Stimme haben sollte und es nicht nur die Meinung eines Einzelnen ist. Sie
können ihm auch eines Abends eine Kopie dieses Textes in seinen Schuhbeutel
stecken.
Nun, vom Geruch her passen Text und Schuhbeutel sicherlich zusammen.
Ich fürchte, man befindet sich da schon ziemlich knapp vor der Gründung
eines „Komitees für untangomäßige Umtriebe“ im besten McCarthy-Stil.
Die Tendenz wirkt erfrischend klar und ehrlich: Die Tangoszene ist eine
formierte Gesellschaft, Neulinge haben sich dem anzupassen oder sie fallen dem
kollektiven Mobbing anheim.
Selbstredend ist ein solches Tangoverständnis nicht sozial, sondern
totalitär.
Psychopathen, Pädophile und Tango-Dissidenten werden fröhlich in einen Topf
geworfen und zu einem unappetitlichen Ragout verrührt. Dazu fällt mir Dieter
Hildebrandts Satz ein: „Da kann ich mir nur noch an den Arsch fassen – der Kopf
ist mir dafür zu schade.“
Der Autor dieses (pseudonymen) Blogs ist wohl Arzt und gefällt sich auch in
anderen Beiträgen in der Rolle des Küchen-Therapeuten. Und wenn es noch eines
Beweises bedurft hätte, dass diejenigen, welche anderen eine Macke attestieren,
oft selber einen an der Klatsche haben…
Im Gegenzug gibt es dafür von mir ein bisschen Ethologie vom Biologen: Auch
in anderen Pavian-Gehegen findet man diese „Außenseiterreaktion“. Da kommt ein
adultes Männchen von draußen zur Horde, noch dazu vielleicht kräftig und gut
aussehend. Der Silberrücken befindet dies schleunigst als ungehörig: So gehe das ja
nicht – schon weil der Neue ein etwas helleres Fell habe und anders rieche.
Bestenfalls darf er zunächst ein halbes Jahr im Arme-Sünder-Eck zubringen, die
leere Futterschüssel ausschlecken und die Finger von den Weibern lassen.
Und wehe, er verstößt gegen diese Códigos! Man macht sowas ja nicht, um die männlichen Rivalen loszuwerden, sondern nur zum Schutz der edlen Damenwelt, gell...
Ein Trost bleibt uns Unangepassten: „Tango-Geier“ können ausschließlich
traditionellen Szenen gefährlich werden, denn sie fressen nur totes Fleisch!
P.S. Und hier der Originaltext:
http://tango-therapist.blogspot.de/2011/09/tango-vultures.html
Hallo Gerhard,
AntwortenLöschenja, dieser Herr hat auf meinem Verhaltens-Auffälligkeits-Radar auch schon aufgeblinkt (dank My Tango Diary bzw. der "Alteres-Funktion" kann ich jetzt immer sehr zeitsparend checken, wer so alles neu gebloggt hat).
Ich war auch am Überlegen, ob ich seinen aktuellen Post mal im Zwei-Spalten-Verfahren einem doch etwas "sozialeren" von In Search of Tango gegenüber stellen (blöder Zeitmangel). Jedenfalls: Offenbar gibt es in meinem Sport doch eine ganze Menge Schrägheimer, und das auch noch fast alles Männer...peinlich. Auf jeden Fall kriegt er bei mir auch noch ein bißchen was ab – versprochen.
Leider gibt es in meinem Leben ein paar sehr liebe bzw. beeindruckende Menschen, deren Beruf die Psychologie bzw. Psychiatrie ist...daher und weil ich ja auch Hobbypsychologe bin, habe ich etwas Schwierigkeiten mit dem alten Bonmot "Die Psychologie ist die Krankheit, für deren Heilung sie sich hält".
Als besagter Hobbypsychologe lautet mein Urteil jedenfalls: Typen wie er betreiben auch eine Art von Mißbrauch, indem sie die Position, die ihnen durch den stärkeren Tanzwunsch von Frauen geschenkt wird, dazu ausnutzen, ihre kleinen Machtphantasien auszuleben. Da hilft auch kein Fingerpointing anderswohin.
Lieber Yokoito,
AntwortenLöschenich wollte sicherlich nicht zu einem Rundumschlag gegen Psychiater & Co. ausholen. Aber der Herr gefällt sich offenbar so in seiner Therapeutenrolle…
Ja, es ist tatsächlich merkwürdig, dass sich in irgendwelchen Foren fast nur Männer darüber beklagen, dass ihre Konkurrenten angeblich beim Tango die Frauen bedrängen. Dabei sind Milongas nach meiner Erfahrung in dieser Hinsicht so ziemlich die harmlosesten Orte – gar nicht zu vergleichen mit dem Arbeitsplatz, dem Pauschalurlaub oder gar einem Single-Kochkurs.
Jetzt versuche ich auch einmal etwas Küchenpsychologie: Ich fürchte, bei manchen Männern ist Sex untrennbar mit Machtausübung verknüpft. Und wenn man schon das eine nicht haben kann…
Danke für Deinen Beitrag und Kompliment zum neuen Blogtext!
Gerhard
Hallo Gerhard,
AntwortenLöschenwas Du immer ausgräbst! Das ist mal wieder ein Prachtexemplar von Platzhirsch, eigentlich lustig! Aus diesem Thema müsste man mal einen sentimentalen Tango schreiben: Der Platzhirsch, der sich für den tollsten und die Nummer eins hält, und ein Bänkchen voll Damen erwarten, aus denen er aussucht. Und wehe, es kommt ein Konkurrent.
Hatten wir das nicht neulich schon mal, in Cassiels Blog, der die Damen vor "schlechten Tänzern" beschützen will?
Wir sehen uns ja nächste Woche bei unserer HerzSchmerz-Milonga, ich freue mich sehr, dass Ihr kommt.
Hallo Annette,
AntwortenLöschenmir fällt zum Thema spontan Villoldos "El Portenito" ein - ist auch ein ziemlicher Backenaufbläser.
Klar, Cassiel ist ein wahrer Beschützer der Frauen...
Bis nächste Woche, wir freuen uns!
Gerhard