Nur eine Zigarettenlänge...
Der folgende Dialog
hat sich nicht genauso abgespielt – Fragen nach dem „Who done it“ erübrigen
sich also. Jeder der zitierten Sätze ist jedoch authentisch, da ich im Laufe
vieler Tangojahre eine Menge solcher Gespräche geführt habe.
Bei diesen habe ich
selten gelogen, war aber meist nicht ehrlich. Soll man Neulingen im Tango die
ganze Wahrheit erzählen und dann die Verantwortung für die Folgen tragen? Ist
eine gewisse Unbelastetheit, ja Naivität, nicht vielleicht die beste Voraussetzung,
ein solches Wagnis einzugehen, sich Verhältnissen auszusetzen, die ich –
gelinde gesagt – für ziemlich schräg halte?
Nun, auf meinem Blog
traue ich mich das schon. Sollte sich ein Anfänger hierher verirren, kann er ja
spätestens jetzt, zur Vermeidung schwerer Depressionen durch Kontakt mit der
Wirklichkeit, mit dem Lesen aufhören.
Darf man Neulingen, welche blauäugig meinen, mit ein paar Kursen und Tanzen nur mit dem Ehepartner wäre der Eintritt in den Tangohimmel bezahlt, sagen: „Nee, lasst das lieber"? Und würden Sie es glauben?
Darf man Neulingen, welche blauäugig meinen, mit ein paar Kursen und Tanzen nur mit dem Ehepartner wäre der Eintritt in den Tangohimmel bezahlt, sagen: „Nee, lasst das lieber"? Und würden Sie es glauben?
Dem Original-Dialog
sind jeweils „Subtext“-Zeilen“ (kursiv) beigefügt, die ich vielleicht hätte
aussprechen sollen, mir allerdings tapfer verkniffen habe:
Sie
waren mir schon bei der Milonga aufgefallen: Ein Paar in den Fünfzigern,
sicherlich schon lange verheiratet, erkennbar an dem ziemlich sachlichen,
laschen Körperkontakt; bereits an der Bekleidung, da fern aller tangomäßigen
Insignien, klar als Beginner zu identifizieren. Und erst ihre Tanzweise: Verzweifelt
versuchten sie eine Figur so in Richtung Achterbasse mit Kreuz, wobei in der
abschließenden Seit-Schluss-Bewegung die Frau den Belastungswechsel nicht
erkannte (woran auch?) und daher der Versuch, weiter zu tanzen, in einem
Gestolper endete.
Ersichtlich litt der Ehemann Höllenqualen ob seiner mangelnden „Führungsqualität“, während die Gattin möglicherweise darüber nachdachte, ob sie vor dreißig Jahren nicht doch den anderen hätte nehmen sollen, der sie damals beim „Tanz in den Mai“ so herrlich herumgewirbelt hatte… In Ermangelung dieser Alternative bekamen wir beim Vorübertanzen etliche sehnsuchtsvolle Blicke von ihr ab. Ihr Mann sah weg.
Ersichtlich litt der Ehemann Höllenqualen ob seiner mangelnden „Führungsqualität“, während die Gattin möglicherweise darüber nachdachte, ob sie vor dreißig Jahren nicht doch den anderen hätte nehmen sollen, der sie damals beim „Tanz in den Mai“ so herrlich herumgewirbelt hatte… In Ermangelung dieser Alternative bekamen wir beim Vorübertanzen etliche sehnsuchtsvolle Blicke von ihr ab. Ihr Mann sah weg.
Ich
war drauf und dran, sie, ihre Panikreaktion und den Neid des Gatten
einkalkulierend, einmal aufzufordern, fand aber zunächst keine Gelegenheit.
Etwa
anderthalb Stunden nach Beginn des Tanzabends floh ich vor einer „Soñar y nada mas-Tanda“ zum
Aschenbecher vor der Tür. Kurz darauf öffnete sich diese nochmals: Das
Anfängerpaar war auf dem Heimweg. Als mich die Dame erblickte, blieb sie stehen
(ihr Mann dann auch, zögernd, in einiger Entfernung) und holte ebenfalls einen
Glimmstängel aus der Packung. Kavaliermäßig gab ich ihr Feuer, schon deshalb,
weil das heute so selten geworden ist (nicht nur das Rauchen).
„Siehe
da, auch ein Raucher!“ Ich nickte nur.
„Mei‘,
der Tango ist ja so schön, wir tanzen jetzt erst seit ein paar Wochen, sind aber
schon total fasziniert“, fügte sie hinzu. Der Gatte verkürzte seinen Abstand zu
uns um zirka zwei Schritte.
„Na
klar, das kann schon zur Sucht werden“, war meine knappe Antwort.
(Das ist ja prima, wenn
euch dieses Gedudel schon gefällt, was werdet ihr dann erst zu g’scheider Tangomusik
sagen! Oder würde es euch verwirren, da es so ganz anders klingt als im
Unterricht?)
„Ihr
beide – ich nehme an, das ist deine Frau – seht ja beim Tanzen ganz wundervoll
aus.“
„Vielen
Dank – und ja, es ist meine Frau.“
(Müsst ihr Weiber
eigentlich immer sofort den Beziehungsstatus erkunden? Und meint ihr wirklich, solche
Tänze gingen nur mit der Angetrauten?)
„Wie
lange tanzt ihr denn schon miteinander?“
„Meinst
du Tanzen insgesamt oder nur Tango?“
„Den
Tango“
„16
Jahre“
„O
mein Gott, da können wir ja noch lange warten!“
(Und warum stellst du
dann eine solche Frage mit vorhersehbar frustrierender Antwort? Und was hat die
Zeit, in der man etwas betreibt, mit dem Ergebnis zu tun? Ich kenne viele, die
schon jahrelang tanzen, ohne dass man es merkt…)
„Ist
doch egal, Hauptsache, es macht euch Spaß. Bei wem nehmt ihr denn Unterricht?“
„Bei
Guiseppe“
(Ach du Scheiße, hab‘
ich mir doch gedacht! Einer der größten Deppen, die in der weiß Gott nicht
anspruchsvollen Branche herumlaufen. Habt ihr euch mal seine restlichen Schüler
angeschaut? Möchtet ihr wirklich so enden?)
„Grundsätzlich
ist es ganz gut, wenn man nicht nur bei einem Lehrer bleibt. Schaut euch doch
einfach mal um.“
„Ja,
was gibt es denn noch für Tangokurse? Wir haben da keine Ahnung.“
(Allmählich schwillt
mir die Zornesader: Wenn Männe ein Ersatzteil für seinen Aufsitzrasenmäher
braucht, hat er in zehn Minuten am Computer die entsprechenden Angebote bei
Amazon, Ebay und sonstwo gecheckt – aber beim Tango? Okay, er geht
wahrscheinlich eh nur seiner Frau zuliebe mit. Wozu dann der Aufwand?)
„Also,
der Roberto aus Garching oder die Maria in München sind wohl sehr zu empfehlen.“
„Ja,
wenn das nur nicht so weit wäre – der Guiseppe unterrichtet halt gleich bei uns
um die Ecke.“
(Ach so, aber im
Urlaub fliegt ihr auf die Malediven oder zumindest nach Mallorca… beim Tango jedoch
ist es ein Argument, dass man den Kurs zu Fuß erreicht… echt, ihr habt es dann
auch nicht besser verdient!)
Nun
mischt sich tatsächlich der Herr Gemahl ein – vermutlich, um von dem brenzligen
Thema wegzukommen:
„Es
fällt mir einfach noch schwer, diesen Grundschritt zu führen. Im Kurs geht es
einigermaßen – aber wenn auf einer Milonga diese ganzen Paare um einen
herumschwirren…“
„Schon,
aber nur so lernt man es. Und probiert es auch mal mit anderen Partnern!“
Darauf
sie: „Ja, wer will denn schon mit einer totalen Anfängerin tanzen?“
(Ja, Mädel, wärt ihr
jetzt nicht so früh abgehauen, ich zum Beispiel. Es gibt sogar – gefühlte –
Könner, die das genießen, vor allem, wenn das Opfer jung, blond und naiv ist.
Für dich also keine allzu große Gefahr…)
„Also,
das Risiko könnt ihr schon eingehen. Die meisten von uns wissen noch, wie sie
sich selber am Anfang angestellt haben, und sind sehr freundlich. Und auch
routinierte Frauen können Neulinge gut aussehen lassen.“
„Ja,
aber, ich muss doch zunächst die Schritte führen können.“
„Nein,
das machen die schon. Tanz einfach hinterher. Irgendwelche Figuren sind gar
nicht wichtig. Wichtig ist, zur Musik zu gehen und den anderen zu spüren.“
(Verständnislose
Blicke – klar, dass dies ihr Tangolehrer anders erzählt hat! Und nach so langer
Ehezeit noch wirkliche Sensibilität für den Partner entwickeln? Obacht, vermintes
Gelände…)
Ich
versuche es mit einem letzten Tipp: „Und geht so viel wie möglich tanzen!“
„Ja,
wie oft bist du denn beim Tango?“
„Na,
so dreimal die Woche – früher mehr, fast jeden Tag.“
„Nein,
das geht bei uns nicht. Ich hab ja Montag Tennis und Dienstag die Frauengruppe, und mein Mann kommt oft viel
zu spät von der Arbeit und ist dann müde, da lohnt es sich nicht mehr,
wegzugehen.“
(Na sicher, und wenn er
weiterhin so rumstolpert, werden sich die Überstunden im G’schäft häufen. Und
wenn du mal allein eine Milonga besuchen würdest? Nein, den Vorschlag lasse ich
lieber, dann gibt es wenigstens heute Abend noch keinen Ehestreit!)
Auf
einen deutlichen Blick ihres Partners hin drückt sie hastig die Zigarette aus: „Wir
müssen jetzt fahren, sonst wird es wieder so spät. Grüß deine Frau noch von uns
– und ihr tanzt wirklich ganz toll…“
„Ja,
gerne, mach ich. Und kommt gut heim!“
Solche Gespräche und die Gedanken dazu kenn ich zur Genüge: Wie soll man denn in 2-3 Minuten die gesamte eigene Tangobiografie erzählen? Von Blut und Schweiß und Tränen? Von den vielen süßen Momenten? Von den Wegen und Irrwegen? Und den Tanzerfahrungen VOR dem "eigentlichen" Tango?
AntwortenLöschen(Tango-)Lernen kostet Zeit (viel Zeit!), Ausdauer, Disziplin und Geduld. Aber genau das möchten viele Anfänger nicht hören. Die Geschichte von der guten Fee, die in meiner Familie fröhlich Tanzlustgene verstreut hat, würde leichter angenommen. Aber das mag ich nicht.
Wäre vielleicht doch ein Grund mit dem Rauchen aufzuhören. (Beim Nasepopeln allein in der Damentoilette hätt' ich eher mein Ruh' vor solchen Gesprächen, ist aber net so lustig.)
Trotzdem, liebe Anfänger, wünsch ich Euch VIEL FREUDE - die gibt's nämlich auch beim Tango - und VIEL VERGNÜGEN beim Tanzen. (Auch wenn's Dein Tangolehrer verbietet.)
Hi Manu, da ich nicht rauche enden solche Gespräche (der zum Tango gezwungene Ehegatte ist da eh nicht dabei) schon nach einem "Wie lange tanzst du denn schon?". ;-)
LöschenApropos, "Vergnügen beim Tango": ich hab mal nen Salsaschnupperkurs (im Circulo) gemacht, da meinte der Lehrer dann: "Und nebenan ist Tango, aber aufpassen, da dürft ihr nicht rauchen und nicht lachen." (war vor dem Rauchverbot)
Ciao und bis irgendwann mal wieder beim Tango, Robert
Lieber Gerhard, Respekt vor Deiner blitzschnellen Reaktion und Deiner Eloquenz...ich hätte sicher bei mindestens 50% den kursiven Text genommen...
AntwortenLöschenNa ja, lernt man mit der Zeit!
LöschenEs gab aber auch schon Fälle, wo ich kursive Textbausteine laut vortrug.
Kam aber nicht so gut an...
Besser tanzen statt reden - und - Vorsicht: Missionare landen meist im Kochtopf!
AntwortenLöschenDrum fange ich ja solche Gespräche nicht selber an - und spiele so gut wie nie den Missionar (jedenfalls nicht live)!
LöschenUnd wenn man die spanische Kolonialpolitik bedenkt, enden Zwangsbekehrungen auch oft tödlich.
Hallo!
AntwortenLöschenIch lese jetzt hier seit ein paar Minuten - also ich muss wirklich ein großes Lob aussprechen: eines der besten Blogs, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Weiter so!
LG,
Anita Klein
Liebe Anita Klein,
Löschendas freut mich natürlich sehr!
Ich wünsche weiterhin eine vergnügliche Lektüre und hoffe auf gelegentliche Kommentare.
Beste Grüße
Gerhard Riedl
Oh mein Gott - was für ein Blog!
AntwortenLöschenIch kann hier weder Sachlichkeit noch Informationsgehalt erkennen. Hier geht es doch in erster Linie um Eitelkeit, Zynismus und Hahnenkämpfe der seltsamsten Art. Das ist weder lustig noch informativ.
Natürlich kann jeder seinen Blog gestalten, wie er will, und deshalb halte ich mich mit weiterer Kritik hier zurück. Ich tue mir selbst leid, über diese Seite gestolpert zu sein - ich werde sie in Zukunft meiden!
Ich wünsche dennoch viel Vergnügen hier!
Michael Baumgartner
Lieber Michael Baumgartner,
Löschensehr schmeichelhaft – aber in Zukunft würde mir die Anrede „Oh, Herr Riedl“ vollkommen genügen!
Wie konnte es denn geschehen, dass Sie so rein zufällig über meine Seite gestolpert sind? Wenn Sie mir die digitale Verbindung nennen, werde ich versuchen, dort einen Warnhinweis zu installieren:
„Vorsicht, Eitelkeit, Zynismus und Hahnenkämpfe! Bitte bei Humorfreiheit und satirebezogenem Autismus keinesfalls lesen!“
Das gewünschte Vergnügen haben wir hier weiterhin, zumal nach Ihrem Kommentar.
Beste Grüße
Gerhard Riedl
Den folgenden Kommentar hatte ich versehentlich gelöscht, da er mir nur einen Vornamen als Autorenangabe zu enthalten schien. Aber es handelt sich wohl um die weiter oben schon verzeichnete Anita Klein. Daher veröffentliche ich ihn – mit leichten Bedenken, da er schon ziemlich despektierlich gegenüber einer (wohl realen) Person klingt. Allerdings hatte diese in ihren Formulierungen auch nicht gerade Zurückhaltung geübt. Ich weise die Diskutanten allerdings darauf hin, dass ich weitere sprachliche Eskalationen nicht mehr veröffentlichen würde – und, dass mein Vorname „Gerhard“ ist:
Löschen„Lieber Georg Riedl,
lass Dich doch nicht von so Typen wie Michael Baumgartner provozieren. Das sind Leute, die nur nörgeln und etwas zum Aussetzen haben - ich kenne ihn nämlich. Mit seiner aufdringlichen Art ist er sehr unbeliebt und über sein tänzerisches Können will ich erst gar nichts schreiben. Aber die Klappe hat er natürlich immer offen.
Solche Leute muss es halt auch geben - einfach ignorieren!
LG,
Anita“
Liebe Anita,
Löschenes ist immer wieder köstlich, wie verschieden mein Blog ankommt. Dein Beitrag weiter oben und der von Michael Baumgartner beweisen es.
Macht ja nichts – ich finde das im Sinne einer lebendigen Diskussionskultur spannend, wenn es gewisse Grenzen nicht überschreitet.
Es gibt halt Menschen, bei denen Großalarm herrscht, wenn in hundert Metern Umkreis einer lacht. Bis zum Beweis des Gegenteils halte ich aber daran fest, dass eine humorvolle bis ironische Atmosphäre dem Tango nicht schadet – und hoffentlich kommt gelegentlich zum Ausdruck, dass ich mich ebenfalls nicht immer ernst nehme.
Liebe Grüße
Gerhard
Hallo!
AntwortenLöschenwem soll ich hier antworten? Dem lieben Gerhard, oder doch der lieben "Anita", die ich - zumindest namentlich - nicht kenne!
Aber immerhin weiß Frau "Anita Klein" über meine "aufdringliche Art" bescheid. Und Herr Gerhard Riedl veröffentlicht so ein beleidigendes Posting eines Fake-Profils natürlich mit Wonne - ist es doch ganz in seinem Sinn.
Toller Blog! Lauter anständige Leute mit Klarnamen!
Wünsche noch gute Unterhaltung.
Michael Baumann.
Auch Hallo!
LöschenSie scheinen sich schon über den eigenen Klarnamen nicht ganz sicher zu sein: „Baumgartner“ oder „Baumann“, wie denn jetzt? So viel zum Thema „Fake-Profil“…
Zudem hatten Sie angekündigt, zukünftig diese Seite zu meiden. Was denn nun?
Und verbal sehe ich Ihr „Eitelkeit, Zynismus und Hahnenkämpfe“ etwa auf der gleichen Ebene wie „aufdringliche Art". Dennoch hatte ich die Wortwahl moniert. Kein Grund also, sich zu beschweren!