Bloggen damals und heute
In der momentanen Debatte ein sehr interessantes Fundstück:
2021 verfasste der Tangolehrer Klaus Wendel den Artikel „Bäume und Wälder“, in dem er sich ziemlich kritisch mit Encuentros und den betreffenden Anhängern auseinandersetzte.
Beispielsweise schrieb er zu seiner Rechtfertigung:
„Dabei habe ich nur folgende Fragen gestellt, nämlich…
- ob die gesamte traditionell orientierte Tangoszene weitere 40 Jahre mit nur ca. 1500 gut tanzbaren Musiktiteln vorliebnehmen möchte, die selbst mir hartgesottenem Fan von EdO-Tangos langsam irgendwann zum Halse raushängen,
- ob eine in Richtung festgefahrener, standardisierter, nur der Kompatibilität vieler Tänzer, geschuldeten Tanzentwicklung dem Tango allgemein guttut,
- ob eine Abspaltung vieler unterschiedlicher Tango-Interessen schon erste Anzeichen einer sterbenden Kultur sind,
- und sind Encuentros wirklich kein personen-ausschließendes Phänomen der Tangoszene?“
Dies brachte ihm die Gegnerschaft des Bloggers Cassiel ein, der unter anderem so kommentierte:
„Du schreibst, Du hättest ‚Respekt für die Tänzer‘ um in den nächsten Absätzen Deine (!) Wertungen über Mitmenschen im Tango erneut auszurollen und – so empfinde ich es jedenfalls — versuchst Deine Vorstellungen zur Musik, zur ‚Monotonie im Tanz‘, zu Deinen Phantasien bezüglich der materiellen Situation einer Gruppe von Tanzenden und schließlich zur ‚Spaltung‘ im Tango vorzutragen. Dabei fällt mir auf, dass Du es für meine Begriffe nicht deutlich genug als Deine Meinung kennzeichnest. Du versuchst Deine Kritik zu objektivieren. Das macht es über weite Strecken schwierig, mit Dir zu diskutieren.
Ein weiterer Punkt, der die Diskussion mit Dir erschwert, ist der Umstand, dass Du noch nie eine solche Veranstaltung besucht hast. Du genehmigst Dir aber schon, zu kritisieren, wie es dort vermeintlich zugeht; mit anderen Worten: Deine (Vor-) Urteile zu kultivieren. Es ist phasenweise schwierig mit Menschen zu debattieren, deren Erfahrung ‚rein akademisch‘ ist. Du berufst Dich auf E-Mail-Zuschriften, ohne dass es konkreter wird. Damit wird die Diskussion unmöglich. Nein, es sind keine ‚verhärteten Fronten‘ … zumindest bei mir entsteht der Eindruck, da möchte irgendjemand, der ein subjektives Problem mit diesen Veranstaltungen hat, nun scheinbar objektive Argumente in den Diskurs einführen, warum diese Veranstaltungen nicht mehr so durchgeführt werden sollten. Das verstehe ich nicht. Warum lehnst Du Dich gegen etwas auf, was Dich eigentlich gar nicht betrifft oder einschränkt?“
Cassiels Fazit:
„Es wäre erheblich leichter mit Dir zu argumentieren, wenn Du (anstatt gegen etwas) für Deine eigenen Ideen schreiben würdest. Im Moment erinnert mich Deine Argumentationsweise an andere neidische Zeitgenossen, die Mitmenschen ihren Tango nicht gönnen können.“
Es beruhigt mich, dass solche Vorwürfe mal ausnahmsweise nicht mich trafen…
Spannend finde ich, was Klaus Wendel dem entgegnete:
„Und so reden wir ständig aneinander vorbei, weil Du meine Kritikpunkte aus Sicht aufs Ganze nicht sachlich, sondern gegen Personen gerichtet betrachtest. (…) Es ist also so, dass Du oft bei meiner Kritik an gesamtheitlichen Fehlstellungen mit einer Kritik an Personen verwechselst, die solche Fehler machen.“ (…) Meine Kritik ist also gar nicht speziell gegen Personen gerichtet, sondern gegen die Umstände, die die Missstände oder Fehler dieser Betroffenen – in diesem Fall die Besucher von Encuentros – begünstigen.“
Hat der Autor da von mir abgeschrieben?
Zu Cassiels Vorhaltung, Wendel habe noch nie ein Encuentro besucht, entgegnet dieser:
„Diesen Vorwurf kenne
ich. Ich brauche aber auch nicht meine Hand in kochendes Wasser zu halten, um
zu beurteilen können, ob es heiß ist.
Das Wissen, das man braucht, um die Spezialität von Encuentros beurteilen zu
können, ist nun auch wieder nicht so spezifisch, dass man als langjähriger
Tänzer unbedingt einen besuchen müsste.“
Und schließlich, fett gedruckt:
„Ein Musikkritiker muss übrigens auch nicht besser spielen können als der kritisierte Musiker, um die Interpretation beurteilen zu können; er zieht nur andere Konzerte als Vergleichskriterium heran.“
Ach so…
Und auf den Vorwurf, ihn treibe Neid, schreibt Wendel:
„Worauf soll ich übrigens neidisch sein, wenn ich doch Missstände beklage und sie umgehe, indem ich nicht hingehe? Und dabei leide ich nicht einmal darunter, weil ich mich ja für bekloppt erklären müsste, auf eine überfüllte Tanzfläche zu gehen, wo ich meinen Spaß an Komplexität nicht befriedigen kann.“
Echt? Wendel äußert Verständnis dafür, wenn man Veranstaltungen, die einem nicht liegen, meidet? Toll!
Auch sein Fazit könnte von mir sein:
„Du wirfst anderen, die sachlich kritisieren, persönliche Angriffe vor, wirst aber in Deiner Erwiderung der ‚Kritik an der Sache‘ persönlich.“
Na klar. Was sonst?
Klaus Wendel hat ja nun wieder mit dem Bloggen begonnen. Derzeit ist er auf der sicheren Seite, indem er sich ausschließlich an mir abarbeitet. Das erzeugt eine Menge Jubel. Da ich ihn aber für einen Querkopf halte, bin ich gespannt, ob er sich auch mal wieder mit der anderen Seite anlegt. In dem Fall dürften ihm – so wie mir – dann die Dreckbollen um die Ohren fliegen. Eine gewisse Vorahnung hat ihn ja schon 2021 beschäftigt:
„Klar, als Blogger, der ein Thema diskutiert und dabei ein heißes Eisen anfasst, bei dem die Nerven sowieso blank liegen, habe ich auch mit negativen Reaktionen gerechnet, zumal Menschen, die gerne in Encuentros tanzen, naturgemäß empfindlich reagieren, wenn Ihnen jemand scheinbar Ihr Hobby vermiesen möchte. Dass allerdings zum Teil so unsachlich, inhaltlich an meinem Beitrag vorbei argumentiert wird, hätte ich nicht gedacht. Offenbar sind diese Verfechter der Encuentro-Idee ständig solchen Diskussionen ausgesetzt, sodass eine Sicht aus einer anderen Perspektive nicht mehr möglich ist.“
Und auch ein gewisser Diskussionsstil ist ihm damals schon aufgefallen:
„Ich hatte bei manchen Fanatikern keine Chance! Offenbar kommen Fans schon bei kleinsten Anzeichen von Kritik in eine ‚Autoargumentationsschleife‘, sodass eine, selbst sachliche, konträre Kritik scheinbar mit Autotextblöcken aus der Erfahrungssammlung vieler Diskussionen, per copy & paste gekontert werden, ohne auch nur ansatzweise auf eine Aussage des vorangegangenen Beitrags einzugehen. Es sah teilweise so aus, als wenn der jeweilige Kommentator (eines bekannten Tangobloggers) einen anderen Beitrag gelesen hätte.“
Quellen:
https://www.tangocompas.co/baeume-und-waelder/
https://www.tangocompas.co/baeume-und-waelder/#comments
Ich wünsche dem Kollegen Wendel jedenfalls viel Spaß und Erfolg bei seinem wiederentdeckten Hobby und warte interessiert auf den ersten Zoff mit seinen neu gewonnenen Freunden.
Es bleibt also spannend – ich werde berichten!
Nachtrag:
Klaus Wendel hat sich nun in Windeseile von seinem früheren Text distanziert. Heute sieht er es ganz anders:
„Es gibt einen feinen,
aber entscheidenden Unterschied zwischen dem, was ich damals gemacht habe – und
dem, was mich heute bei manchen stört:
Ich kann mein Urteil hinterfragen.
Ich lerne dazu.
Ich verzichte inzwischen darauf, andere öffentlich abzuwerten, nur
weil mir ihr Zugang zum Tango nicht entspricht.“
https://www.tangocompas.co/kritik-an-der-kritik-und-warum-ich-heute-anders-denke/
Na, das lässt doch hoffen – vielleicht sogar darauf, dass Wendel in weiteren vier Jahren seine Pöbeleien gegen mich revidiert!
🤦🏼♂️🤷♂️ … ich hätte jetzt gemeint, da ist ein Zahlendreher und dieses Geplänkel stammt aus dem Jahr 2012 … weiß Christian das?!?
AntwortenLöschenNa, die Herren werden sich schon untereinander austauschen. Und Herr Wendel hat sich ja inzwischen von seinem Artikel distanziert (siehe Nachtrag in meinem Text).
Löschenmmh … aber nicht wirklich inhaltlich, sondern lediglich vom Ton her und das er erkannt hat, dass mangels Massenphänomen, sich sofort einzelne Persönlichkeiten in ihren Befindlichkeiten gestört fühlen, weil sie sich sofort selbst/selber wiedererkennen … Satire, ein scharfes unbedingt freies und je schärfer gewetzt, eben nicht mehr für jeden erkennbar … aber genau so muss Satire sein … manchmal weiß das Messer selbst nicht, dass es angelegt wird, dies nennt man dann wohl Real Satire, so wie jetzt gerade die aktuellen Artikel … wenn manch einer sich bloß an seine sälber eingeforderten Gepflogenheiten halten würde. Die Stimmung dort ist in allen Texten einfach irgendwie ungewollt toxisch … da ist mir das offen geführte Messer lieber … Guappo (Hut zieh) …
Löschen„(..) Ich verzichte inzwischen darauf, andere öffentlich abzuwerten, nur weil mir ihr Zugang zum Tango nicht entspricht.“(..)“ 🤔 das gilt ab heute? Erst? 21.04.2025, nur um den zeitlichen Rahmen abzustecken, wie schnell man seine inneren Kompetenzen entwickeln und wieviel Zeit man hat, diese als solche zu bezeichnen 🧐
AntwortenLöschen